Nach Weihnachten müssen sie stempeln gehen
Insolvenz Die Beschäftigten der Gersthofer Backbetriebe stimmen dem Sozialplan zu. Das ist das Ende der Großbäckerei
Gersthofen Die Anspannung ist weg. Aber ein Weihnachtsfest wie sonst wird es für die rund 400 Beschäftigten der Gersthofer Backbetriebe trotzdem nicht geben. Denn jetzt müssen sie sich arbeitslos melden und auf Jobsuche gehen. Gestern stimmte die klare Mehrheit der etwa 200 Beschäftigten, die am Nachmittag aufs Gelände der insolventen Großbäckerei gekommen waren, dem Sozialplan zu. Dieser soll unverzüglich unterschrieben werden. Die Beschäftigten nehmen auch das Angebot des Gesellschafters an, der einen freiwilligen Sondertopf von rund 1,5 Millionen Euro zugesichert hat. Daraus sollen der DezemberLohn, Weihnachtsgelder und Abfindungen ausgezahlt werden.
Philipp Haindl, Geschäftsführer der Serafin-Unternehmensgruppe, hatte am Donnerstagmorgen sein Angebot aufgestockt. In Abstimmung mit der Agentur für Arbeit soll zusätzlich ein Weiterbildungsund Qualifizierungsprogramm aufgelegt werden, damit auch Härtefälle oder ältere Arbeiter einen neuen Job finden können. Tim Lubecki, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, bezeichnete das Angebot als „Blankoscheck“. Den Betroffenen machte er auch klar: „Philipp Haindl kann aber keine neuen Jobs anbieten.“
Neben dem Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramm und weiteren 50000 Euro für den ausstehenden Dezember-Lohn und Weihnachtsgeld gibt es 200000 Euro für die 85 Mitarbeiter der 24 LechbäckFilialen im Großraum Augsburg sowie den Werksverkauf am Produktionssitz in Gersthofen. „Die Unterstützung soll primär der Abmilderung von Härtefällen dienen“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Haindl hatte sich am Donnerstagvormittag in München mit dem Backbetriebe-Betriebsratsvorsitzenden Ali Erdogan und dem KABDiözesanpräses und Betriebsseelsorger Georg Steinmetz getroffen. Der Serafin-Geschäftsführer stellte klar: Für Abfindungen nehme er kein weiteres Geld aus eigener Tasche in die Hand. Er lasse sich nicht erpressen. So gab es am Nachmittag Tim Lubecki den Betroffenen weiter. Von dem Gewerkschafter gab es auch versöhnliche Worte: „Wir bedanken uns bei Philipp Haindl. Mit der Zusage, die Qualifikation von Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, die Schwierigkeiten haben, einen neuen Job zu finden, wird Herr Haindl seiner sozialen Verantwortung gerecht.“
In den vergangenen Tagen hatte Lubecki immer wieder an Haindls soziale Verantwortung für die Arbeiter und ihre Familien appelliert. Es hatte auch scharfe Töne gegeben: Nachdem die Beschäftigten von der Pleite erfahren hatten, forderten sie lautstark bei Demonstrationen Geld zurück. In Augsburg gab es an den Haindl’schen Stiftungshäusern eine religionsübergreifende Gedenkfeier. Bei einer Kundgebung am Firmensitz der Serafin in München wollten die aufgebrachten Beschäftigten ein Gespräch mit der Geschäftsleitung – doch die Türen blieben verschlossen. Ein Teil der Serafin-Mitarbeiter wurde aus Angst vor Handgreiflichkeiten nach Hause geschickt. Doch die gab es nicht. Die freigestellten Beschäftigten reagierten mit Unverständnis: „Keiner von uns ist aggressiv. Wir fühlen uns nur im Stich gelassen.“
Auch am Donnerstag überwog bei den Beschäftigten, die an der Abstimmung teilnahmen, die Enttäuschung. Bäckermeister Ernst Gerstmayr, der 24 Jahre bei den Backbetrieben arbeitete, sagte über die Sozialplanverhandlungen: „Irgendwann muss man ja ein Ende finden. Sonst bleibt uns unter dem Strich nichts.“Seine Kollege Michael Heckel meinte: „Wir mussten zustimmen.“Der frühere Fahrer Dimitri Dieterle, der 21 Jahre lang Waren auslieferte, schnaufte tief: „Es ist wenigstens etwas.“Vielleicht könne er sich jetzt mit dem angebotenen Weiterbildungsprogramm zum Lokführer ausbilden lassen – das wäre für ihn der Traumjob.