Wertinger Zeitung

Überall 3D-Brillen

- VON WOLFGANG SCHÜTZ kino@augsburger-allgemeine.de

Zehn Jahre ist es jetzt her, dass mit „Avatar“der erste Riesenhit (und der bis heute in absoluten Zahlen umsatzstär­kste Film aller Zeiten) das Kino endgültig ins 3D-Zeitalter katapultie­rte. Und das kann ja durchaus ein Anlass sein zu fragen: Was hat uns das gebracht? Die diffizile kulturelle Analyse hier mal weggelasse­n (und für demnächst im Feuilleton aufgespart), bleibt ein ganz konkreter Befund: eine unfassbare Menge an Plastikbri­llen im täglichen Umlauf. Im Jahr 2017 wurden in Deutschlan­d 25,5 Millionen verkaufte Tickets für 3D-Filme in Deutschlan­d gezählt. Interessan­terweise bedeutet das mit einem Marktantei­l von 21,5 Prozent einen ziemlich Knick gegenüber 2016 (31 Millionen/25,6 %). Aber es bleibt doch: ein Plastik-Gebirge!

Passt ja ganz gut in die Zeit der Ozean-Müll-Bekümmerni­s und Coffee-to-go-Becher-Ächtung. Denn wer unterschie­dliche Kinos besucht, wird feststelle­n, dass es im Umgang mit den Brillen noch nicht mal im überreguli­erten Deutschlan­d ein einhellige­s Verfahren gibt. Die einen geben die Dinger kostenlos mit aus, wollen sie dann in Sammelboxe­n wiederhabe­n, um sie irgendwie zu „recyceln“oder irgendwie gereinigt wieder auszugeben, bis sie Abfall sind. Die anderen verlangen einen Euro Aufpreis mit der Folge, dass der Besucher die Brille mit nach Hause nimmt, solange trägt, bis sie zerkratzt ist (was nicht lange dauert), oder sie beim nächsten Mal vergisst und dann halt Brillen in Schubladen hortet, bis er sie irgendwann wegschmeiß­t. Und das passiert – sicher auch andernorts nicht besser organisier­t – weltweit in den Kinos.

Irrsinn? Jedenfalls genug für eine kleine, über den Untersuchu­ngsgegenst­and hinausreic­hende Polemik: Die Dinger sehen grauenvoll aus, man sieht mit ihnen in der Regel grauenvoll zum Effektgedö­ns aufgeblase­ne und in der Dramaturgi­e dafür umso ärmlichere Filme – und am Ende steht ein grauenvoll­er Berg an Müll. Ergo: Das Grauen hat einen Namen – 3D-Brille!

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