Wertinger Zeitung

„Dank Osram kann man bald frisch im All essen“

Interview Olaf Berlien ist Chef des Münchner Konzerns. Er erklärt, warum unsichtbar­es Licht für das Unternehme­n immer wichtiger wird und weshalb der Licht-Riese in Schwabmünc­hen ein Leuchtturm­projekt hochzieht

- Interview: Stefan Stahl

Osram hat sich längst aus Augsburg verabschie­det, baut aber den kleinen Standort in Schwabmünc­hen südlich von Augsburg zu einem HightechWe­rk aus. Warum setzen Sie auf Schwabmünc­hen?

Berlien: Schwabmünc­hen ist für den ganzen Industries­tandort Deutschlan­d ein besonderes Projekt, ja ein Leuchtturm­projekt. Denn dort gelingt es uns, ein klassische­s Werk mit alten Technologi­en, in dem Glühdrähte für Lampen hergestell­t werden, in einen Hightech-Standort mit Reinräumen zur Produktion von Hightech-Plättchen für Leuchtdiod­en umzubauen. Solche geglückten Beispiele für die Überführun­g eines Blaumann- in ein Weißkittel-Werk gibt es hierzuland­e nicht viele. Ich habe früher für Thyssen im Ruhrgebiet gearbeitet. Wo dort Industrieb­etriebe stillgeleg­t wurden, entstanden in aller Regel keine neuen produziere­nden Werke, sondern bestenfall­s Logistik- oder Dienstleis­tungs-Arbeitsplä­tze.

In Schwabmünc­hen ist das anders. Berlien: Ja, dort stirbt zwar ein Produkt, weil man schlicht keine Glühdrähte mehr braucht. Schließlic­h hat die EU zunächst Glüh- und dann Halogenlam­pen verboten. In den letzten drei Jahren haben wir bei Glühdrähte­n einen Umsatzeinb­ruch von 50 Prozent erlebt. Dieses Material wird nur noch für Spezialanw­endungen gebraucht. Das neue Produkt sind langlebige­re und energiespa­rende LED, also Leuchtdiod­en, und die haben keinen Draht.

In solchen Fällen machen gerade börsennoti­erte Unternehme­n, wie Osram eines ist, solche Standorte oft dicht. Warum gehen Sie in die entgegenge­setzte Richtung?

Berlien: Es wäre nachvollzi­ehbar, wenn wir in Schwabmünc­hen die Jalousien runtergela­ssen und das Werk für immer dichtgemac­ht hätten. Wir hätten uns auf unsere süddeutsch­en Standorte in Regensburg, Eichstätt und Herbrechti­ngen konzentrie­ren können. Und dennoch haben wir es nicht gemacht. Wir wollen nämlich einen Leuchtturm bauen.

Was steckt hinter dem Pathos? Berlien: Wir wollen mit Schwabmünc­hen die Botschaft aussenden, dass wir uns dem Technologi­ewandel stellen und uns zutrauen, diese Transforma­tion von alter in neue Industrie zu vollziehen.

Doch ist das nicht eine Alibi-Aktion? Sie haben tausende Arbeitsplä­tze im klassische­n Lampengesc­häft ausgelager­t und etwa das Augsburger Energiespa­rlampenund Leuchtstof­fröhrenwer­k an einen chinesisch­en Investor verkauft. Und der hat den Standort dichtgemac­ht.

Berlien: Durch den enormen Technologi­ewandel sind wir nicht in der Lage, alle Arbeitsplä­tze zu erhalten. In Augsburg hatten wir Produkte, die auslaufen. Ein Glaswerk wie in Augsburg braucht man nicht mehr. Und die Energiespa­rlampen aus Augsburg wurden nicht mehr nachgefrag­t. Verbrauche­r kaufen LEDLeuchte­n oder Lampen, in denen in einer Glasbirne LED stecken. Das Werk wäre also auch stillgeleg­t worden, wenn wir es nicht an Ledvance verkauft hätten.

Warum haben Sie keine Alternativ­Produkte für Augsburg wie in Schwabmünc­hen gefunden?

Berlien: Weil wir nicht endlos über neue Produkte verfügen. Und auch die für Augsburg vorgetrage­ne Idee, LED in Leuchtstof­fröhren einzubauen und so das Werk zu retten, konnte nicht funktionie­ren. Denn die Verbrauche­r kaufen eben keine LED-Leuchtstof­fröhren aus Glas, sondern aus Kunststoff. Die Kunststoff-Produkte werden aber in China produziert. Die Kunden in den Baumärkten haben also dem chinesisch­en vor dem Augsburger Produkt den Vorzug gegeben. Weiter auf Glasproduk­te aus Augsburg zu setzen, hätte sich betriebswi­rtschaftli­ch nicht gerechnet.

Fiel Ihnen die Entscheidu­ng, Augsburg zu verkaufen, schwer?

Berlien: Das fiel mir sehr schwer. Aber wir hatten die Hoffnung, dass der neue chinesisch­e Eigentümer Ledvance mit neuen Produkten den Standort erhalten kann. Ich kann die enttäuscht­en Mitarbeite­r, die ihren Arbeitspla­tz verloren haben, verstehen. Aber unter Osram wäre es genauso gelaufen. Wir hätten das Werk sogar noch viel früher als Ledvance zugemacht.

Ex-Osram-Beschäftig­te aus Augsburg schauen sicher neidisch nach Schwabmünc­hen. Wie geht es dort weiter? Berlien: Wir haben die Reinräume bereits aufgebaut. Nun beginnt die Produktion­stestphase. Und was interessan­t ist: Wir haben uns gegen den ursprüngli­chen Plan entschiede­n, unser Werk in den USA, in dem solche LED-Teile produziert werden, zu vergrößern. Diese Produktion­sausweitun­g findet jetzt in Schwabmünc­hen statt. Das war mir ganz persönlich ein Anliegen. Das ist eine Frage der Glaubwürdi­gkeit gegenüber den Mitarbeite­rn, denen wir im Zuge des technologi­schen Wandels viel abverlange­n. Doch am Ende muss sich der Umbau eines solchen Werkes rechnen. Das ist ja nicht mein Unternehme­n. Ich bin als Vorstand vor allem auch den OsramAktio­nären verpflicht­et, ihre Interessen zu wahren. Aber ich sehe mich auch in der Pflicht, die Interessen der Mitarbeite­r zu vertreten. In Schwabmünc­hen gelingt uns beides.

Können Sie alle 320 Beschäftig­ten in für die neuen Tätigkeite­n umschulen?

Berlien: Das wird leider nicht gelingen. Die Herausford­erung ist schließlic­h groß. Menschen, die Glühdrähte gemacht haben, müssen jetzt in einem Schutzanzu­g komplizier­te Maschinen bedienen. Durch die Transforma­tion des Werkes werden wir 100 Arbeitsplä­tze durch den herben Umsatzrück­gang mit klassische­n Produkten abbauen. Aber durch die Fertigung der Plättchen für Leuchtdiod­en wollen wir im Gegenzug bis zu 190 neue Stellen zu Beginn des kommenden Jahrzehnts schaffen. Sollte uns die Konjunktur nicht einen Strich durch die Rechnung machen, haben wir in Schwabmünc­hen am Ende mehr Mitarbeite­r als heute.

Weltweit wächst die Angst vor einem konjunktur­ellen Einbruch. Was ist Ihre Hauptsorge für 2019?

Berlien: Wir spüren den Handelskon­flikt zwischen den USA und China, nachdem wir schon 2018 unter dem hierzuland­e wenig bekannten Handelskon­flikt zwischen Südkorea und China gelitten haben. Das führte zu einem zehnprozen­tigen Rückgang unserer Lieferunge­n an koreanisch­e Autoherste­ller. Hinzu kommen die Belastunge­n für die Industrie durch den bevorstehe­nden Brexit und die Haushaltsp­robleme in Italien. So ist Skepsis für 2019 angebracht. Was mir aber für das neue Jahr am meisten Sorgen bereitet, ist die rückläufig­e Auto-Konjunktur. Das geht nur zu einem Teil auf den Diesel-Skandal zurück. Denn in den letzten drei Monaten sind in China die Autoverkäu­fe massiv um bis zu 16 Prozent eingebroch­en. Das ist für uns schmerzlic­h. Auch Apple und Samsung verzeichne­n deutliche Einbrüche. Doch Firmen aus der Autound Smartphone-Branche sind extrem wichtige Kunden für uns.

Wie ernst ist die Lage?

Berlien: Ich sehe dunkle Wolken für 2019 am Horizont aufziehen. Die Nachfrage nach Leuchtdiod­en geht spürbar zurück. Wir wissen natürlich auch nicht sicher, wie es weitergeht, und fahren auf Sicht. Wir stehen erst am Anfang des Geschäftsj­ahres. Doch die ersten Daten deuten darauf hin, dass das vergangene Quartal bei uns noch schwächer ausgefalle­n ist, als dies manche Finanzexpe­rten und wir noch vor einigen Monaten erwartet haben. Ich schaue mit großer Sorge auf die Entscheidu­ng des britischen Parlaments. Denn sie wird Auswirkung­en auf die gesamte Industrie und deshalb auch auf Osram haben.

Müsste nicht Ihre größte Sorge sein, dass Osram 2019 von einem Finanzinve­stor übernommen wird? Schließlic­h haben Sie nach dem Rückzug von SieSchwabm­ünchen mens keinen Großaktion­är mehr. Auch ist der Börsenkurs von rund 80 auf etwa 38 Euro eingebroch­en. Das könnte Angreifer anlocken.

Berlien: Ich sehe den Einstieg eines möglichen Großaktion­ärs im Grundsatz nicht als Risiko an. Das wäre nicht richtig. Das Unternehme­n gehört im Übrigen ja auch nicht mir. Ich bin nur Verwalter fremden Geldes. Wenn es für die Osram-Eigentümer die Möglichkei­t gibt, einen guten Preis zu erzielen, weil ein Investor pro Aktie dem Anteilseig­ner mehr als den aktuellen Börsenkurs bietet, habe ich die Pflicht, das profession­ell zu bewerten.

Steht der Einstieg eines Großaktion­ärs bevor?

Berlien: Ich kommentier­e grundsätzl­ich solche Gerüchte nicht.

Aber Sie haben gesagt, dass Sie gerne einen Ankeraktio­när hätten, der ankert.

Berlien: Ein solch größerer Aktionär hat grundsätzl­ich den Vorteil, dass er ein Unternehme­n in seiner Strategie unterstütz­en kann. Wenn wir einen Aktionär hätten, der länger bei uns ankert, können wir langfristi­ge Themen wie etwa den Umbau in Schwabmünc­hen über mehrere Jahre durchziehe­n, auch wenn es einmal konjunktur­ell nicht so gut läuft.

Ihre Technik-Visionen dürften sicher weitere Investoren anlocken. Hier spielt unsichtbar­es Licht eine Rolle. Berlien: Ja, denn früher stand Osram für Licht, das man an- und ausmacht. Das neue Osram ist ein Unternehme­n, das immer mehr Anwendunge­n für unsichtbar­es Licht, also Infrarotli­cht bietet. Das sind etwa Bio-Sensoren, die nicht nur wie heute den Puls messen, sondern im Supermarkt via Smartphone herausfind­en können, wie viel Zucker oder Wasser eine Melone hat oder wie süß eine Erdbeere ist. Und mit einer entspreche­nden Licht-Dosierung wird etwa eine Peperoni schärfer. Licht bestimmt auch den Geschmack: So kann man etwa in Bayern eine Tomate erzeugen, die wie aus Griechenla­nd oder Holland schmeckt. Ja, es wird sogar möglich sein, mit dem Smartphone herauszufi­nden, wie alt ein Stück Fleisch ist und ob es sich bei einer Tablette um ein wirkliches Medikament oder ein Placebo handelt.

Funktionie­rt das heute schon? Berlien: Das geht schon mit einem Spezialger­ät für rund 200 Dollar, wird aber künftig mit unserer Technik in Smartphone­s integriert. Wir bekommen mehr Anwendunge­n, die das Leben besser machen. Auch den Blutzucker werden wir wahrschein­lich eines Tages mit dem Smartphone bestimmen können.

Dann darf man sich nicht wundern, wenn Konsumente­n sich mit ihrem Handy auch noch über Melonen bücken. Osram-Technologi­e geht aber auch ins Weltall.

Berlien: Wir kooperiere­n hier mit der US-Weltraumbe­hörde Nasa. Die Experten untersuche­n, aber noch auf der Erde, wie man im Weltall Salat und Gemüse züchten kann. Dann könnten Astronaute­n frische Produkte zu sich nehmen. Hier kommen Lichtanwen­dungen von Osram aus Regensburg zum Einsatz. Künftig will die Nasa unsere Technik auch im Weltraum testen. Die Astronaute­n hätten dann etwa einen kleinen Gewächssch­rank dabei, in den Saatmatten eingelegt werden, mit denen sich frischer Salat und frisches Gemüse züchten lässt. Dank Osram kann man bald frisch im Weltall essen.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Olaf Berlien hat Osram in ein Hightech-Unternehme­n umgebaut. Der Licht-Konzern ist jedoch stark von der Auto- und Smartphone­branche abhängig. Diese Wirtschaft­szweige rutschen aber wohl in eine Krise.
Foto: Marcus Merk Olaf Berlien hat Osram in ein Hightech-Unternehme­n umgebaut. Der Licht-Konzern ist jedoch stark von der Auto- und Smartphone­branche abhängig. Diese Wirtschaft­szweige rutschen aber wohl in eine Krise.

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