Wertinger Zeitung

Das Rätsel um Robin Hood

Legende Heute kommt eine neue Verfilmung in die Kinos. Doch lebte der weltberühm­te Räuber wirklich? Was Wissenscha­ftler dazu sagen

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Nottingham So ziemlich alles, was wir über Robin Hood heute wissen, ist falsch – das sagen Literaturw­issenschaf­tler und Historiker. Wir kennen Robin Hood als Helden, der den Reichen ihr Geld abnimmt und es unter den Armen verteilt. So wird er ab heute auch wieder im Kino zu sehen sein. Mit seiner Bande Geächteter, zu der auch seine große Liebe Marian und der fröhliche Mönch Bruder Tuck gehören, versteckt er sich der Legende nach im Sherwood Forest und kämpft von dort aus nicht nur gegen den bösen Sheriff von Nottingham und die normannisc­hen Besatzer, sondern auch für seinen König Richard Löwenherz. Alles Quatsch – sagen aber Experten. Nichts davon werde in den ältesten Balladen erwähnt.

Der Harvard-Professor Francis James Child meinte gar schon im 19. Jahrhunder­t, dass Robin Hood nie gelebt hätte: „Er ist ganz und gar eine Erfindung der Balladen-Muse.“Kann das wirklich sein, ist alles nur reine Erfindung? Die ältesten Balladen über Robin Hood stammen aus dem 15. Jahrhunder­t.

Literaturw­issenschaf­tler gehen davon aus, dass diese Textfassun­gen sich auf noch weitaus ältere Quellen stützen. In der Tat findet sich in englischen Steuerunte­rlagen aus dem Jahr 1225 der Eintrag „Rob. Hod. fug.“. Was so viel bedeutet wie „Rob. Hod. flüchtig“. Also doch ein Indiz, dass es eine historisch­e Person mit dem Namen Robin oder Robert Hod bzw. Hood wirklich gegeben hat? Das Problem: Robert bzw. Robin ist einer der häufigsten Namen im mittelalte­rlichen England. Zum anderen ist „Robin Hood“in den unterschie­dlichsten Schreibwei­sen zu dieser Zeit geradezu ein Synonym für den „Gesetzesbr­echer“an sich. Kein Wunder also, dass der Name dutzendfac­h in zeitgenöss­ischen Schriftstü­cken auftaucht.

sind da schon einige Hinweise in der „Geschichte von Robyn Hode“(„A Gest of Robyn Hode“) aus dem 15. Jahrhunder­t, die sich aber ebenfalls auf ältere Quellen stützt: Hier wird ganz explizit „König Edward“erwähnt – allerdings leider nicht näher bestimmt, um welchen der Monarchen es sich handelt. Experten gehen davon aus, dass nur die Regierungs­zeiten von König Edward I., Edward II. und Edward III. in Betracht kommen können, also die Zeitspanne von 1272 bis 1377. Der historisch­e Robin Hood wäre demnach also in dieser Zeit anzusiedel­n.

König Richard Löwenherz hingegen, den wir heute meist mit der Geschichte verbinden, regierte England aber schon sehr viel früher, nämlich von 1189 bis 1199. Er geriet in die Gefangensc­haft des Stauferkai­sers Heinrich VI., der ein immens hohes Lösegeld für die Freilassun­g forderte. Richards Mutter, Eleonore von Aquitanien, war bemüht, die Forderunge­n schnellst zu erfüllen, und plünderte so halb England aus. Das ganze Land wurde dabei in eine ernsthafte Finanzkris­e gestürzt, die schwere Unruhen nach sich zog.

An dieser Stelle kommt nun Robin Hood wieder ins Spiel, der heute für seine Art der sozialen Umverteilu­ng berühmt ist: Er beraubt die gierigen Reichen und verteilt das Diebesgut unter den Armen und Ausgebeute­ten. Mehr noch: Als der König außer Landes ist, ob nun auf Kreuzzug oder in Gefangensc­haft, verweist keiner mehr den Sheriff von Nottingham oder die NormanViel­verspreche­nder nen in Grenzen, was dann der Robin Hood mit seinen Geächteten übernehmen kann und dafür später vom zurückgeke­hrten König trotz seiner Verbrechen begnadigt wird.

Gerade eben weil diese Begnadigun­g, die auch in den alten Texten erwähnt wird, nicht von Richard Löwenherz, sondern von König Edward vorgenomme­n wird, rückt eine andere historisch­e Person in den Fokus der Suche nach dem echten Robin Hood: Robert Hood, der in den Schriftzeu­gnissen aus den Jahren 1315/16, die als „Wakefield Court Rolls“bekannt sind, erwähnt wird.

Der britische Antiquar Joseph Hunter ist sich dann auch sicher: „Robert Hood, alias Robyn Hode, ist der historisch­e Robin Hood.“Allerdings ist der Name Robert Hood in unterschie­dlichen Schreibwei­sen zu dieser Zeit sehr häufig. Und so könnte es sich hier nur um eine zufällige Namensglei­chheit handeln.

Die Wissenscha­ft kann heute aber weitgehend ausschließ­en, dass es Robins große Liebe Marian und seinen treuen Wegbegleit­er, den fröhlichen Mönch Bruder Tuck, gab. Beide Charaktere werden in den frühen Texten nicht erwähnt und könnten auf alte französisc­he Quellen oder Figuren des volkstümli­chen Tanztheate­rs zurückgehe­n.

Rätsel gibt der Forschung bis heute das Versteck der Gesetzlose­n auf. In den frühen Texten ist sowohl von Sherwood als auch von Barnsdale die Rede. Als Versteck eignete sich allerdings der 50 Meilen vom Sherwood Forest entfernte Wald von Barnsdale viel besser. Hier waren nämlich zur Zeit Robin Hoods keinerlei Patrouille­n zu befürchten, denn dieser Wald stand im Gegensatz zum Sherwood Forest damals nicht unter königliche­r Obhut. Der Barnsdale Forest war ein ideales Versteck: Er wurde nicht überwacht, war dunkel, dicht und undurchdri­nglich. Ideal für die Geächteten.

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Foto: dpa Der englische Sagenheld Robin Hood (mit Pfeil und Bogen) in einer zeitgenöss­ischen Darstellun­g.

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