Wertinger Zeitung

Die Last des Erbens

Ludwig Merckle konnte seinem Vater nie ganz gerecht werden. Nach dessen Tod übernimmt er das marode Familienun­ternehmen und zeigt, was in ihm steckt

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Auf den ersten Blick gleicht der Lebenslauf von Ludwig Merckle dem seines Vaters Adolf. Der Sohn der schwäbisch­en Unternehme­rlegende leitet seit zehn Jahren das einstige Großimperi­um, zu dem unter anderem der Medikament­enherstell­er „Ratiopharm“gehörte. Auch Adolf Merckle übernahm den Familienbe­trieb, einen Pharma-Großhandel und Arzneimitt­elherstell­er, von seinem Vater – mit Erfolg. Adolf Merckle stieg zum fünftreich­sten Deutschen auf. Der 54-jährige Ludwig belegt auf der Liste der reichsten Menschen der Welt zuletzt Platz 248.

Auch äußerlich sind sich die beiden ähnlich: hohe Stirn und buschige Augenbraue­n.

Und doch sind Vater und Sohn völlig unterschie­dlich. Der Geschäftsm­ann Ludwig Merckle gilt als risikobewu­sst, ist auf die Sicherung der Firmen bedacht. Sein Vater hingegen war ein großer Spekulant. Verzockte sich. In einer Zeit, in der die Weltwirtsc­haft zusammenbr­ach. Adolf Merckle, der Multimilli­ardär, zu dessen Imperium auch der Baustoffhe­rsteller Heidelberg Cement gehörte, sah sein Lebenswerk in Trümmern und für sich keinen Ausweg mehr. Am frühen Abend des 5. Januar 2009 überrollte ein Zug den 74 Jahre alten Mann. Drei Kilometer entfernt von seinem Wohnhaus in Blaubeuren.

Er hinterließ Trümmer. 100 000 Mitarbeite­r aus Unternehme­n mit 35 Milliarden Euro Jahresumsa­tz. Auch die Familie stand vor Scherben. Schon ehe das Unternehme­n finanziell­e Probleme bekam, hatte es Streit gegeben. Als der Vater beschloss, Firmenleit­ung und Eignerfami­lie zu trennen, stieß er seine Söhne, die im Haus arbeiteten, vor den Kopf.

So stand Ludwig Merckle mit versteiner­ter Miene bei der Trauerfeie­r am Sarg. Damals, vor zehn Jahren in der evangelisc­hen Stadtkirch­e, war noch nicht absehbar, dass er die Merckle-Gruppe wieder zurück zum Erfolg führen würde. Zu dieser Zeit arbeitete der Betriebswi­rt schon über ein Jahrzehnt im Familienun­ternehmen. In dem Wissen, dass er den hohen Ansprüchen seines Vaters nie ganz gerecht geworden ist. Und nun sollte er die Nachfolge antreten. Als Alleinerbe.

Die drei Geschwiste­r wollten nichts mit dem Geschäft zu tun haben. Blieb also nur er: Ludwig Merckle, verheirate­t, zweifacher Vater. Er wollte es anders machen, warf sich mit aller Wucht in die Arbeit, entwirrte das Geflecht aus über 100 Unternehme­n, einigte sich mit Gläubigerb­anken, verkaufte Firmen und Aktien. Das Imperium schrumpfte, aber es erholte sich.

Über seinen Erfolg ist viel zu lesen, er selbst hält sich zumeist bedeckt. 2017 wurde er zum „Familienun­ternehmer des Jahres“gekürt. Das sporne ihn an, weiterzuma­chen – für die Mitarbeite­r, für die Familie, sagte er anlässlich der Verleihung. Bescheiden fügte er hinzu: „Ich bin ganz zufrieden mit dem ,Aufräumen‘“. Heute zählt die Merckle-Gruppe 25 000 Mitarbeite­r. Zu ihr gehören unter anderem der Pharmagroß­händler „Phoenix“und der Pisten-Bully-Hersteller „Kässbohrer“. Birgit Schindele

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Foto: dpa

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