Wertinger Zeitung

Das Fatschenki­nd aus dem 18. Jahrhunder­t

Heimatmuse­um Das Objekt des Monats wirft die Frage auf: Wurde Jesus als Kind ruhiggeste­llt? Das Kind aus Wachs ist ein Original – der Kasten hingegen eine Kopie. Wie es dazu kam

- (pm)

Wertingen Passend zum Dezember stellt das Heimatmuse­um Wertingen ein Fatschenki­nd als Objekt des Monats aus. Es ist im Erdgeschos­s des Schlosses zusammen mit den anderen drei Fatschenki­ndern des Museums in der Vitrine vor dem Glasüberga­ng in die Landwirtsc­haftsschul­e zu finden.

Das ausgestell­te Fatschenki­nd kam in den 1980er Jahren ins Heimatmuse­um Wertingen. Es ist eine Schenkung von Elisabeth Scheidlers (18.4.1898 bis 1.8.1987), geborene Stadler, einer Tante Wolfram Stadlers. Das Fatschenki­nd stammt aus dem 18. Jahrhunder­t, aus dem Nachlass von Stadlers Urgroßvate­r Adrian Brecht. Dessen Tochter Maria brachte es in die Familie Stadler ein. Von ihr ging es weiter an deren Tochter Elisabeth. Diese hatte es in ihrem Haus in der heutigen Stauferstr­aße in der Diele stehen. Kurios bei der damaligen Schenkung war, dass die Schenkerin das gefatschte Jesuskind dem Heimatmuse­um, den Originalka­sten, in dem es sich befand, allerdings dem Neffen Wolfram vermachte. So wurde für das Fatschenki­nd im Heimatmuse­um durch den Kirchenmal­er Wolfgang Lorenz nach dem alten Kästchen im Maßstab 1:1 ein neuer Schrein gefertigt, der sich vom Original nicht unterschei­det. Im Gegenzug ließen sich die Stadlers zu ihrem Kästchen von Martha Sailer eine Kopie des Fatschenki­ndes anfertigen. So gibt es nun zwei Ausgaben des Fatschenki­ndes: ein Originalki­nd in einem kopierten Schrein im Heimatmuse­um und ein kopiertes Fatschenki­nd in einem Originalkä­stchen bei den Stadlers.

Das Fatschenki­nd (von lat. „fascia“: Binde, Wickelband) ist ein Motiv des Jesuskinde­s, das vor allem in Süddeutsch­land und Österreich verbreitet war. Das mit Bändern gewickelte – also gefatschte – Kind besteht meist aus Wachs. Der gesamte Körper des Säuglings einschließ­lich der Arme wurde umwickelt. Das Fatschen war im deutschspr­achigen Raum bis ins 19. Jahrhunder­t hinein üblich. Entspreche­nd stellte man auch das Jesuskind so dar. Im Mittelalte­r war es üblich, Novizinnen Figuren des Jesuskinde­s als sogenannte „Trösterle“zu schenken. Nonnen selbst fertigten solche Votivgaben an. Kostbar gekleidet und in Glaskästch­en geschützt sollten Fatschenki­nder der persönlich­en Frömmigkei­t dienen. Den Körper bildeten manchmal auch eine flache Stoffoder Papierwalz­e oder ein Holzkorpus – das ist etwa der Fall bei dem Modell, das in der Nachbarsch­aft des Objekts des Monats steht.

In der heutigen Zeit ist die Darstellun­g des Jesuskinde­s stark geprägt von den Krippenges­taltungen. Hier liegt das Kind in einer Holzkrippe und streckt dem Betrachter meist die Arme entgegen. Ein mit Bändern fixiertes Baby entspricht hingegen nicht den heutigen Vorstellun­gen. Ein Hauptgrund für das heute umstritten­e Fatschen lag in der Annahme, dass das Kind dadurch gerade Gliedmaßen erhält. Zudem war der Säugling damit sicher gelagert und konnte nicht wegrollen oder aus der Wiege fallen.

Zum Teil wird dem Fatschen auch eine beruhigend­e Wirkung nachgesagt. So ist noch heute in manchen Kreisen das Pucken ein Thema. Man versteht darunter eine Technik des Wickelns, bei der der Säugling eng in ein Tuch gewickelt wird.

 ?? Foto: Cornelius Brandelik ?? Dieses Fatschenki­nd gibt es zweimal. Im Heimathaus mit Original-Kind und nachgemach­tem Kasten. In Privatbesi­tz der Familie Stadler hingegen ist der Original-Kasten, in dem eine Kopie des Kindes liegt.
Foto: Cornelius Brandelik Dieses Fatschenki­nd gibt es zweimal. Im Heimathaus mit Original-Kind und nachgemach­tem Kasten. In Privatbesi­tz der Familie Stadler hingegen ist der Original-Kasten, in dem eine Kopie des Kindes liegt.

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