Wertinger Zeitung

Das Lachen der Verzweifel­ten

Nachruf F. W. Bernstein, der großartige Zeichner und Texter für die Satire-Magazine Pardon und Titanic, ist tot

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Frankfurt am Main Die deutsche Sprache und mit ihr die Satiremaga­zine Pardon und Titanic verdanken ihm wunderbare Verse und Cartoons, darunter den Klassiker der Klassiker: „Die schärfsten Kritiker der Elche/waren früher selber welche“. Ursprüngli­ch Robert Gernhardt zugeschrie­ben, stammt der Reim in Wahrheit von F. W. Bernstein. Dem wird nun nichts mehr folgen aus selbem Geist: Bernstein, der Zeichner, Lyriker, Parodist, ist tot. Er starb am Donnerstag nach langer Krankheit 80-jährig.

In ihm starb auch das letzte Mitglied eines fulminante­n Dreigestir­ns: Zusammen mit Robert Gernhardt und F. K. Waechter hatte Bernstein im Frankfurt der 1960er Jahre eine legendäre Kolumne in der Satirezeit­schrift Pardon – eine Spielwiese für Witz, Nonsens und Ironie. Mit ihr wuchs eine ganze Generation kritisch-vergnügt auf. Als Einziger des Trios hatte es Bernstein zum Hochschull­ehrer gebracht: In Berlin bekleidete er von 1984 bis zu seinem Ruhestand eine Professur für komische Kunst an der Hochschule für Künste – die einzige derartige Einrichtun­g überhaupt in Deutschlan­d. Dort lehrte er Karikatur und Bildergesc­hichte.

Eigentlich war Bernstein ein Schwabe mit dem Namen Fritz Weigle. Geboren am 4. März in Göppingen, wuchs er auf der Alb auf. Später studierte er an der Kunstakade­mie in Stuttgart und in Berlin. 1964 landete er bei Pardon als Redakteur – und traf dort auf seine kongeniale­n Partner Gernhardt und Waechter. Als „Unabhängig­e Zeitung für eine sauberere Welt“kreierten sie ihre Pardon-Beilage. In Anlehnung an die berühmte Frankfurte­r Schule der Philosophi­e-Päpste um Theodor W. Adorno und Max Horkheimer nannte sich die aufmüpfige Komiker-Avantgarde frech die „Neue Frankfurte­r Schule“.

Das Besondere am Humor des Trios: Er ist nicht einfach zu fassen. Neben dem Derben gibt es immer auch zugleich etwas Hintergrün­diges, ganz im philosophi­sch-dialektisc­hen Sinn von Adorno und Horkheimer. Bernd Eilert, einer der Autoren der „Neuen Frankfurte­r Schule“, brachte es mal widersinni­g auf diesen Nenner: „Aus dem Humor, der darin besteht, dass man trotzdem lacht, und dem Lachen, das im Halse stecken bleiben soll, wurde eine mehrschich­tige Form von Unsinn.“

F. W. Bernstein schuf in seinem Leben ein kaum übersehbar­es zeichneris­ches Werk. Als Texter half ihm, dass er in den Balladen deutscher Klassiker bewandert war. In Kassel gehörte er zu den Gründern des Vereins Caricatura, der sich seit 1984 um die Satire verdient gemacht hat. Das vor zehn Jahren eröffnete Frankfurte­r Caricatura­Museum besitzt in seiner Sammlung mehr als 3000 Arbeiten von F. W. Bernstein.

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Foto: epd Der kritische Zeichner F.W. Bernstein neben seinem Goethe-Bild.

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