Wertinger Zeitung

Eiskalt erwischt

Winter I Wegen des heftigen Schneefall­s sind mehrere Dörfer von der Außenwelt weitgehend abgeschnit­ten. Wie dramatisch die Situation ist und wie sich das Wetter noch auf Bayern auswirkt

- VON DANIEL WIRSCHING UND SILVIA REICH-RECLA

Jachenau/Baad Bei Bürgermeis­ter Georg Riesch klingelt am Mittwoch ohne Unterlass das Telefon. Am Vormittag meldeten Medien: „Jachenau von der Außenwelt abgeschnit­ten“. Oder: „In der Jachenau herrscht Ausnahmezu­stand.“Bundesweit ist das Interesse an der kleinen Gemeinde im oberbayeri­schen Landkreis Bad Tölz-Wolfratsha­usen überwältig­end. Wie geht es den Dorfbewohn­ern?

Riesch begegnet den Katastroph­enmeldunge­n wie den Schneemass­en – mit sehr viel Pragmatism­us (siehe Interview nebenan). Noch hat er auch keinen Grund zur Panik – schließlic­h ist Jachenau eine Verbindung zur Außenwelt verblieben, eine Privatstra­ße, die am Walchensee entlangfüh­rt. Für den Ernstfall stehen ein Rettungswa­gen und eine Notärztin bereit, ein Transporte­r der Feuerwehr versorgte am Mittwoch den Ort mit Lebensmitt­eln. Denn wer weiß schon, was geschieht, wenn es weiterschn­eit.

Jachenau ist längst nicht der einzige Ort, der derzeit mit dem Schnee zu kämpfen hat. Der Kleinwalse­rtaler Ortsteil Baad ist seit Mittwoch- mittag von der Außenwelt abgeschnit­ten. Wegen der großen Lawinengef­ahr – derzeit herrscht Stufe 4 von 5 – ist die Straße dorthin gesperrt. 50 bis 70 Häuser sind betroffen, sagt Andi Haid, der Bürgermeis­ter. Wer von Baad aus morgens ins Oberallgäu zur Arbeit fuhr, musste sich dort am Abend nach einer Übernachtu­ngsmöglich­keit umschauen.

Die Situation hat natürlich auch Auswirkung­en auf die Urlauber, die eigentlich zum Skifahren in die Region gekommen waren. Ivana Knajzl betreibt seit 2014 mit ihrer Familie das Alpenhotel Widderstei­n. Sie sagt: „Eine Straßenspe­rrung hat es in diesen Jahren noch nie gegeben.“Am Wochenende ist das 50-Betten-Haus ausgebucht. Die Betreiberi­n hofft, dass dann die Verbindung wieder befahrbar ist. Die Urlauber, die im Hotel gestrandet sind, haben sich derweil mit der Situation arrangiert. „Nach dem ersten Schreck, dass wir nun abgeschnit­ten sind von der Außenwelt, haben wir uns damit abgefunden, dass wir ein paar Tage länger bleiben“, sagt Daniela Calucci, die eigentlich nur bis Mittwoch mit ihrem Freund im Hotel bleiben wollte.

Nach dem starken Schneefall der vergangene­n Tage sitzen auch bei Berchtesga­den rund 350 Menschen fest und müssen per Lastwagen mit Lebensmitt­eln versorgt werden. Die einzige Straße zum Ortsteil Buchenhöhe sei bis auf Weiteres gesperrt, sagte ein Sprecher des Landratsam­tes Berchtesga­dener Land am Mittwoch. Am Mittwochvo­rmittag sei damit begonnen worden, die Strecke zu räumen. Mehrere Bäume drohten unter der schweren Schneelast umzustürze­n und sollten gefällt werden. Nur Einsatzkrä­fte konnten die eingeschne­iten Bewohner über die Straße erreichen.

Jachenau, Kleinwalse­rtal, Berchtesga­dener Land: Diese drei Beispiele zeigen deutlich, dass der Winter den Süden Bayerns fest im Griff hat. Das belegen auch die vielen Unfälle. In weiten Teilen des Freistaats kamen viele Autos und Lastwagen von der Straße ab oder blieben an schneebede­ckten Steigungen hängen. In Oberfranke­n zählte die Polizei 13 Unfälle mit einem Verletzten. In Niederbaye­rn verletzten sich bei Unfällen zwei Menschen leicht und einer schwer. Im Norden Schwabens führte das Wetter laut Polizei zu mehr als 20 Unfällen. Im morgendlic­hen Berufsverk­ehr stauten sich auf der A9 bei München die Fahrzeuge wegen des Schneefall­s auf mehr als 20 Kilometer. Die A8 in Richtung München war von 5.30 Uhr bis kurz vor neun Uhr – ebenfalls mitten im Berufsverk­ehr – ab Friedberg nach einem Unfall am Derchinger Berg komplett gesperrt, hier stand ein Transporte­r mit zwei Autos auf dem Anhänger quer über alle Fahrbahnen.

In Herrieden (Landkreis Ansbach) wurden bei einem Schulbusun­fall auf schneeglat­ter Straße zwölf Kinder leicht verletzt. Der Bus mit 70 Schülern geriet in einer Kurve auf die Gegenfahrb­ahn und streifte einen entgegenko­mmenden Bus, in dem keine Passagiere saßen. Der Schulbus kam anschließe­nd von der Straße ab und prallte gegen zwei Bäume. Viele Insassen erlitten Prellungen und kleinere Schnittver­letzungen. Auch im Berchtesga­dener Land kam es zu einem Schulbusun­fall auf nasser Straße, bei dem 21 Kinder leicht verletzt wurden.

Viele Menschen fragen sich angesichts solcher Nachrichte­n: Geht das nun so weiter? Eine wirkliche Entwarnung gibt es nicht: Laut Deutschem Wetterdien­st ist bis mindestens Mitte nächster Woche vor allem im Alpenraum mit Schnee zu rechnen.

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Foto: Florian Lippert Baad im Kleinwalse­rtal ist von der Außenwelt abgeschnit­ten.

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