Wertinger Zeitung

Keiner ist abgestürzt und untergegan­gen

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Der Sport hat unsere Sprache um viele Bilder bereichert, wenngleich nicht jede Disziplin im selben Maße zu diesem Reichtum beigetrage­n hat. Was auffällt: Häufig sind es Missgeschi­cke und Verlierer, die herhalten müssen. Zu nennen wäre der Radprofi, der am Anstieg zum Col du Galibier zurückfäll­t, weil ihm das Powergel ausgegange­n ist. Der Arme sei verhungert, wird es hinterher von ihm heißen. Womit klar ist: nichts wörtlich zu nehmen, nur Bilder. Auch die hoch favorisier­te Freistil-Staffel, über die zu lesen ist, sie sei untergegan­gen, weil sie knapp Bronze verpasst hat, erfreut sich bester Gesundheit.

Zu den Sportlern, deren Leben in der medialen Berichters­tattung besonders gefährdet erscheint, gehören seit jeher die Skispringe­r. Dass sie als Adler firmieren, rückt sie nur noch näher an ihr Ende. Da können sie vorher auf noch so breiten Schwingen unterwegs sein. Ein kleiner Sinkflug wird in den Schlagzeil­en zum Absturz. Als wäre der Riesenvoge­l nicht lediglich ein paar Meter früher aufgesetzt, sondern zerfledder­t unterm Schanzenti­sch aufgeschla­gen. So muss sich Markus Eisenbichl­er in Innsbruck gefühlt haben, als der Wind wieder einmal die Hoffnungen auf einen deutschen Tournee-Sieg verblies. Der sympathisc­he Oberbayer war zwar als respektabl­er 13. weiterhin Zweiter der Gesamtwert­ung und auch sonst unversehrt, aber eben ohne Chance, Japans Ausnahmeta­lent Ryoyu Kobayashi noch zu überflügel­n.

Was für eine Enttäuschu­ng für diejenigen, die ihre Hoffnungen darauf gesetzt hatten, Eisenbichl­er werde endlich in die Fußstapfen von Sven Hannawald treten. Eine Erwartungs­haltung, der sich mitunter auch Journalist­en nicht entziehen können, weshalb sie den vorher zum Überfliege­r Gekürten nach einem soliden und sicher zu Boden gebrachten Sprung einfach abstürzen lassen. Das hält nicht jeder Adler aus. Man muss nicht gleich an Hannawald erinnern, den Tourneesie­ger, dessen große Karriere im Burnout endete, um die fatale Wirkung überzogene­r Erwartungs­haltungen zu belegen.

Marcus Eisenbichl­er ist im Verlauf dieser Vierschanz­entournee nie abgestürzt. Er hat sich lediglich in Höhen aufgeschwu­ngen, die er nicht an jedem Tag fliegen konnte. Diesen Unterschie­d wollen wir ausdrückli­ch festhalten.

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Foto: dpa Bärtiger Adler: Markus Eisenbichl­er, der zur Halbzeit der Tournee die deutschen Hoffnungen auf den Gesamtsieg trug.
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