Die meiste Förderung erhalten Großbetriebe
Ernährung Die EU-Gelder gehen in erster Linie an die Riesen in der Landwirtschaft. Für Kleinbauern bleibt da nicht mehr viel. Für Umweltverbände ist es höchste Zeit, in der Agrarpolitik umzusteuern
Berlin Umweltschützer fordern eine grundlegende Reform der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen. Derzeit fast 60 Milliarden Euro Fördergelder pro Jahr kämen hauptsächlich industriellen Großbetrieben zugute, kritisieren die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung und die Naturschutz-Organisation BUND in einem „Agrar-Atlas“, den sie am Mittwoch vorstellten.
Die Autoren sprechen sich für eine andere Verteilung der Gelder aus, die umweltfreundliches Wirtschaften stärker fördern soll. Verabschieden müsse man sich besonders von der pauschalen Flächenprämie, durch die ein Großteil des EU-Geldes anhand der Fläche der Betriebe ausgezahlt wird. Das führe dazu, „dass ein Prozent der Betriebe 20 Prozent der Gelder bekommt“, sagte Christine Chemnitz, Agrarexpertin der Heinrich-Böll-Stiftung: „Pauschale Flächenprämien sind ungerecht und unökologisch“, betonte sie.
Rund drei Viertel des EU-Agrarbudgets gehen momentan in Form von Direktzahlungen an die Landwirte. Eine zweite Säule ist für die Entwicklung des ländlichen Raums vorgesehen. In der EU wird derzeit über die Verteilung der Agrargelder ab 2021 diskutiert. An der Flächenbindung soll nach den aktuellen Plänen aber festgehalten werden – obwohl laut „Agrar-Atlas“rund 80 Prozent der Gelder an nur 20 Prozent der Begünstigten gehen.
Geplant ist zwar eine Obergrenze: Ab 60000 Euro pro Betrieb soll die Förderung gekürzt, bei 100 000 Euro soll sie vollständig gekappt werden. Allerdings sollten dabei Arbeitsund Gehaltskosten – etwa bei Höfen mit sehr vielen Angestellten – in Betracht gezogen werden. Ein großer Betrieb kann dadurch der EU-Kommission zufolge weiterhin auf weit mehr als 100 000 Euro Förderung kommen.
Das Prinzip „mehr Geld für mehr Fläche“trägt aus Sicht der Autoren auch dazu bei, dass europaweit Landwirte ihre Höfe aufgeben: konkret zwischen 2005 und 2016 knapp 30 Prozent aller Betriebe in der EU, die meisten Kleinbauern. Der EURechnungshof hatte den jüngsten Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der Agrarpolitik unlängst ebenfalls kritisiert. Vorgesehen ist, dass die EU-Staaten mehr Freiheiten bekommen, wie sie eine Reihe von vorbestimmten Zielen erreichen wollen – etwa die Erhaltung der Natur, der Wettbewerbsfähigkeit sowie die Sicherung der Lebensmittelqualität.
Aus Sicht der Rechnungsprüfer käme der Umweltschutz mangels verbindlicher Vorgaben künftig zu kurz. Zudem seien die Flächenzahlungen nicht die wirtschaftlichste Art, um das Einkommen der Bauern zu unterstützen. Bei der vorangegangenen Agrarreform 2013 waren die Vorgaben für umweltverträglicheren Ackerbau noch verschärft worden. Rund 30 Prozent der Zahlungen an EU-Geldern wurden an die Einhaltung von Auflagen geknüpft: Die Bauern müssen einen Teil ihrer Felder stärker der Natur überlassen und Monokulturen vermeiden.
„Eine Abschaffung dieser Flächensubventionen wird von der Wissenschaft seit vielen Jahren gefordert, da diese die Bodenpreise in die Höhe treiben“, erklärt Andreas Tietz vom staatlichen Thünen-Institut. Wenn der Preis zu hoch ist, werde der Bodenkauf für Berufseinsteiger und kleine Betriebe unrentabel. „Sinnvoller wäre es, noch gezielter Landwirte zu fördern, die etwa Umweltmaßnahmen umsetzen oder zur Landschaftspflege beitragen“, sagte Tietz.
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied warnte in der Neuen Osnabrücker Zeitung allerdings vor zu strengen Auflagen: „Die finanzielle Zukunftsfähigkeit der Bauernhöfe darf nicht gefährdet werden. Für viele Betriebe sind die Direktzahlungen lebenswichtig“, sagte er.
„Pauschale Flächenprämien sind ungerecht und unökologisch.“
Christine Chemnitz, Heinrich-Böll-Stiftung