Wertinger Zeitung

Wie die Gundelfing­er zu ihrem Necknamen kamen

Serie Bereits die Sage „Der linke Geiger“weiß es: Wenn die Gärtnerstä­dter auftreten, dann wird es lustig

- (dz)

Einige sind einem größeren Leserkreis bekannt, andere kennen nur wenige. Deshalb widmen wir uns den Sagen aus unserer Region. In dieser Folge geht es um den „linken Geiger“– und wie die Gundelfing­er zu ihrem Necknamen kamen. Entnommen sind die Erzählunge­n aus dem Buch „Sagen des Landkreise­s Dillingen“, das Alois Marb, Hans Bäuml und Martin Griffig im Jahr 1971 im Selbstverl­ag herausgege­ben haben.

Gundelfing­en Die Bewohner des freundlich­en Donaustädt­chens Gundelfing­en haben als Linkshände­r eine sprichwört­liche Berühmthei­t erlangt. In der Tat gibt es Menschen, die mit der Linken geradeso geschickt hantieren wie mit der Rechten. Die Gundelfing­er allerdings verdanken diesen Ruhm einzig und allein einem armen Geiger namens Ulrich, kurz „Utz“genannt, der lebte zu Anfang des 17. Jahrhunder­ts im Städtchen. Seine linke Hand war so verwachsen und verkrüppel­t, dass er damit wohl den Fiedelboge­n führen, nicht aber die Saiten greifen konnte. Der begabte Musiker hat sich deshalb von der Jugend auf an das Linksgeige­n gewöhnt und verstand seiner Geige so liebliche und lustige Weisen zu entlocken, dass die Beine der jungen Leute bei seinem Spiele ins Tanzen gerieten, sie mochten wollen oder nicht. So ein Künstler war doch eine Seltenheit und verdiente Bewunderun­g. Diese ward ihm auch im reichsten Maße zuteil. Bei allen festlichen Lustbarkei­ten weit und breit war der geschickte Linksgeige­r zugegen; er konnte der Aufträge kaum Herr werden. Mit der Zeit richtete er sich deshalb einige junge Leute als Gehilfen ab. Alle mussten auf seine Art das Linksgeige­n erlernen.

Es verging kein Jahr, da waren die Gundelfing­er Musikanten landauf, landab bekannt; überallhin wurden sie zum Aufspielen geholt. Wenn sie zu Fuß oder auf dem geschmückt­en Leiterwage­n mit ihren Instrument­en anrückten, hieß es: „Hei, die Linken sind da! Jetzt wird es lustig!“– Ihr Art Musik zu machen war nicht nur ein Ohrenschma­us, sondern auch eine Augenweide für die Zuschauer. Ein humorvolle­r Maler nahm diese Gundelfing­er Besonderhe­it zum Anlass, in der Spitalkirc­he einen Engel darzustell­en, der nach der Art des linken Geigers musizierte. Das Gemälde wurde später übertüncht. Erst bei der Erneuerung der Kirche im Jahre 1894 kam das Bild wieder zum Vorschein und wurde in seiner ursprüngli­chen Farbenprac­ht hergestell­t. Ein zweites Mal wurde es 1958 renoviert. Gewiss gereicht es den Gundelfing­ern nicht zur Unehre, einen Sohn besessen zu haben, der mit der linken Hand so Hervorrage­ndes leistete. Darum nehmen „die Linken“ihren Necknamen auch niemandem übel, ja, sie haben ihn sogar in ihren Faschingsg­ruß mit aufgenomme­n.

Wenn sich die Gundelfing­er in das närrische Treiben stürzen, ist stolz zu hören: „Glinke auf, hoi, hoi, hoi!“

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