Razzia in Heilbronn
Steckt ein 19-Jähriger hinter „0rbit“?
Heilbronn An diesem trüben Montagvormittag brennt hinter den Fenstern an der Horkheimer Hauptstraße kein Licht. Die Tür des schmalen Hauses in dem Heilbronner Stadtteil öffnet sich zögerlich. Ihr Stiefsohn sei bei der Arbeit, sagt die Frau, die die Tür gerade mal einen Spalt weit öffnet. „Er ist fest angestellt. Und es ist keine gute Idee, dort jetzt für Rummel zu sorgen“, sagt sie. „Er“, das ist ein 19-Jähriger, der von den Behörden mit dem Datenklau in Verbindung gebracht wird. Ein Hacker namens „0rbit“wird hinter den Taten vermutet.
Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) haben am Sonntag die Wohnung von Jan S. in Baden-Württemberg durchsucht, technisches Gerät mitgenommen und den Müll durchsucht. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sagte: „Die verdeckte Phase der Ermittlungen dauert an.“Über Twitter kommentiert Jan S. selbst die Durchsuchung. So vermutet er, schon seit Wochen von der Polizei beobachtet zu werden – und wundert sich über das Vorgehen der Behörden. „Ich werde höchstwahrscheinlich bereits seit Wochen von der Polizei beobachtet, hatte seit ca. vier Wochen keine Hardware mehr, gestern erneute Beschlagnahme von allen neuen und übrig gebliebenen Geräten, wie kann man da eigentlich nur ansatzweise dran denken dass ich 0rbit sei?“, fragt Jan S. in einem Tweet, der später gelöscht wurde. Allerdings sagt er auch, dass „0rbit“sich nach der Veröffentlichung der Daten bei ihm gemeldet habe.
Ein bislang Unbekannter hatte über das inzwischen gesperrt Twitter-Konto @_0rbit zahlreiche persönliche Daten von Politikern und Prominenten veröffentlicht. Nach Ansicht des Chaos Computer Clubs (CCC) hat der Täter sehr viele Informationen von sich preisgegeben. „Das Vorgehen war einfach sehr unvorsichtig, es wurde mit den Betroffenen gechattet, es wurden Details des Vorgehens preisgegeben. Es wurden sehr viele Metadaten, Zugriffszeiten und Motivationen, Rechtschreibfehler, eigene Gedanken in diesen Daten hinterlassen“, sagte CCC-Sprecher Linus Neumann. „Das sind alles kleine Puzzlestücke darauf, wie der Angreifer drauf ist, was seine Motivation ist und wann er was getan hat.“Bei solch einer Fülle an Daten wäre er überrascht, wenn sich nicht am Ende ein Bild ergeben würde, „das fähige Strafverfolgungsbehörden relativ schnell dazu bringt, diese Person zu fassen.“ Computer-Programmen, oder TrollFabriken, also Schreibern mit dem Auftrag oder Ansporn, Zwist zu sähen, verfasst werden, muss man sich fragen, wie die sozialen Medien die politische Debatte tatsächlich bereichern.
Eher schon haben sie das Potenzial, Diskussionen zu vergiften oder vollkommen auszuklammern. Der brasilianische Rechtspopulist Jair Bolsonaro hat es vor allem durch einen geschickten Wahlkampf über soziale Medien geschafft, mit seinen radikalen Positionen und zurechtgebogenen Fakten eine Mehrheit zu gewinnen.
Wenn ein deutscher Spitzenpolitiker öffentlich aussteigt, sollte das ein Alarmsignal für den gesamten politischen Betrieb sein: Die sozialen Medien mögen wie ein harmloses Spielzeug wirken, auf denen jeder, der Hip sein will, mitklimpern muss. In der Konsequenz stärken sie bislang eher antidemokratische Kräfte.