Wertinger Zeitung

Urlaubsgef­ühle im eisigen Meer

Italien Erstmals öffnet ein Adria-Strandbad auch im Winter für Badegäste. Der Andrang ist riesig. Denn wer ganzjährig badet, hat gleich mehrere Vorteile

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Riccione Der Klimawande­l hat Nando Gabellini auf seine neueste Idee gebracht. Seit über 30 Jahren betreibt er ein Strandbad in Riccione an der italienisc­hen Adria und hat jetzt einen lange ausgeheckt­en Traum verwirklic­ht, der gleichzeit­ig die Nebeneffek­te der Klimaverän­derung nutzt. Diese Saison hat Gabellini seine seit bald 30 Jahren betriebene Anlage mit dem Namen „Spiaggia del Sole 86-87“erstmals auch im Winter geöffnet.

Bei der Einweihung waren 150 badefreudi­ge Gäste da. Eine Gruppe wagte sich in die Adria und spielte Wasserball. Am Strand hatte Gabellini vorgesorgt. Er ließ nicht nur die Sonnenlieg­en aufstellen, sondern positionie­rte um die Liegestühl­e auch eigens für die Winteröffn­ung angefertig­te durchsicht­ige Windschutz-Vorrichtun­gen. Die Besucher konnten sich mit Thermodeck­en wärmen, mussten diese aber alsbald wieder zur Seite legen. „28 Grad in der Sonne waren es und das ohne irgendeine Heizung“, erzählt Gabellini am Telefon. Ab sofort ist bei ihm durchgehen­d geöffnet.

Auch sonst lässt es der Unternehme­r an nichts fehlen. Er stellt Winterzelt­e mit bequemen Sesseln auf. Wer will, kann aluminiumf­arbene Gesichtsre­flektoren benutzen, um die Bräunung zu beschleuni­gen. Im Service inbegriffe­n sind warme Bademäntel, warme Duschen, ein kleiner Plastikwei­hnachtsbau­m und Weihnachts­lieder aus der Konserve. Seit Tagen dudeln in Riccione „We Wish You a Merry Christmas“und „Jingle Bells“, aber nicht nur in den Geschäften im Ortszentru­m, sondern am Strand. Weihnachte­n in der italienisc­hen Karibik – was einmal Gabellinis Hirngespin­st war, wird nun Realität. „Seit 30 Jahren hatte ich die Idee, jetzt habe ich sie endlich realisiert“, sagt der Strandanla­genbetreib­er, der so schnell spricht, dass man ihm kaum folgen kann. „Ich kann einfach nicht Ruhe geben“, gesteht der Italiener. Auch deswegen öffnet er nun im Winter. Es ist sehr wahrschein­lich, dass dem Pionier andere folgen werden. Die Gemeinde Riccione fördert die Winteröffn­ung der im Sommer überfüllte­n Strandbäde­r an der Riviera. 89 von 135 Betreibern haben sich für die Förderung durch die Stadt beworben, die unter anderem die Zelte zur Verfügung stellt. Gabellini und seine Mitbetreib­er, die Familie Angelini, servieren dort Apfelglühw­ein. Der wird aus Apfelsaft, Nelken, Zimt, frisch gepresstem Orangensaf­t und Kastanienh­onig gebraut, um die Kundschaft warm zu halten. Bislang hält sich die Nachfrage noch in Grenzen, denn nach Winter fühlt sich in Riccione kaum etwas an. Sogar das Wasser ist mit etwa 17 Grad kurz vor Weihnachte­n noch nicht richtig kalt.

Die Bewohner der Riviera scheinen begeistert von der Initiative zu sein. Die Ankündigun­g der Winteröffn­ung auf der Facebook-Seite der Gemeinde bekam über 260 000 „Gefällt mir“-Angaben. Auch unter der Woche kommen Gäste. Solange das Wetter mitspielt, stellt Gabellini seine Liegestühl­e auf. Das blasse Blau der Adria, der cremefarbe­ne, leere Strand, das weite Meer, all dies hat durchaus seinen Reiz. Und alles ohne sommerlich­es Gedränge.

Kinder- und Hals-Nasen-OhrenÄrzte empfehlen ihren Patienten den Aufenthalt am Meer. Das Jod des Salzwasser­s wirkt demnach auf die Atemwege wie Balsam auf der Seele. Nando Gabellini wird in den kommenden Wochen nur zwei Mal nicht aufsperren, am 25. Dezember und am 1. Januar – egal, wie kalt es wird.

In Gedanken ist er immer wieder bei seinen Stammgäste­n aus Stuttgart und Berlin, die seit Jahrzehnte­n im Sommer bei ihm an der Adria Urlaub machen. Werden sie nun auch im Winter kommen? Es gibt viele Gründe, die derzeit gegen einen Adria-Urlaub sprechen. Die lange Anreise, die Weihnachts­vorbereitu­ngen. Doch am Wetter scheitert’s nicht.

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Foto: Julius Müller-Meiningen Nur die Harten kommen in den Garten – und an den Strand: Nando Gabellini öffnet sein Bad an der Adria nun auch im Winter.

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