Wohnungen verzweifelt gesucht
Immobilienmarkt Der Bedarf an bezahlbarem Wohnbau wächst auch in Wertingen. Gleichzeitig beklagen Bürger den Leerstand und die freien Bauplätze. Was die Stadt dazu sagt
Wertingen Verzweifelt seien sie noch nicht, sagt Jessica Cizmic. Aber kurz davor. Seit einem halben Jahr sind die jungen Eltern auf der Suche nach einer Wohnung im Wertinger Raum – und finden nichts. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Adnan und ihrem Sohn Daris wohnt Jessica derzeit bei ihren Eltern – in einem Zimmer. Daris ist seit einem Monat auf der Welt, er schläft viel, kuschelt gerne mit Mama und Papa und bekommt wohl nichts mit von der vergeblichen Suche der Eltern.
„Wir haben im Prinzip keine Angebote bekommen, die zu uns passen. Alles war zu teuer“, beklagt die 22-jährige. Zwischen 500 und 700 Euro Warmmiete will das junge Paar für eine knapp 60 Quadratmeter große Wohnung ausgeben. Eine angemessene Preisvorstellung – sollte man meinen. Doch das Ehepaar stellt schnell fest: Wohnungen in diesem Preisrahmen sucht man vergeblich. „Meine Eltern unterstützen uns, wo sie können“, erzählt Jessica. Deswegen dürften sie dort so lange wohnen, wie sie wollen.
Doch auf Dauer sei das natürlich kein Zustand, betont sie. Ihren Mann hat die Halbbosnierin vor anderthalb Jahren im Urlaub in ihrer Heimat kennengelernt. Dieses Jahr haben sie geheiratet – Ehemann Adnan lernt schon fleißig deutsch, ist gelernter Fliesenleger. Dass die Wohnungssuche sich auch auf dem Land schwierig gestaltet, hätten sie auch bei Bekannten mitbekommen, erzählt Jessica. Auch an die Wohnungsbaugenossenschaft haben sie sich gewandt. „Die haben uns gesagt, dass wir auf einer Warteliste stehen. Dann haben wir nichts mehr gehört“, sagt Jessica.
„116 Wohnungen gehören in Wertingen der Wohnungsbaugenossenschaft“, erklärt ihr Geschäftsführer Matthias Freier. Auch er merke, dass die Wohnungssuche im Zusamtal stark zunimmt. Das Problem jedoch: Keiner zieht aus. Denn mit knapp vier Euro pro Quadratmeter Mietpreis ist die Genossenschaft deutlich unter dem durchschnittlichen Mietpreis. Im Landkreis Dillingen liegt der zwischen sechs und 9,68 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, ist auf der Website des Immobilienportals „Immowelt“zu lesen. Die Genossenschaft wolle neue Wohnungen bauen, betont Freier, jedoch: „Wir haben derzeit kein Baugrundstück.“Planungen, in der Kanalstraße acht bis zehn Wohneinheiten zu bauen seien noch nicht spruchreif.
Gleichzeitig beklagen manche Bürger jedoch den Leerstand in Wertingen – so etwa Uwe Klaus und Elisabeth Mair. „Allenthalben hört man, dass Leute keine Wohnung finden“, klagt Uwe Klaus. Dann fielen ihm jedoch Häuser im Ochsen- gässchen, die seit mindestens zehn Jahren leer stehen, in der Schützenstraße, Augsburger Straße oder der Laugnastraße auf. Klaus verweist auf das Grundgesetz – nach Artikel 14 wird das Eigentum gewährleistet. Klaus vermutet, dass viele Eigentümer schlicht nicht vermieten wollten. Womöglich aus Angst vor Schäden, die Mieter in der Wohnung anrichten. Elisabeth Mair denkt, dass die Kommunen mehr Druck in Richtung Landes- und Bundespolitik machen müssten.
Dass man nur auf dem Weg der Gesetzesänderung Möglichkeiten habe, Druck auf Eigentümer von leerstehenden Häusern auszuüben, sagt auch Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier. „Mehr als die Eigentümer von leerstehenden Immobilien anzuschreiben, können wir nicht machen“, beschreibt er die derzeitige Situation. Und das sei bereits vor zwei Jahren passiert. Wenn überhaupt eine Antwort zurückgekommen sei, hätten die meisten gesagt, dass sie entweder keinen Bedarf haben, sie die Wohnung für ihre Kinder behalten wollen oder schlicht kein Interesse an einer Vermietung bestehe. Allgemein sei der Leerstand in Wertingen, verglichen mit anderen Städten im Landkreis, jedoch relativ gering, betont Lehmeier.
Das liege auch daran, dass die Stadt nach Möglichkeit eine Vermittlerrolle einnimmt. „Wir rufen den Eigentümer an, wie der Leerstand entstanden ist und versuchen zwischen diesem und potenziellen Mietern zu vermitteln“, erklärt er.
Auch Stadtrat Otto Horntrich betont, dass sich die Stadt viele Gedanken macht, wie die Wohnungsknappheit zu bekämpfen ist. In der Jahreshauptversammlung der SPD, zu der auch Bürgermeister Willy Lehmeier geladen war, kam auch dieses Thema zur Sprache – und die 93 erschlossenen, aber unbebauten Bauplätze in Wertingen. „Auf der Bank bekommt man keine Zinsen mehr. So seien Grundstücke für viele momentan einfach eine super Geldanlage“, erklärt Horntrich das Dilemma.
Auch bei den freien Bauplätzen bliebe der Stadt nicht mehr übrig als beim Leerstand – die Eigentümer anzuschreiben. Regierungsdirektorin Christa Marx vom Landratsamt erklärt: „Wenn es im Bebauungsplan keinen Bauzwang gibt, kann der auch nachträglich nicht verhängt werden.“Und das gehe auch nur, wenn die Gemeinde den Bauplatz selbst verkauft.
Für Jessica und Adnan Cizmic und Sohn Daris wird sich auf dem Wertinger Wohnungsmarkt so schnell wohl nichts Neues ergeben. „Wenn wir hier nichts finden, sehen wir uns im Augsburger Raum um“, sagt Jessica. Auch Bekannte von ihnen seien dort nach langer Suche fündig geworden.