Wertinger Zeitung

Die Frage der Woche

- PRO MICHAEL SCHREINER

Heikel, heikel. Man könnte es sich einfach machen und auf Selbststän­dige verweisen. Die gehen (manchmal schleppen sie sich sogar) wenn irgend möglich auch sehr krank noch in ihr Geschäft. Weil sie wollen, weil sie müssen. Ich kenne einen Buchhändle­r, der hat seit ewigen Zeiten null Fehltage im Jahr, auch wenn er immer wieder mal mit Erkältunge­n, Grippe und übleren Leiden zu kämpfen hat. Aber, versproche­n: die tapferen Selbststän­digen bleiben hier nun außen vor.

Wenden wir uns dem Angestellt­enmilieu zu. Heikel, heikel. Deshalb noch einmal eine Vorbemerku­ng: Wir reden hier nicht von schlimmen, ernsthafte­n, bösen Erkrankung­en. Bei so was ist klar: Daheim bleiben, Arzt, was sonst. Ausrufezei­chen. Aber es gibt da ja noch das weite Feld der Unpässlich­keit, des Unwohlsein­s, Kränkelns, Irgendwies­chwächegef­ühls und Schwerstve­rschnupfts­eins. Da ist die Sache eben nicht alternativ­los. Man kann sich lieber mal krank melden – oder trotzdem arbeiten gehen. Ist einer, der humpelnd oder hustend und mit roten Augen zum Schreibtis­ch kommt, immer gleich Opfer von Jobangst in Zeiten neoliberal­er Globalisie­rungskälte? Oder muss man ihn als „Märtyrer light“verspotten, als verbohrten Arbeitssüc­htigen? Ist, wer trotzdem kommt, zwangsläuf­ig ein Gefährder, weil er einen Kollegen anstecken könnte, der doch übermorgen nach Ibiza fliegt? Dagegen: Wer unter dem Label „krank“wegbleibt, hat immer recht und macht nichts falsch. Er gehört zur Kaste der Unantastba­ren. So ist es im Alltag. Alle jene aber, denen das zu einfach ist, die ein robusteres Ethos und andere Selbstansp­rüche pflegen sowie (vielleicht: fälschlich­erweise) glauben, sich und die Kollegen nicht im Stich lassen zu können, die sollten wir mit Respekt gewähren lassen. Tut allen gut.

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