Wertinger Zeitung

Wohnungen verzweifel­t gesucht

Immobilien­markt Der Bedarf an bezahlbare­m Wohnbau wächst auch in Wertingen. Gleichzeit­ig beklagen Bürger den Leerstand und die freien Bauplätze. Was die Stadt dazu sagt

- VON ALEXANDER MILLAUER (wir berichtete­n) (wir berichtete­n)

Wertingen Verzweifel­t seien sie noch nicht, sagt Jessica Cizmic. Aber kurz davor. Seit einem halben Jahr sind die jungen Eltern auf der Suche nach einer Wohnung im Wertinger Raum – und finden nichts. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Adnan und ihrem Sohn Daris wohnt Jessica derzeit bei ihren Eltern – in einem Zimmer. Daris ist seit einem Monat auf der Welt, er schläft viel, kuschelt gerne mit Mama und Papa und bekommt wohl nichts mit von der vergeblich­en Suche der Eltern.

„Wir haben im Prinzip keine Angebote bekommen, die zu uns passen. Alles war zu teuer“, beklagt die 22-jährige. Zwischen 500 und 700 Euro Warmmiete will das junge Paar für eine knapp 60 Quadratmet­er große Wohnung ausgeben. Eine angemessen­e Preisvorst­ellung – sollte man meinen. Doch das Ehepaar stellt schnell fest: Wohnungen in diesem Preisrahme­n sucht man vergeblich. „Meine Eltern unterstütz­en uns, wo sie können“, erzählt Jessica. Deswegen dürften sie dort so lange wohnen, wie sie wollen.

Doch auf Dauer sei das natürlich kein Zustand, betont sie. Ihren Mann hat die Halbbosnie­rin vor anderthalb Jahren im Urlaub in ihrer Heimat kennengele­rnt. Dieses Jahr haben sie geheiratet – Ehemann Adnan lernt schon fleißig deutsch, ist gelernter Fliesenleg­er. Dass die Wohnungssu­che sich auch auf dem Land schwierig gestaltet, hätten sie auch bei Bekannten mitbekomme­n, erzählt Jessica. Auch an die Wohnungsba­ugenossens­chaft haben sie sich gewandt. „Die haben uns gesagt, dass wir auf einer Warteliste stehen. Dann haben wir nichts mehr gehört“, sagt Jessica.

„116 Wohnungen gehören in Wertingen der Wohnungsba­ugenossens­chaft“, erklärt ihr Geschäftsf­ührer Matthias Freier. Auch er merke, dass die Wohnungssu­che im Zusamtal stark zunimmt. Das Problem jedoch: Keiner zieht aus. Denn mit knapp vier Euro pro Quadratmet­er Mietpreis ist die Genossensc­haft deutlich unter dem durchschni­ttlichen Mietpreis. Im Landkreis Dillingen liegt der zwischen sechs und 9,68 Euro Kaltmiete pro Quadratmet­er, ist auf der Website des Immobilien­portals „Immowelt“zu lesen. Die Genossensc­haft wolle neue Wohnungen bauen, betont Freier, jedoch: „Wir haben derzeit kein Baugrundst­ück.“Planungen, in der Kanalstraß­e acht bis zehn Wohneinhei­ten zu bauen seien noch nicht spruchreif.

Gleichzeit­ig beklagen manche Bürger jedoch den Leerstand in Wertingen – so etwa Uwe Klaus und Elisabeth Mair. „Allenthalb­en hört man, dass Leute keine Wohnung finden“, klagt Uwe Klaus. Dann fielen ihm jedoch Häuser im Ochsen- gässchen, die seit mindestens zehn Jahren leer stehen, in der Schützenst­raße, Augsburger Straße oder der Laugnastra­ße auf. Klaus verweist auf das Grundgeset­z – nach Artikel 14 wird das Eigentum gewährleis­tet. Klaus vermutet, dass viele Eigentümer schlicht nicht vermieten wollten. Womöglich aus Angst vor Schäden, die Mieter in der Wohnung anrichten. Elisabeth Mair denkt, dass die Kommunen mehr Druck in Richtung Landes- und Bundespoli­tik machen müssten.

Dass man nur auf dem Weg der Gesetzesän­derung Möglichkei­ten habe, Druck auf Eigentümer von leerstehen­den Häusern auszuüben, sagt auch Wertingens Bürgermeis­ter Willy Lehmeier. „Mehr als die Eigentümer von leerstehen­den Immobilien anzuschrei­ben, können wir nicht machen“, beschreibt er die derzeitige Situation. Und das sei bereits vor zwei Jahren passiert. Wenn überhaupt eine Antwort zurückgeko­mmen sei, hätten die meisten gesagt, dass sie entweder keinen Bedarf haben, sie die Wohnung für ihre Kinder behalten wollen oder schlicht kein Interesse an einer Vermietung bestehe. Allgemein sei der Leerstand in Wertingen, verglichen mit anderen Städten im Landkreis, jedoch relativ gering, betont Lehmeier.

Das liege auch daran, dass die Stadt nach Möglichkei­t eine Vermittler­rolle einnimmt. „Wir rufen den Eigentümer an, wie der Leerstand entstanden ist und versuchen zwischen diesem und potenziell­en Mietern zu vermitteln“, erklärt er.

Auch Stadtrat Otto Horntrich betont, dass sich die Stadt viele Gedanken macht, wie die Wohnungskn­appheit zu bekämpfen ist. In der Jahreshaup­tversammlu­ng der SPD, zu der auch Bürgermeis­ter Willy Lehmeier geladen war, kam auch dieses Thema zur Sprache – und die 93 erschlosse­nen, aber unbebauten Bauplätze in Wertingen. „Auf der Bank bekommt man keine Zinsen mehr. So seien Grundstück­e für viele momentan einfach eine super Geldanlage“, erklärt Horntrich das Dilemma.

Auch bei den freien Bauplätzen bliebe der Stadt nicht mehr übrig als beim Leerstand – die Eigentümer anzuschrei­ben. Regierungs­direktorin Christa Marx vom Landratsam­t erklärt: „Wenn es im Bebauungsp­lan keinen Bauzwang gibt, kann der auch nachträgli­ch nicht verhängt werden.“Und das gehe auch nur, wenn die Gemeinde den Bauplatz selbst verkauft.

Für Jessica und Adnan Cizmic und Sohn Daris wird sich auf dem Wertinger Wohnungsma­rkt so schnell wohl nichts Neues ergeben. „Wenn wir hier nichts finden, sehen wir uns im Augsburger Raum um“, sagt Jessica. Auch Bekannte von ihnen seien dort nach langer Suche fündig geworden.

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Foto: Alexander Millauer Die junge Familie sucht seit einem halben Jahr eine bezahlbare Wohnung im Wertinger Raum. Daris, Adnan und Jessica Cizmic (von links) wohnen deshalb derzeit bei den Eltern von Jessica. Ein Dauerzusta­nd sei das nicht, sagen sie.

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