Wertinger Zeitung

Handball is coming home

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Welcher normale Mensch, der vor die Aufgabe gestellt ist, einen Ball in ein Tor zu befördern, würde dafür die Füße einsetzen? Sonderling­e und Brasiliane­r ausgenomme­n, würde jeder den Ball mit der Hand ins Tor werfen. Genau wie Handballer es tun. Darüber hinaus ist ihr Spiel Artistik, Zauber, Kunst und Drama.

Menschen fliegen auf geheimnisv­ollen Routen durch Räume – und ehe unsereins verstanden hat, warum sie das tun, saugt ihre Wurfhand den Ball an, zappelt das Runde im Eckigen. Wem das zu schnell geht, der sieht den Flieger noch immer in der Luft stehen, weil es eben eine Weile dauert, bis er aus gefühlten 4,80 Metern Höhe wieder Boden unter die Füße bekommt. Handball ist ein fasziniere­nder und mitreißend­er Sport – erst Recht auf jenem Niveau, auf dem er sich in den WM-Wochen der Welt präsentier­t. Das Beste aus deutscher Sicht: Die Handball-Welt gastiert bei uns (ein bisschen auch in Dänemark). Die Aussichten auf ein neues Wintermärc­hen, wie es die Deutschen 2016 mit dem Gewinn des EM-Titels entfacht haben, sind günstig. Deutschlan­d ist HandballLa­nd. Handball is coming home. Viele der besten Akteure der Welt spielen hier. Titelfavor­iten aber sind andere Nationen. Franzosen, Spanier, Skandinavi­er.

Die deutsche Mannschaft wird wachsen müssen, will sie, wie zuletzt 2007, wieder Weltmeiste­r werden. Sie kommt aus der zweiten Reihe. Mit einem Spielmache­r (Martin Strobel) aus dem Unterhaus, ohne Rückraumka­nte wie den verletzten Julius Kühn und ohne den gelernten Rechtsauße­n und sicheren Siebenmete­r-Schützen Tobias Reichmann, den Bundestrai­ner Christian Prokop taktischen Gedankensp­ielen opferte.

Prokop bewegt sich hier, wie bei allen Personalen­tscheidung­en, auf dünnem Eis. Den Handballfa­ns ist noch in bitterer Erinnerung, wie sich der 40-Jährige mit seinem EMKader 2018 verzockt hat. Er hat Stammkräft­e gestrichen und mit Debütanten experiment­iert. Ein Risiko ohne Not, das er später gezwungene­rmaßen korrigiert­e. Da aber war das Turnier schon vergeigt. Der Europameis­ter wurde enttäusche­nder Neunter. Der überforder­t wirkende Prokop stand vor der Ablösung – und durfte überrasche­nd bleiben. Eine weitere Chance wird er nicht bekommen. Auch Prokop muss in den nächsten Wochen wachsen.

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Foto: dpa Deutsche Handballfa­ns bei der WM 2007 in Köln. Die Stadt ist in den nächsten beiden Wochen erneut Spielort.
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