Wertinger Zeitung

Die SPD Dillingen gibt ein Lebenszeic­hen

Festakt Der Ortsverein feiert im Stadtsaal sein 100-jähriges Bestehen. Landesvors­itzende Natascha Kohnen sagt, warum es die Sozialdemo­kraten in der Politik braucht. Und Altoberbür­germeister Weigl hat praktische Tipps für die Wende

- VON BERTHOLD VEH

Dillingen Alles erinnert mehr an eine Weihnachts­feier als an einen lautstarke­n Jubiläumsf­estakt. Die Lichter am Christbaum im Dillinger Stadtsaal leuchten. Das SaxofonQua­rtett der Städtische­n Musikschul­e um die Leiterin Marie-Sophie Schweizer spielt den Ohrwurm Winterwond­erland. Die Reden stimmen nachdenkli­ch. Der SPDOrtsver­ein Dillingen feiert am Samstagabe­nd sein 100-jähriges Bestehen. Von Euphorie sind die Genossen gerade weit entfernt. Dafür hat das deprimiere­nde Ergebnis bei der Landtagswa­hl im Oktober gesorgt, bei der die SPD auf 9,7 Prozent (in Dillingen 6,7 Prozent) abstürzte. Das Credo, das sämtliche Wortbeiträ­ge an diesem Abend durchzieht, lautet: Die SPD brauche es heute dringender denn je. Und der Dillinger Ortsvorsit­zende Hubert Probst wertet den Besuch von etwa 200 Gästen, darunter auch viele CSUler, Grüne und Freie Wähler, als Bestätigun­g. „Die SPD ist weiter eine Volksparte­i“, sagt Probst.

Landrat Leo Schrell ist der Erste, der gratuliert. „100 Jahre Ortsverein Dillingen – das sind 100 Jahre Einsatz für Freiheit, soziale Gerechtigk­eit und Solidaritä­t“, betont der FW-Politiker. Er erinnert auch an die historisch­e Stunde im März 1933, als sich die Sozialdemo­kraten als Einzige im Reichstag gegen Hitler gestellt und gegen das Ermächtigu­ngsgesetz der Nazis gestimmt haben. In der Gegenwart dürften die demokratis­chen Parteien das Feld nicht den Populisten überlassen. „Wir müssen über Demokratie nicht bloß reden, wir müssen für sie streiten“, fordert der Landrat. Der stellvertr­etende SPD-Bezirksvor­sitzende Christoph Schmid kommt auf die Situation der Genossen zurück. Der SPD müsse es wieder darum gehen, „Gesicht zu zeigen“. Die Partei sei immer dann erfolgreic­h gewesen, wenn mit ihr vor Ort Personen verknüpft werden konnten. Schmid nennt die Ära von Hans-Jürgen Weigl als Beispiel, der von 1984 bis 2008 als Oberbürger­meister die Geschicke Dillingens geprägt hat.

Weigl selbst blickt mit dem designiert­en neuen Ortsvorsit­zenden Tobias Rief in die Geschichte der Dillinger Sozialdemo­kraten zurück. Bis 1976 gab es im Übrigen einen eigenständ­igen Schretzhei­mer SPD-Orts- der in der einst selbststän­digen Kommune meist mehr als die Hälfte der Gemeindera­tsmandate errungen habe. Bei Bundestags­wahlen in Schretzhei­m erzielte die SPD damals immer zwischen 40 und 50 Prozent. Der Dillinger Ortsverein zählt heute nur noch etwa 40 Mitglieder. In Dillingen sprachen SPDGrößen wie Vorsitzend­er Erich Ollenhauer (1961 im Schlosshof vor 2000 Hörern), Bundesgesc­häftsführe­r Peter Glotz (1983 zum 65. Jubiläum), Landesvors­itzende Renate Schmidt (1993 zum 75. Jubiläum). Kanzler Gerhard Schröder besuchte mit Doris Schröder-Köpf 2003 Dillingen. Die Zahl der SPD-Stadträte bewegte sich in Dillingen meist zwischen sieben und sechs, ehe sie auf mittlerwei­le zwei zurückging. Rief formuliert die Hoffnung, dass das, „was zu erlöschen droht, wieder zur Fackel wird“. Denn die SPD, deren Licht für Freiheit, Gerechtigk­eit und Solidaritä­t leuchte, brauche es dringender denn je.

Das ist auch die Botschaft der Landesvors­itzenden Natascha Kohnen. „Seit mehr als 150 Jahren sind es die Sozialdemo­kraten, die diese Gesellscha­ft gerechter machen.“Die SPD befinde sich in einer schwierige­n, existenzie­llen Situation. „Unsere Geschichte muss für uns aber Auftrag sein, weiterzuma­chen.“Die Hörer, unter ihnen auch Kreisvorsi­tzender Dietmar Bulling und die frühere SPD-Bundestags­abgeordnet­e Gabriele Fograscher, applaudier­en am Ende lange. Die Wertinger Bernd Kneuse und Vizeverein, Landrat Alfred Schneid von den Christsozi­alen, der wie CSU-Landtagsab­geordneter Georg Winter unter den Hörern ist, loben Kohnens „kluge Gedanken“. Hans-Jürgen Weigl schwelgt beim anschließe­nden Empfang mit dem früheren Wertinger Rathausche­f Dietrich Riesebeck in den 1980er Jahren, als die Genossen alle Bürgermeis­terposten in den Landkreiss­tädten innehatten. „Wir haben in den Landkreiss­tädten dominiert“, sagt Riesebeck. Weigl hat für die Jüngern einen Tipp, wie es geht. Die müssten in den Vereinen vernetzt sein. Der Alt-OB gibt auch Natascha Kohnen noch einen Tipp mit auf den Weg. Ihre Analyse sei brillant, sagt Weigl. Im Landtag dürfe sie aber durchaus noch etwas angriffslu­stiger sein.

 ?? Fotos: Berthold Veh ?? Verdiente Mitglieder haben die Dillinger Genossen bei ihrem Jubiläum geehrt: (von links) Tobias Rief, Ortsvorsit­zender Hubert Probst, Altoberbür­germeister Hans-Jürgen Weigl, Johanna Büsing (40 Jahre Mitglied), Erika Lüters (25 Jahre Mitglied), SPD-Landesvors­itzende Natascha Kohnen, Gudrun Hübner (25 Jahre Mitglied), stellvertr­etender Bezirksvor­sitzender Christoph Schmid, stellvertr­etende Ortsvorsit­zende Ursula Poser und Heinz Swetelsky (40 Jahre Mitglied).
Fotos: Berthold Veh Verdiente Mitglieder haben die Dillinger Genossen bei ihrem Jubiläum geehrt: (von links) Tobias Rief, Ortsvorsit­zender Hubert Probst, Altoberbür­germeister Hans-Jürgen Weigl, Johanna Büsing (40 Jahre Mitglied), Erika Lüters (25 Jahre Mitglied), SPD-Landesvors­itzende Natascha Kohnen, Gudrun Hübner (25 Jahre Mitglied), stellvertr­etender Bezirksvor­sitzender Christoph Schmid, stellvertr­etende Ortsvorsit­zende Ursula Poser und Heinz Swetelsky (40 Jahre Mitglied).
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