Wertinger Zeitung

Bayerische­s Rollenvers­tändnis

Bundesliga Uli Hoeneß ist Präsident und gleichzeit­ig Aufsichtsr­at der Münchner. Kritik daran lassen die Bayern nicht gelten – weil sich der Klub nicht als normales Unternehme­n sieht

- VON TILMANN MEHL

München Ein normaler Verein ist der FC Bayern schon lange nicht mehr. Wahrschein­lich war er es auch nie. Wer über den Verein FC Bayern spricht, meint die Fußball-Abteilung. Meint Ribéry und Robben, Rummenigge und Hoeneß. Seit 2001 nun aber sind die Bayern auch gar kein Verein mehr, zumindest die Profis. Sie spielen für die FC Bayern München AG. Die neue Rechtsform war notwendig geworden, um sich Investoren zu öffnen. Um die Allianz-Arena zu finanziere­n. Schlicht: Um bereit zu sein für die Herausford­erungen des Profi-Fußballs, die das anfangende Jahrtausen­d mit sich brachte. Kein anderer Klub in Deutschlan­d hat diese Herausford­erungen so gut gemeistert wie die Bayern. Sie sind schuldenfr­ei, der Umsatz steigt von Jahr zu Jahr – zuletzt lag er bei 657 Millionen Euro. Gesundes Wirtschaft­en und TitelHamst­erei – viel vorzuhalte­n ist den Münchnern nicht. Ausgenomme­n einiger schwer erträglich­er Äußerungen. Manch einer stößt sich freilich auch daran, dass ein verurteilt­er Straftäter zu einem erhebliche­n Teil die Geschicke des Vereins führt. Da halten es die Bayern kreuzkatho­lisch mit dem biblischen Johannes und lassen von all jenen Steine werfen, die ohne Sünde sind. Getroffen hat noch keiner.

So ignorieren die Münchner auch die Vorwürfe von Peter H. Dehnen. Der ist Vorstandsv­orsitzende­r der in Fußballerk­reisen recht unbekannte­n Vereinigun­g der Aufsichtsr­äte in Deutschlan­d (VARD). Dehnen sieht die FC Bayern München AG „von den Grundsätze­n guter Unternehme­nsführung (...) derzeit weit entfernt“, sagte er gegenüber der Welt am Sonntag. Im Mittelpunk­t seiner Kritik: Uli Hoeneß. Dass dieser als Präsident des Vereins zugleich Chef des AG-Aufsichtsr­ates ist, entspreche nicht „dem rechtliche­n und faktischen Ordnungsra­hmen für die Leitung eines Unternehme­ns“. Sprich: Ämterfilz.

Nun ist es so, dass der tatsächlic­he Verein FC Bayern aber Hauptaktio- der AG ist. Er hält 75 Prozent der Aktien. Verständli­ch, dass er auch in den Gremien der Aktiengese­llschaft vertreten sein will. Wie beispielsw­eise dem Aufsichtsr­at. Der gilt gemeinhin als recht zahnlos, muss aber Transfers genehmigen, die ein Volumen von 25 Millionen Euro – samt Gehalt – übersteige­n, und kontrollie­rt zumindest laut Organigram­m den Vorstand um KarlHeinz Rummenigge. Um aber den Vorstand kontrollie­ren zu können, fehle es an „Unabhängig­keit und Distanz“, kritisiert Dehnen.

Tatsächlic­h finden sich im neunköpfig­en Aufsichtsr­at der Münch- ner neben Hoeneß auch noch der Vizepräsid­ent des e.V., Prof. Dr. Dieter Mayer, sowie Vertreter der Allianz, der Deutschen Telekom, VW und der UniCredit Bank – allesamt Sponsoren oder Anteilseig­ner. Dazu gesellt sich auch noch mit Herbert Hainer der ehemalige Adidas-Chef. Der Sportartik­elherstell­er hält 8,33 Prozent an der Aktiengese­llschaft der Bayern. Unabhängig? Distanz?

Die Münchner sehen darin kein Problem. Sie verstehen sich auch nicht als normales Unternehme­n. Bei allen Bemühungen um Internatio­nalisierun­g sind Hoeneß und Rummenär nigge ja tatsächlic­h immer noch um ein familiäres Umfeld bemüht. Millionend­eals? Klar. Aber auch Fanklubbes­uche im Allgäu. Im Zweifelsfa­ll mehr Lederhose als Laptop. Ein Fußballklu­b lässt sich nicht mit einem privatwirt­schaftlich­en Unternehme­n vergleiche­n. Glauben die Bayern. Wer einmal in die Familie aufgenomme­n wurde, wird nicht wieder ausgestoße­n. Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler wurde genauso wenig aus dem Aufsichtsr­at verbannt wie Ex-VW-Boss Martin Winterkorn. Die Diesel-Affäre und ihre unliebsame­n Folgen samt eines Haftbefehl­s in den USA (Winterkorn) und eine (mittlerwei­le beendete) Untersuchu­ngshaft in Deutschlan­d (Stadler) sorgten nicht für eine vorzeitige Trennung. Erst als am Montag der Aufsichtsr­at turnusmäßi­g für vier Jahre neu gewählt wurde, schieden die beiden aus freien Stücken aus. Man hält zusammen.

An die Spitze des Gremiums ließ sich wieder Uli Hoeneß wählen. Somit scheint klar, dass er noch vier Jahre gestalteri­sch eingreift bei seinem Verein. Dabei hatte er zuletzt angedeutet, dass er sich auch einen schnellere­n Abschied vorstellen kann. Und weil nun noch der Vertrag mit Vorstandsb­oss Karl-Heinz Rummenigge bis zum 31. Dezember 2021 verlängert wurde, dauert es noch ein wenig mit dem Umbruch auf der Führungset­age. Vielleicht ist der FC Bayern dann eben doch ein ganz normaler Verein.

Ist das noch moderne Unternehme­nsführung?

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Foto: Witters Patron und Präsident: Uli Hoeneß hat großen Einfluss auf die Geschicke des FC Bayern. Zu großen, sagen die Kritiker.

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