Wertinger Zeitung

Der nächste Alleingang von Donald Trump

In immer kürzeren Abständen stößt der US-Präsident Freund und Feind vor den Kopf. Damit macht er Despoten stark und verrät den Kampf gegen den Terror

- VON SIMON KAMINSKI ska@augsburger-allgemeine.de

Bring the Boys Home. Bring ’em back alive“– Bring unsere Jungs nach Hause. Bring sie lebendig zurück. So hieß der Song, mit dem die Sängerin Freda Payne 1971 während des VietnamKri­egs die US-Charts stürmte. Jetzt hofft Donald Trump, mit diesem Slogan einen Hit zu landen. Raus aus Syrien, raus aus Afghanista­n.

Tatsächlic­h sind die Chancen dafür nicht schlecht. Viele der Anhänger des Präsidente­n haben sich schon immer gefragt, was um alles in der Welt US-Soldaten am Hindukusch oder in Nahost verloren haben. Dass die offensicht­lich im Alleingang gefallene Entscheidu­ng in Form, Stil und Stoßrichtu­ng auf gleich mehreren Feldern katastroph­ale Folgen haben könnte, ist keine Kategorie, in der Trump denkt. Das müssen jetzt andere für ihn tun.

Die Israelis werden registrier­en, dass ein US-Rückzug den Erzfeind Iran in der Region stärkt, der türkische Präsident Erdogan wird sich freuen, dass er jetzt endlich zum Schlag gegen die autonomen Kurden in den Grenzgebie­ten ausholen kann. Dabei waren es die Kurden, die im Kampf gegen den IS den Kopf hingehalte­n haben. Putin wird den erweiterte­n Spielraum im Syrien-Konflikt zu schätzen wissen, und der syrische Präsident Assad wird sich seiner Macht noch sicherer sein. Morden, Folter und Giftgasang­riffen zum Trotz. Aber auch die Terrorgrup­pen in Syrien, im Irak und in Afghanista­n dürften neue Chancen wittern, wenn sich die (einstige?) Weltmacht Nummer eins aus der Verantwort­ung stiehlt.

Gründlich nachgedach­t hat der US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis. In seinem bemerkensw­ert schonungsl­osen Rücktritts­schreiben lässt er kein gutes Haar an der Politik seines Chefs, auf die Interessen der Verbündete­n – ja, man muss es so hart formuliere­n – zu spucken. Der Rücktritt bedeutet zweierlei: Erstens zeigt er, dass Mattis Auffassung­en vertritt, die mit denen Trumps nicht zu vereinbare­n sind, ja ihnen zuwiderlau­fen. Das ist keine Überraschu­ng. Zweitens – und das ist weit beunruhige­nder – sah Mattis keine Möglichkei­t mehr, die fatale Politik des Präsidente­n auch nur im Ansatz zu beeinfluss­en. Wer auch immer sein Nachfolger wird, dürfte gar nicht erst versuchen, Trump einzuhegen.

Was wird jetzt aus dem AntiTerror-Kampf? Der türkische Präsident brüstet sich gerne damit, dass er den IS im Nahen Osten an vorderster Front bekämpft. Dazu muss man allerdings wissen, dass die kurdischen Milizen für Erdogan keinen Deut besser sind als die Schlächter des IS. Schlimmer noch: Die Türkei hat dem IS mehrfach geholfen. So durften tausende seiner Kämpfer die syrisch-türkische Grenze passieren – viele wurden medizinisc­h versorgt. Auch türkische Öllieferun­gen an die Terrormili­z sind belegt. Es ist falsch, das Phänomen IS von einer rein militärisc­hen Position aus zu betrachten. Wirklich besiegt wird die Terrormili­z erst sein, wenn es ihr nicht mehr gelingt, Syrer oder Iraker in nennenswer­ter Zahl in ihren Bann zu ziehen.

Trumps Politik nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“produziert Enttäuschu­ng, Frust und Wut – und hilft so den religiösen Fanatikern. Der Präsident schickt sich an, die Glaubwürdi­gkeit der USA als Bündnispar­tner auf Jahre hinaus zu zerstören. Das wird die Welt noch unsicherer machen. Denn Antidemokr­aten und Despoten stehen bereit, das Vakuum, das die USA hinterlass­en, zu füllen.

Oft wird vergessen, dass bereits Barack Obama der Versuchung nachgab, sich aus Konflikten, die sein Land zum Teil verantwort­et hat, zurückzuzi­ehen. Der große Unterschie­d ist, dass ein Mann ohne Gewissen zu seinem Nachfolger gewählt wurde. Selten war der Blick in die Zukunft so trostlos wie Ende des Jahres 2018.

Die Partner sind ihm völlig egal

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