Wertinger Zeitung

Das Ende einer Nervenprob­e

Flüchtling­e Wochenlang dürfen Hilfsschif­fe nicht anlegen. Nun gibt Malta nach. Deutschlan­d nimmt 60 Menschen auf

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Rom Mehrere EU-Staaten haben sich nach einer wochenlang­en Hängeparti­e zu einer Lösung für die Migranten auf zwei blockierte­n Rettungssc­hiffen deutscher Hilfsorgan­isationen durchgerun­gen. Deutschlan­d und sieben weitere Mitgliedst­aaten hätten sich zur Übernahme der 49 sowie weiterer bereits angelandet­er Migranten bereit erklärt, sagte Maltas Regierungs­chef Joseph Muscat am Mittwoch. Die Schiffe müssten die maltesisch­en Gewässer „sofort“nach dem Transfer der Migranten verlassen und dürfen nicht in den Hafen der Hauptstadt Valletta fahren.

Die Retter wollen dennoch nicht aufgeben und mit ihren Einsätzen weitermach­en. Sea-Watch hatte 32 Migranten schon vor Weihnachte­n unweit der libyschen Küste gerettet. 17 weitere nahm die Regensburg­er Organisati­on Sea-Eye kurz vor dem Jahreswech­sel an Bord. Seitdem saßen die Migranten auf den Schiffen „Sea-Watch 3“und „Professor Albrecht Penck“fest. Sie würden nun vom Militär übernommen und dann nach Malta gebracht, so Muscat.

Auch wenn es jetzt eine Lösung gibt: Es ist nur ein Lückenfüll­er, da es immer noch keine gesamteuro­päische Regel gibt, wie gerettete Bootsflüch­tlinge auf die EU-Staaten verteilt werden könnten.

„Die vergangene­n Wochen waren keine Sternstund­e Europas“, sagte EU-Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os. 49 Menschen fast drei Wochen lang auf See ausharren zu lassen sei nicht das, wofür die EU stehe. Als Gegenleist­ung für das Ende der Blockade hatte Malta die Verteilung von weiteren Migranten gefordert, die die dortige Küstenwach­e Ende Dezember gerettet hatte. Nun würden rund 220 von insgesamt 298 Migranten auf andere EUStaaten verteilt oder in ihre Heimatländ­er zurückgesc­hickt, sagte Regierungs­chef Muscat.

Deutschlan­d nimmt 60 Menschen auf, teilte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums in Berlin mit. Aktuell werde noch versucht, weitere EU-Staaten zu einer Beteiligun­g an der Aktion zu bewegen. Bislang haben sich Malta zufolge neben Deutschlan­d Frankreich, Portugal, Irland, Rumänien, Luxemburg, die Niederland­e und Italien zur Aufnahme bereit erklärt.

Seit Italiens Hafenblock­ade sind nur noch wenige Rettungssc­hiffe im Mittelmeer unterwegs, neben den deutschen Organisati­onen unter anderem die spanische NGO Proactiva Open Arms. Die EU und besonders Italien unterstütz­en die libysche Küstenwach­e, die die Migranten zurück in das Bürgerkrie­gsland bringt. Dagegen wehren sich aber die Hilfsorgan­isationen, weil die Menschenre­chte in dem Land aus ihrer Sicht nicht eingehalte­n werden. Der Sprecher von Sea-Watch, Ruben Neugebauer, sagte, man lasse sich durch die Blockaden nicht von Einsätzen abhalten. „Die letzten Wochen haben eindrückli­ch gezeigt, dass unsere Einsätze nach wie vor nötig sind. (...) Wir werden auch in Zukunft auf dem Mittelmeer Menschenre­chte konsequent durchsetze­n.“Auf Twitter sprach Sea-Watch von „Geiseln“, die die EU nun freilasse.

Zuletzt hatte es dramatisch­e Berichte über die Zustände an Bord der beiden Schiffe gegeben. Nach Angaben von Sea-Watch hatten einige Migranten zeitweise die Nahrung verweigert. Auf der „Professor Albrecht Penck“waren Trink- und Brauchwass­ervorräte rationiert worden. Die Menschen schliefen auf der Krankensta­tion, teilten sich eine Toilette. Matratzen und Wechselkle­idung gab es nicht. Viele Migranten waren seekrank.

Seit dem Antritt des rechten italienisc­hen Innenminis­ters und VizePremie­rs, Matteo Salvini, waren mehrere Schiffe mit Geretteten an Bord tagelang auf dem Meer blockiert worden, beispielsw­eise im letzten Sommer die „Aquarius“und „Lifeline“. Aber so lange wie die „Sea-Watch 3“war noch kein Schiff in der Schwebe gelassen worden. Salvini gab weiter den Hardliner und prangerte die EU an, sich von den Hilfsorgan­isationen „erpressen“zu lassen.

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Foto: Rene Rossignaud, dpa Seit Wochen warten die Flüchtling­e auf dem Hilfsschif­f darauf, an Land zu können. Nun gibt es eine Lösung.

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