Ohne Reue schlachten
Weihnachten beginnt bei uns im August, wenn die anderen in Urlaub fahren. Dann kommen die ersten Küken in den Stall, gerade einen Tag alt, damit sie bis zum Fest das richtig Gewicht haben. Später kommen noch mehr, am Ende haben sie dann vier, sechs oder zwölf Kilo. Gut eine Woche lang wird vor Weihnachten geschlachtet, damit alles ganz frisch zu den Kunden kommt. Die kleinen Babyputen sind da unser Hauptprodukt. Unterm Jahr will kaum einer einen ganzen Vogel, da machen wir hauptsächlich Fleisch- und Wurstwaren. Der Adrenalinspiegel steigt schon zur Weihnachtszeit, auch weil die Kunden inzwischen oft so angespannt sind: Jeder hat so viel zu besorgen, vorzubereiten…
Das Schlachten passiert hier am Hof, aber ich mache das nicht selber. Schlechte Gefühle habe ich deswegen nicht: Weil ich sicher bin, dass wir das, was wir machen, nicht besser machen können. Die Puten kommen vom Stall in eine Box und werden mit dem Stapler zum Schlachten gefahren – ganz stressfrei.
In der Familie zelebrieren wir das Essen an Weihnachten nicht so. Wir haben das ganze Jahr die Fülle. Und es sind ja auch noch Tiere da, die ich versorgen muss. Obwohl wir versuchen, das Maximale an Tierwohl und lokaler Produktion umzusetzen, könnte man einen Betrieb wie unseren heute gar nicht mehr aufbauen: zu viele Regeln, zu hohe Investitionen. Das ist schade. Ich mache das jetzt seit 42 Jahren, mein Sohn ist 20 Jahre dabei, und ich liebe es nach wie vor. Klaus-Dieter Bittner, Gablingen