Wie sich Schwabens Autobranche ändern muss
Mobilität Volkswagen will das Elektroauto ID so beliebt machen wie einst den Golf. Die Zulieferer der Autobauer sind in den meisten Fällen aber noch auf Verbrennungsmotoren eingestellt. Das stellt auch die Region vor Probleme
Augsburg Wie der Wandel ablaufen könnte, verdeutlich derzeit Volkswagen. Immer häufiger berichtet das Unternehmen über sein Elektroauto ID. „Mit dem Produktionsstart in gut zwölf Monaten bricht für Volkswagen eine neue Ära an – vergleichbar mit dem ersten Käfer oder dem ersten Golf“, sagte E-Mobilitätschef Thomas Ulbrich. In Zwickau baut VW eine Fabrik, in der jährlich bis zu 330 000 E-Modelle vom Band rollen können. Im Jahr 2026 soll bei VW dann der letzte Produktstart eines Verbrenners erfolgen. Anfang des neuen Jahres will bereits Audi mit dem E-tron sein erstes Elektro-SUV auf den Markt bringen. Die Autobranche, sie ist in Bewegung geraten. Und es scheint, dass die Veränderungen tausende Arbeitsplätze in Bayern betreffen – auch in Schwaben.
Mit BMW und Audi haben große Hersteller im Freistaat ihren Sitz – aber auch viele Zulieferbetriebe. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft hat die möglichen Auswirkungen jetzt untersuchen lassen. „Die Automobil- und Zulieferindustrie ist für Bayern von essenzieller Bedeutung“, sagt Markus Partik, Geschäftsführer des Karbon-Spezialisten SGL in Meitingen und regionaler Vertreter der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Die Branche stehe für acht Prozent der Wertschöpfung im Freistaat und zählt rund 340 000 Beschäftigte. Mit Firmen wie SGL, dem Katalysatorenhersteller Faurecia in Augsburg oder Valeo Schalter und Sensoren in Wemding im Kreis Donau-Ries haben viele Zulieferer hier ihren Sitz: Die 37 schwäbischen Zulieferbetriebe und Fahrzeughersteller beschäftigen über 15700 Leute. Was bedeutet der Wandel für sie?
Die Antwort hat eine beruhigende und eine beunruhigende Seite. Beruhigend ist, dass der Wandel wohl nicht von heute auf morgen passiert. Die Zahl der Fahrzeuge mit Verbrennertechnik werde zwar sinken, aber im Jahr 2030 immer noch auf 40 Prozent kommen – fast doppelt so viel wie die Zahl der Elektroautos mit 21 Prozent. Der Rest sind Hybridautos. Zu dem Ergebnis kommt eine Studie des Fraunhofer-Instituts und der Beratungsfirma IW Consult. „Verbrennungsmotoren werden also weiter eine wichtige Rolle spielen“, sagt Partik. Für den Katalysatoren-Hersteller Faurecia ist das eine gute Nachricht: „Die Ansprüche an die Abgastechnik werden in den nächsten Jahren angesichts der Debatte um die Luftqualität steigen“, meint Faurecia-Manager Carl Mannhardt. Das bedeute „eher noch mehr Geschäft“. Dramatischer aber ist, was langfristig passiert – nämlich nach dem Jahr 2030.
Die längerfristige Entwicklung der Autoindustrie haben Professor Ferdinand Dudenhöffer und sein Team vom Forschungszentrum CAR an der Universität DuisburgEssen untersucht. Dudenhöffer geht von zwei Szenarien aus: Einmal einem Verbot des Verbrennungsmotors 2030. Und dann einem Ausstieg zehn Jahre später – im Jahr 2040. Die Ergebnisse rütteln wach. Bei einem Verbot 2030 könnten in Bayern in den dann folgenden zehn Jahren gegenüber einer idealen Entwicklung bis zu 29 000 Arbeitsplätze wegfallen – das wären über 20 Prozent der Stellen in der Zulieferindustrie. Käme das Verbrenner-Aus erst 2040, wären es über 45000 Arbeitsplätze – knapp 36 Prozent. Entsprechend viele Stellen könnten in Schwaben betroffen sein. „Der Umbruch ist dramatisch“, sagt Partik. „Die Themen Diesel, autonomes Fahren und künstliche Intelligenz werden einen enormen bringen.“
Daneben müssen die Hersteller bald wohl auch strengere Grenzwerte für das Klimagas CO2 erfüllen. Ohne Elektroautos wird das nicht gehen. Branchenexperte Stefan Bratzel ging deshalb diese Woche von einem Rückgang der Beschäftigung Veränderungsprozess um 15 Prozent bis 2030 aus: Je weniger Verbrenner gebaut würden, umso stärker müsse das nötige Arbeitsvolumen sinken. SGL-Geschäftsführer Partik würde deshalb lieber eine Lösung sehen, die für eine Übergangszeit noch auf den als sparsam geltenden Diesel setzt – und auf Elektroautos erst, wenn auch der Ökostromanteil im Netz höher ist. Autoexperte Dudenhöffer sieht das anders: „Es ist endlich Zeit zu sagen: Keinen Cent mehr für den Diesel“, sagt er.
Dass Deutschland die Elektromobilität aber verschlafen hat, glauben Partik und Mannhardt nicht: „50 Prozent der E-Autos in Europa tragen heute bereits einen deutschen Markennamen“, betont Mannhardt. Trotzdem fordert er, dass sich die Branche breiter aufstellen und neue Produkte entwickeln muss – „vor allem Firmen, die Teile für den Antriebsstrang bauen“, also alles rund um den Motor.
Bei Faurecia ist man überzeugt, hier mithalten zu können: Der Betrieb entwickle neue Produkte im Leichtbau, aber auch Service-Apps für die Mobilität von morgen. „Die westlichen Hersteller haben auch einen Nachholbedarf bei Batterien“, sagt Mannhardt. „Das Know-how liegt heute in Asien; wir haben ein paar Jahre Rückstand.“