Der nächste Alleingang von Donald Trump
In immer kürzeren Abständen stößt der US-Präsident Freund und Feind vor den Kopf. Damit macht er Despoten stark und verrät den Kampf gegen den Terror
Bring the Boys Home. Bring ’em back alive“– Bring unsere Jungs nach Hause. Bring sie lebendig zurück. So hieß der Song, mit dem die Sängerin Freda Payne 1971 während des VietnamKriegs die US-Charts stürmte. Jetzt hofft Donald Trump, mit diesem Slogan einen Hit zu landen. Raus aus Syrien, raus aus Afghanistan.
Tatsächlich sind die Chancen dafür nicht schlecht. Viele der Anhänger des Präsidenten haben sich schon immer gefragt, was um alles in der Welt US-Soldaten am Hindukusch oder in Nahost verloren haben. Dass die offensichtlich im Alleingang gefallene Entscheidung in Form, Stil und Stoßrichtung auf gleich mehreren Feldern katastrophale Folgen haben könnte, ist keine Kategorie, in der Trump denkt. Das müssen jetzt andere für ihn tun.
Die Israelis werden registrieren, dass ein US-Rückzug den Erzfeind Iran in der Region stärkt, der türkische Präsident Erdogan wird sich freuen, dass er jetzt endlich zum Schlag gegen die autonomen Kurden in den Grenzgebieten ausholen kann. Dabei waren es die Kurden, die im Kampf gegen den IS den Kopf hingehalten haben. Putin wird den erweiterten Spielraum im Syrien-Konflikt zu schätzen wissen, und der syrische Präsident Assad wird sich seiner Macht noch sicherer sein. Morden, Folter und Giftgasangriffen zum Trotz. Aber auch die Terrorgruppen in Syrien, im Irak und in Afghanistan dürften neue Chancen wittern, wenn sich die (einstige?) Weltmacht Nummer eins aus der Verantwortung stiehlt.
Gründlich nachgedacht hat der US-Verteidigungsminister James Mattis. In seinem bemerkenswert schonungslosen Rücktrittsschreiben lässt er kein gutes Haar an der Politik seines Chefs, auf die Interessen der Verbündeten – ja, man muss es so hart formulieren – zu spucken. Der Rücktritt bedeutet zweierlei: Erstens zeigt er, dass Mattis Auffassungen vertritt, die mit denen Trumps nicht zu vereinbaren sind, ja ihnen zuwiderlaufen. Das ist keine Überraschung. Zweitens – und das ist weit beunruhigender – sah Mattis keine Möglichkeit mehr, die fatale Politik des Präsidenten auch nur im Ansatz zu beeinflussen. Wer auch immer sein Nachfolger wird, dürfte gar nicht erst versuchen, Trump einzuhegen.
Was wird jetzt aus dem AntiTerror-Kampf? Der türkische Präsident brüstet sich gerne damit, dass er den IS im Nahen Osten an vorderster Front bekämpft. Dazu muss man allerdings wissen, dass die kurdischen Milizen für Erdogan keinen Deut besser sind als die Schlächter des IS. Schlimmer noch: Die Türkei hat dem IS mehrfach geholfen. So durften tausende seiner Kämpfer die syrisch-türkische Grenze passieren – viele wurden medizinisch versorgt. Auch türkische Öllieferungen an die Terrormiliz sind belegt. Es ist falsch, das Phänomen IS von einer rein militärischen Position aus zu betrachten. Wirklich besiegt wird die Terrormiliz erst sein, wenn es ihr nicht mehr gelingt, Syrer oder Iraker in nennenswerter Zahl in ihren Bann zu ziehen.
Trumps Politik nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“produziert Enttäuschung, Frust und Wut – und hilft so den religiösen Fanatikern. Der Präsident schickt sich an, die Glaubwürdigkeit der USA als Bündnispartner auf Jahre hinaus zu zerstören. Das wird die Welt noch unsicherer machen. Denn Antidemokraten und Despoten stehen bereit, das Vakuum, das die USA hinterlassen, zu füllen.
Oft wird vergessen, dass bereits Barack Obama der Versuchung nachgab, sich aus Konflikten, die sein Land zum Teil verantwortet hat, zurückzuziehen. Der große Unterschied ist, dass ein Mann ohne Gewissen zu seinem Nachfolger gewählt wurde. Selten war der Blick in die Zukunft so trostlos wie Ende des Jahres 2018.
Die Partner sind ihm völlig egal