Die letzte Ruhe in der Natur
Gesellschaft Immer mehr Menschen wünschen sich ihre Grabstätte unter den Wurzeln eines Baumes. Das entsprechende Angebot in und um Augsburg wächst
Region Bäume spenden nicht nur Naturfreunden Freude und Trost. So schrieb der Dichter Hermann Hesse: „Bäume sind Heiligtümer. Wer mit ihnen zu sprechen, wer ihnen zuzuhören weiß, der erfährt die Wahrheit . ... Ein Baum spricht: In mir ist ein Kern, ein Funke, ein Gedanke verborgen, ich bin Leben vom ewigen Leben.“Und so wünschen sich immer mehr Menschen eine Bestattung unter Bäumen. Als Ursprungsland der Baumbestattung gilt die Schweiz, wo der Trend in den 1990er Jahren aufkam. Inzwischen haben sich auch viele Kommunen in der Region darauf eingestellt.
Eine Bestattung in einem echten Friedhain im Wald gibt es zwar (noch) nirgends. In Augsburg jedoch besteht gleich auf mehreren Friedhöfen die Möglichkeit, sich unter einem Baum beerdigen zu lassen. Voraussetzung ist stets die Einäscherung im Krematorium. In Augsburg gibt es zum Beispiel einen Naturfriedhof innerhalb des Westfriedhofs (Pfersee) und einen Apfelhain innerhalb des Neuen Ostfriedhofs (Lechhausen). Viele Menschen schätzen es, sich schon zu Lebzeiten „ihren“Baum aussuchen zu können. Und auch wenn sich die Begräbniskultur ändert, in der Großstadt inzwischen drei Viertel der Beerdigungen Urnenbeisetzungen sind: Manches bleibt. So gibt es auf dem Westfriedhof außer Familiengräbern auch Familienbäume. Auf dem Neuen Ostfriedhof kann man sich dafür aussuchen, unter welcher Apfelsorte man bestattet werden möchte. Hier wurden kreisförmige Beete mit je einem Apfelbaum im Zentrum angelegt. Gepflanzt wurden Roter Boskoop, Rheinischer Bohnapfel, Kaiser Wilhelm, Jakob Fischer und Danziger Kantapfel.
Verzögert hat sich ein anderes Projekt. Im Stadtteil Bergheim sollte der erste Naturfriedhof in Südbayern entstehen. Über 800 Menschen könnten dort unter Bäumen ihre letzte Ruhe finden. Vorhabensträger ist das Haus Fugger Babenhausen, das mit dem deutschlandweit agierenden Unternehmen RuheForst GmbH zusammenarbeitet. Gegen das Vorhaben gibt es aber Widerstand. Gegner befürchte, dass es durch den Friedhof zu mehr Verkehr und Parkplatzproblemen kommen könnte. Der Punkt, der das erst einmal zum Stillstand gebracht hat, ist aber die Frage einer möglichen Grundwasserverunreinigung. Dazu wird eine Studie erstellt.
Auch in Aichach war man nicht sehr begeistert von der Idee der Baumbestattungen. Stadtrat und Verwaltung kamen zu dem Schluss, dass keine geeigneten Flächen zur Verfügung stehen. Außerdem wurde von Stadträten kritisch gesehen, dass man dann auf Gräbern herumtrampeln könnte und Angehörige Grabstätten nicht mehr pflegen wollten.
In der Tat ist auf den Friedhöfen in der Regel Grabschmuck für Baumgräber untersagt; auch Grablichter dürfen nicht aufgestellt werden. Wer Friedhaine besucht, sieht jedoch ab und an Blumen unter den Bäumen liegen. In Sachen „Grabsteine“gehen Kommunen unter- schiedlich vor. Einige lassen über jeder Urne (die übrigens kompostierbar sein muss) eine kleine Grabplatte mit dem Namen der Verstorbenen ein. Die Stadt Friedberg will das anders machen. Hier hat der zuständige Stadtratsausschuss unlängst beschlossen, dass es auf den Friedhöfen in Friedberg-Herrgottsruh, Wulfertshausen und Ottmaring ab Frühling 2019 Baumgräber geben soll. Man will dort aber unter den schon bestehenden Bäumen keine Grabplatten verwenden, sondern zentrale Denkmäler aufstellen.
Auch im Landkreis Augsburg haProjekt ben sich bereits einige Städte und Gemeinden mit dem Thema befasst. In Diedorf sind Baumgräber auf dem Friedhof in Biburg geplant, wurden bei den letzten Haushaltsberatungen aber verschoben. Auch in Untermeitingen, Neusäß und Stadtbergen hat man das Thema diskutiert. Die Städte Bobingen und Königsbrunn sowie die Gemeinde Großaitingen bieten seit einiger Zeit oder demnächst auf ihren Friedhöfen Beisetzungen unter Bäumen an. „Zunehmend mehr Menschen haben nach dieser alternativen Ruhestätte gefragt“, heißt es bei der Stadt Bobingen. Seit 2016 erfülle man den Wunsch nach Baumbestattungen auf dem Friedhof an der MariaHilf-Straße. Auch Königsbrunn plant, diese Bestattungsform anzubieten. Es wurde eine neue Friedhofskonzeption ausgearbeitet, die in den nächsten Monaten umgesetzt werden soll. Darin sind Baumbestattungen vorgesehen, man will damit dem allgemeinen Trend zu pflegeleichteren Gräberformen Rechnung tragen.
Diese Form der Bestattung werde vor allem von Hinterbliebenen gewählt, die eine kontinuierliche Grabpflege nicht durchführen können, bestätigt auch der Bestattungsdienst Friede. „Bei Baumbestattungen wird diese Pflege von der Natur mit ihren Jahreszeiten übernommen.“
Das sei für viele Angehörigen eine Entlastung und ein gutes Symbol. Wir Hermann Hesse schreibt: „Wenn wir traurig sind und das Leben nicht mehr gut ertragen können, dann kann ein Baum sprechen: Sei still! Sieh mich an! Leben ist nicht leicht, leben ist nicht schwer!“
Sogar die Urne muss dabei kompostierbar sein