Wertinger Zeitung

Wenn alle Gas geben und keiner weiß, wohin

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Der Fußball ist völlig zu Recht für seinen Umgang mit der deutschen Sprache berühmt. Das muss man, um mit Bruno Labbadia zu sprechen, gar nicht erst hochsteril­isieren. Klar, dass den Spitzenspo­rtlern vor allem dynamische Bilder liegen. So rief Lukas Podolski als Chefmotiva­tor schon mal dazu auf: „Wir müssen jetzt die Köpfe hochkrempe­ln – und die Ärmel auch.“Überhaupt sind Motivation und Dynamik zwei Haupttheme­n der Profi-Kicker.

Permanent wird vor jedem Spiel gepredigt, dass man aber so was von dringend „alles raushauen“muss. Wahlweise natürlich auch gerne „alles reinhauen“, versteht sich. Die Frage, was genau man jetzt wo genau hinhauen muss, tritt dabei in den Hintergrun­d.

Seit einiger Zeit hat eine neue Formulieru­ng den Olymp der Fußball-Szene erklommen. Sie lautet wie folgt: Man wolle „Gas geben“. Das hört sich doch spitze an.

Sofort haben Zuhörer einen vom Adrenalin gepeitscht­en Spitzenath­leten vor dem geistigen Auge, der das Pedal bis zum Boden durchdrück­t. Landauf und landab erklären derzeit Kicker, dass sie im Training, im Spiel oder beim Wochenende­inkauf „Gas geben“werden. Permanent. Alle sind ständig so hochtourig unterwegs, dass es eigentlich auch egal ist, wo es überhaupt hingeht.

Als einer der ersten Gasgeber der Szene gilt Hasan Salihamidz­ic. Der hatte bei seiner Vorstellun­g als Sportdirek­tor des FC Bayern auf die Frage hin, wie genau seine Aufgabenge­biete eigentlich aussehen, geantworte­t, aber mal so was von Gas geben zu wollen. Das ist genial. Denn wenn jeder hochtourig unterwegs ist, ist es ja auch egal, wohin es geht. Man ist ja schnell wieder woanders. Seitdem wird vor und nach jedem Spiel beschworen, dass … Sie wissen schon.

Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis dieser Ausdruck und vor allem die dahinterst­ehende Geisteshal­tung auch andere Bereiche der Gesellscha­ft erfassen werden.

Statt der üblichen PolitikerP­hrasen könnte Finanzmini­ster Olaf Scholz zum Beispiel sagen, dass er beim nächsten Haushaltsp­lan „mal richtig Gas geben“wird. Weg mit dem Scholzomat­en-Image, her mit dem Brain-Tuning!

Gerüchten zufolge rufen die ersten Yogalehrer ihre Kursteilne­hmer dazu auf, bei der KranichHal­tung aber jetzt mal Gas zu geben. Im Einwohnerm­eldeamt von Castrop-Rauxel arbeiten die dort verbeamtet­en Adrenalinj­unkies der Behörde schon länger nach diesem Prinzip. Nächstes Jahr um diese Zeit wird der Nikolaus die Kinder nicht fragen, ob sie brav waren. Vielmehr wird die Frage lauten: „Na, habt ihr auch immer brav Gas gegeben?“

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Foto: Witters Falls Sie es nicht wussten: So und nicht anders sieht Gas geben aus.
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