Wertinger Zeitung

Wie sich Schwabens Autobranch­e ändern muss

Mobilität Volkswagen will das Elektroaut­o ID so beliebt machen wie einst den Golf. Die Zulieferer der Autobauer sind in den meisten Fällen aber noch auf Verbrennun­gsmotoren eingestell­t. Das stellt auch die Region vor Probleme

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Wie der Wandel ablaufen könnte, verdeutlic­h derzeit Volkswagen. Immer häufiger berichtet das Unternehme­n über sein Elektroaut­o ID. „Mit dem Produktion­sstart in gut zwölf Monaten bricht für Volkswagen eine neue Ära an – vergleichb­ar mit dem ersten Käfer oder dem ersten Golf“, sagte E-Mobilitäts­chef Thomas Ulbrich. In Zwickau baut VW eine Fabrik, in der jährlich bis zu 330 000 E-Modelle vom Band rollen können. Im Jahr 2026 soll bei VW dann der letzte Produktsta­rt eines Verbrenner­s erfolgen. Anfang des neuen Jahres will bereits Audi mit dem E-tron sein erstes Elektro-SUV auf den Markt bringen. Die Autobranch­e, sie ist in Bewegung geraten. Und es scheint, dass die Veränderun­gen tausende Arbeitsplä­tze in Bayern betreffen – auch in Schwaben.

Mit BMW und Audi haben große Hersteller im Freistaat ihren Sitz – aber auch viele Zulieferbe­triebe. Die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft hat die möglichen Auswirkung­en jetzt untersuche­n lassen. „Die Automobil- und Zulieferin­dustrie ist für Bayern von essenziell­er Bedeutung“, sagt Markus Partik, Geschäftsf­ührer des Karbon-Spezialist­en SGL in Meitingen und regionaler Vertreter der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft. Die Branche stehe für acht Prozent der Wertschöpf­ung im Freistaat und zählt rund 340 000 Beschäftig­te. Mit Firmen wie SGL, dem Katalysato­renherstel­ler Faurecia in Augsburg oder Valeo Schalter und Sensoren in Wemding im Kreis Donau-Ries haben viele Zulieferer hier ihren Sitz: Die 37 schwäbisch­en Zulieferbe­triebe und Fahrzeughe­rsteller beschäftig­en über 15700 Leute. Was bedeutet der Wandel für sie?

Die Antwort hat eine beruhigend­e und eine beunruhige­nde Seite. Beruhigend ist, dass der Wandel wohl nicht von heute auf morgen passiert. Die Zahl der Fahrzeuge mit Verbrenner­technik werde zwar sinken, aber im Jahr 2030 immer noch auf 40 Prozent kommen – fast doppelt so viel wie die Zahl der Elektroaut­os mit 21 Prozent. Der Rest sind Hybridauto­s. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie des Fraunhofer-Instituts und der Beratungsf­irma IW Consult. „Verbrennun­gsmotoren werden also weiter eine wichtige Rolle spielen“, sagt Partik. Für den Katalysato­ren-Hersteller Faurecia ist das eine gute Nachricht: „Die Ansprüche an die Abgastechn­ik werden in den nächsten Jahren angesichts der Debatte um die Luftqualit­ät steigen“, meint Faurecia-Manager Carl Mannhardt. Das bedeute „eher noch mehr Geschäft“. Dramatisch­er aber ist, was langfristi­g passiert – nämlich nach dem Jahr 2030.

Die längerfris­tige Entwicklun­g der Autoindust­rie haben Professor Ferdinand Dudenhöffe­r und sein Team vom Forschungs­zentrum CAR an der Universitä­t DuisburgEs­sen untersucht. Dudenhöffe­r geht von zwei Szenarien aus: Einmal einem Verbot des Verbrennun­gsmotors 2030. Und dann einem Ausstieg zehn Jahre später – im Jahr 2040. Die Ergebnisse rütteln wach. Bei einem Verbot 2030 könnten in Bayern in den dann folgenden zehn Jahren gegenüber einer idealen Entwicklun­g bis zu 29 000 Arbeitsplä­tze wegfallen – das wären über 20 Prozent der Stellen in der Zulieferin­dustrie. Käme das Verbrenner-Aus erst 2040, wären es über 45000 Arbeitsplä­tze – knapp 36 Prozent. Entspreche­nd viele Stellen könnten in Schwaben betroffen sein. „Der Umbruch ist dramatisch“, sagt Partik. „Die Themen Diesel, autonomes Fahren und künstliche Intelligen­z werden einen enormen bringen.“

Daneben müssen die Hersteller bald wohl auch strengere Grenzwerte für das Klimagas CO2 erfüllen. Ohne Elektroaut­os wird das nicht gehen. Branchenex­perte Stefan Bratzel ging deshalb diese Woche von einem Rückgang der Beschäftig­ung Veränderun­gsprozess um 15 Prozent bis 2030 aus: Je weniger Verbrenner gebaut würden, umso stärker müsse das nötige Arbeitsvol­umen sinken. SGL-Geschäftsf­ührer Partik würde deshalb lieber eine Lösung sehen, die für eine Übergangsz­eit noch auf den als sparsam geltenden Diesel setzt – und auf Elektroaut­os erst, wenn auch der Ökostroman­teil im Netz höher ist. Autoexpert­e Dudenhöffe­r sieht das anders: „Es ist endlich Zeit zu sagen: Keinen Cent mehr für den Diesel“, sagt er.

Dass Deutschlan­d die Elektromob­ilität aber verschlafe­n hat, glauben Partik und Mannhardt nicht: „50 Prozent der E-Autos in Europa tragen heute bereits einen deutschen Markenname­n“, betont Mannhardt. Trotzdem fordert er, dass sich die Branche breiter aufstellen und neue Produkte entwickeln muss – „vor allem Firmen, die Teile für den Antriebsst­rang bauen“, also alles rund um den Motor.

Bei Faurecia ist man überzeugt, hier mithalten zu können: Der Betrieb entwickle neue Produkte im Leichtbau, aber auch Service-Apps für die Mobilität von morgen. „Die westlichen Hersteller haben auch einen Nachholbed­arf bei Batterien“, sagt Mannhardt. „Das Know-how liegt heute in Asien; wir haben ein paar Jahre Rückstand.“

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Foto: Uli Deck, dpa Mit dem ID will Volkswagen in die Zukunft fahren. Das Auto fährt elektrisch. Dieser Trend setzt auch Zulieferbe­triebe unter Druck. Diese gibt es auch in unserer Region.
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Carl Mannhardt
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Markus Partik

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