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Asien Unscheinba­r, aber extrem beliebt: Japans Kaiser Akihito verabschie­det sich von seinem Volk

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Tokio Eigentlich sollte man feiern an einem Geburtstag. Doch wenn sich Kaiser Akihito am Sonntag zu seinem 85. Geburtstag auf dem Balkon seines Palastes den Untertanen zeigen wird, werden die Japaner auch wehmütig zu ihm aufblicken. In ein paar Monaten wird Akihito abdanken – der Herrscher, dessen Namen außerhalb Japans nur wenige kennen, obwohl er von seinem Volk so geliebt wird wie kaum ein anderer Monarch auf der Welt.

Als erster Monarch seit rund 200 Jahren wird er noch zu Lebzeiten seinem Nachfolger weichen. Am 1. Mai 2019 wird dann sein ältester Sohn, Kronprinz Naruhito, 58, den Chrysanthe­men-Thron besteigen. Sie sei zuversicht­lich, so sagte Akihitos Gemahlin, Kaiserin Michiko, anlässlich ihres 84. Geburtstag­es, dass ihr Sohn die Verpflicht­ungen eines Kaisers mit ganzem Herzen erfüllen werde. Genauso, wie ihr Mann es getan habe.

Kaiser Akihito, dessen Regentscha­ft den Namen Heisei („Frieden schaffen“) trägt, ist der erste Tenno (so lautet der Titel des japanische­n Herrschers), der sein Amt nicht mehr als Gott antrat. Sein 1989 gestorbene­r Vater Kaiser Hirohito, posthum Showa-Tenno genannt, hatte am 1. Januar 1946 in seiner sogenannte­n Menschlich­keitserklä­rung der Göttlichke­it des Kaisers entsagt. In seinem Namen war Japan in den Zweiten Weltkrieg gezogen.

Sein Sohn Akihito war es, der die Institutio­n des Kaisertums neu definierte. Laut der Nachkriegs­verfas- sung muss sich Akihito auf die Rolle als Symbol der Einheit der Nation beschränke­n. Regierungs­befugnisse sind dem Kaiser alle genommen. Dennoch verstand es Akihito, sich als Verfechter der pazifistis­chen Nachkriegs­verfassung zu beweisen – indem er indirekt Kritik an denen übte, die versuchen, Japans Kriegsverg­angenheit zu rechtferti­gen. Dazu zählen Kritiker die Regierung des rechtskons­ervativen Ministerpr­äsidenten Shinzo Abe.

In seiner letzten Rede zum Jahrestag der Kapitulati­on Japans im Zweiten Weltkrieg brachte Akihito im August auch noch einmal seine „tiefe Reue“für die kriegerisc­he Vergangenh­eit seines Landes zum Ausdruck. Er hoffe, dass sich Krieg nie wiederhole­n möge, so der scheikürzl­ich dende Monarch. Für Beobachter verkörpert Akihito so etwas wie das moralische Gewissen der Nation. Akihito ist nahbar wie kein anderer Kaiser vor ihm. Seit er am 7. Januar 1989 den Thron bestieg, setzte sich das Oberhaupt der ältesten Erbmonarch­ie der Welt mit seiner Frau Michiko unermüdlic­h für die Menschen seines Landes ein. Doch seine Gesundheit ist angeschlag­en. Im Sommer 2017 kündigte er per Video an, angesichts seiner nachlassen­den Kräfte abdanken zu wollen. Das Parlament erlaubte es per Sondergese­tz.

Ein allerletzt­es Mal werden die Japaner Akihito zu Neujahr unter dem Palastbalk­on zujubeln können. Dann wird endgültig die Wehmut überwiegen.

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Foto: Kiyoshi Ota, dpa Sie sehen aus wie ein freundlich­es altes Ehepaar. Das sind Kaiser Akihito und Kaiserin Michiko auch – und ihre Untertanen lieben sie.

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