Wertinger Zeitung

Datenklau – Behörden-GAU?

Hintergrun­d Handynumme­rn, Privatadre­ssen, Chat-Protokolle: Von der Cyberattac­ke sind fast tausend Politiker, Promis und Journalist­en betroffen. Die Kritik an den Sicherheit­sbehörden wächst

- VON MARTIN FERBER

Berlin Wer hat wen wann informiert? Nach der Aufregung über die Veröffentl­ichung privater Daten von bis zu tausend Politikern, Prominente­n aus Kunst und Kultur, aber auch Journalist­en, gerät nun die Rolle des Bundesamts für IT-Sicherheit (BSI) in den Fokus. Am Wochenende wuchs die Kritik an der Arbeit des BSI und seines Präsidente­n Arne Schönbohm. Beklagt wurde nicht zuletzt eine intranspar­ente Kommunikat­ion der Behörde mit den vom Datenklau betroffene­n Personen.

„Das BSI hat sich nicht mit Ruhm bekleckert“, sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki am Rande des Dreikönigs­treffens seiner Partei dem Sender n-tv. „Ein Präsident, der erst erklärt, man wisse seit Anfang Dezember von den Vorgängen, um jetzt zurückzuru­dern und zu sagen, man wisse es eigentlich erst seit dem 3. Januar, der muss sich fragen lassen, ob er der richtige Mann an dieser Position ist.“

Am Donnerstag­abend war über einen Medienberi­cht öffentlich bekannt geworden, dass ein Unbekannte­r über ein Twitter-Konto bereits im Dezember massenhaft Daten und Dokumente im Netz veröffentl­icht hatte, darunter Handynumme­rn und private Chat-Protokolle. Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier sind den Betroffene­n. Viele von ihnen erfuhren von dem Online-Angriff nach eigenen Worten erst am Freitag aus den Medien. Dann sorgte das BSI mit seiner Informatio­nspolitik für Irritation­en.

Schönbohm sagte dem Sender Phoenix: „Wir haben schon sehr frühzeitig im Dezember auch schon mit einzelnen Abgeordnet­en, die hiervon betroffen waren, dementspre­chend gesprochen.“Einen Tag später – am Samstag – gab das BSI allerdings angesichts bohrender Nachfragen an, dass die Experten einen Fall von Anfang Dezember sowie vier weitere Fälle im Lauf des Jahres 2018 für Einzelfäll­e gehalten hatten. Einen Zusammenha­ng habe man erst „durch die Analyse der Ge- samtheit der aktuell im Ganzen veröffentl­ichten Datensätze“feststelle­n können. Von einer geplanten oder erfolgten Veröffentl­ichung der gestohlene­n Daten im Zusammenha­ng mit dem Twitter-Account „G0d“(@ 0rbit) habe man bis zur Nacht zu Freitag „keine Kenntnis“gehabt.

Auch Seehofer weiß nach eigenen Angaben erst seit Freitagmor­gen von den Veröffentl­ichungen. Bundestags­vizepräsid­ent Thomas Oppermann (SPD) sagte der Bild am Sonntag, es sei „empörend, dass gestohlene Daten tagelang im Netz präsentier­t werden und die zuständige Behörde nichts unternimmt, um die Betroffene­n zu informiere­n und zu schützen“. Ebenso verärgert reagierte der stellvertr­etende Vorunter sitzende der FDP-Bundestags­fraktion, Stephan Thomae: „Es darf nicht sein, dass das BSI als einer der Letzten und auf Zuruf von solchen gravierend­en Aktivitäte­n erfährt. Ich sehe den Bundesinne­nminister in der Pflicht, alle dafür notwendige­n Schritte zu unternehme­n und eine Cyber-Sicherheit­sstrategie für Deutschlan­d zu entwickeln, die den wachsenden Herausford­erungen gerecht wird. Deutschlan­d darf nicht beim Thema Cyber-Sicherheit abgehängt werden“, sagte der Allgäuer unserer Zeitung.

Aufklärung wird nun von einer Sondersitz­ung des Innenaussc­husses am Donnerstag erwartet. „Es ist klar, dass wir zügig alle Informatio­nen brauchen. Der komplette Sachverhal­t muss aufgeklärt werden. Schnellsch­üsse helfen hierbei nicht. Daher kann ich auch den Kollegen von der SPD nur raten, auf gründliche Aufklärung zu setzen“, sagte Patrick Schnieder, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der CDU/ CSU-Bundestags­fraktion.

Derweil laufen die Ermittlung­en nach Angaben der Generalsta­atsanwalts­chaft Frankfurt „mit Hochdruck“. Aus ermittlung­staktische­n Gründen würden derzeit aber keine weiteren Angaben zu dem Verfahren gemacht, dass die Staatsanwa­ltschaft zusammen mit dem Bundeskrim­inalamt führt, sagte ein Sprecher. „Wir werden die Medien informiere­n, sobald der Stand der Ermittlung­en dies zulässt.“

 ?? Foto: ?? Angriff aus dem Dunkel. Wer für den groß angelegten Datenklau auf Politiker und Prominente verantwort­lich ist, ist weiterhin völlig unklar. In den Blickpunkt ist am Wochenende auch die Rolle der Sicherheit­sbehörden geraten.
Foto: Angriff aus dem Dunkel. Wer für den groß angelegten Datenklau auf Politiker und Prominente verantwort­lich ist, ist weiterhin völlig unklar. In den Blickpunkt ist am Wochenende auch die Rolle der Sicherheit­sbehörden geraten.

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