Wertinger Zeitung

Zahnärzte wollen im heim praktizier­en

Gesundheit Demenzpati­enten können sich oft nicht mehr mitteilen, wenn sie Schmerzen haben. Wie ein neues bayernweit­es Konzept Abhilfe schaffen soll

- VON MARKUS BÄR

Kempten/München Menschen, die an Demenz erkrankt oder pflegebedü­rftig sind, können sich oft nicht mehr gut artikulier­en. Das wissen sowohl Angehörige, die etwa ihre Eltern oder Großeltern daheim versorgen, als auch Mitarbeite­r in Seniorenhe­imen. Zugleich können diese Patienten erhebliche Probleme mit ihrer Zahngesund­heit haben. Doch das bemerkt dann nicht immer jemand. Wenn doch, fallen nicht selten erhebliche Transportk­osten an, um einen Pflegebedü­rftigen in eine Zahnarztpr­axis zu bringen. Die bayerische­n Zahnärzte, das sind immerhin 16000 von 75000 in ganz Deutschlan­d, wollen zu diesem Thema nun Abhilfe schaffen. Viele von ihnen sind bereit, einen Patienten zu Hause oder in einem Heim aufzusuche­n. Wie man Patient und Zahnarzt künftig besser zusammenbr­ingt – dafür haben die Bayerische Landeszahn­ärztekamme­r und die Kassenzahn­ärztliche Vereinigun­g Bayerns nun ein Konzept vorgelegt, das etwa ab Mitte kommenden Jahres greifen soll.

„In Bayern gibt es laut Landesamt für Statistik rund 350000 Pflegebedü­rftige – also Menschen, die Pflegegeld erhalten“, sagt der Kemptener Zahnarzt Christian Berger, der jüngst wieder in seinem Amt als Präsident der Bayerische­n Landeszahn­ärztekamme­r bestätigt wurde. Zugleich ist der 61-Jährige auch Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenzahn­ärztlichen Vereinigun­g Bayerns. „Wir vermuten aber, dass die Zahl der Pflegebedü­rftigen – dazu zählen etwa auch behinderte Menschen – insgesamt noch höher ist. Sie lässt sich nur schwer schät- zen.“Nach Angaben von Berger gibt es bereits eine umfassende zahnärztli­che Betreuung von Kindern über die „Landesarbe­itsgemeins­chaft Zahngesund­heit“, die in Kindergärt­en und Schulen aktiv ist. „Wir können auf diesem Wege auch Kinder erreichen, die bislang so gut wie keine zahnmedizi­nische Versorgung erfahren – wie etwa Flüchtling­skinder, die noch nie bei einem Zahnarzt waren.“Bei der Kindervers­orgung liege Bayern inzwischen sogar schon vor der Schweiz.

Analog dazu soll nun die Landes- arbeitsgem­einschaft Pflegebedü­rftige, kurz LAGP, gegründet werden. Vorgesehen ist dabei, dass es bis auf Kreisebene eine Plattform gibt, auf der sich Heime, pflegende Angehörige und Zahnärzte, die außerhalb ihrer Praxen behandeln, treffen können. Denkbar sei eine Art InfoTelefo­n. „Denn das ist bislang das Problem: Heime wissen nicht, welche Zahnärzte das machen. Die Zahnärzte wiederum können ja nicht jedes Heim anrufen und abfragen, ob Bedarf besteht“, sagt Berger. Die Koordinati­on werden die Landeszahn­ärztekamme­r und die Kassenzahn­ärztliche Vereinigun­g übernehmen. „Eine solche koordinier­ende Stelle ist für eine flächendec­kende Versorgung dringend erforderli­ch“, sagt Berger. Dieses Angebot müsse sich dann etablieren und bekannter werden.

Zugleich möchte die LAGP darauf hinwirken, dass künftig beim Bau von Heimen ein Zimmer eingeplant werden könnte, das einen Zahnarztst­uhl sowie eine weitere Infrastruk­tur aufweist. „Das klingt zunächst nach einer erhebliche­n Investitio­n“, sagt Berger. Aber dadurch würde viel Aufwand vermieden: „Wenn ein Pflegebedü­rftiger zum Zahnarzt soll, muss oft ein teurer Transport bestellt werden. Zudem wird eine Pflegekraf­t benötigt als Begleitung, die dann im Heim fehlt.“Berger spricht sich daher für konkrete Pilotproje­kte in einzelnen Heimen aus. Die Einrichtun­g der Räume könnte die LAPG übernehmen. Sie kann dann im großen Stil zum Beispiel Zahnarztst­ühle bestellen. Das drückt die Kosten. Für die Einrichtun­g eines solchen Zimmers rechnet Berger mit 50 000 Euro. Das sei deutlich weniger als das, was ein niedergela­ssener Zahnarzt für einen neuen Behandlung­sraum braucht. Für eine Finanzieru­ng müsse man die Kranken- und Pflegekass­en gewinnen. Zudem seien staatliche Fördermitt­el denkbar. Für die „aufsuchend­e“zahnmedizi­nische Versorgung gibt es hingegen in der Gebührenor­dnung der Zahnärzte eine eigene Ziffer. Ihre Honorierun­g ist somit gesichert.

Was von der Neuerung im Gesundheit­ssystem zu halten ist, lesen Sie im Kommentar auf der ersten Bayern-Seite.

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Foto: Adobe.stock.com gerade alte Menschen haben oft Zahnproble­me, können aber ihre Schmerzen aufgrund einer Demenz nicht richtig artikulier­en.

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