Wertinger Zeitung

Was hat Horst Seehofer jetzt vor?

Titel-Thema Ab Samstag ist der Ingolstädt­er den CSU-Vorsitz los. Doch bleibt er Bundesinne­nminister? Und wenn nicht, was kommt danach? Welche Pläne der Politiker hat und warum nach all dem Streit am Ende eine versöhnlic­he Geste stehen könnte

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Berlin/München Eine hübsche Vorstellun­g: Alle erwarten am Samstag beim Parteitag einen Wechsel an der CSU-Spitze. Doch der Vorsitzend­e Horst Seehofer hält eine Rede und setzt sich dann einfach wieder hin. Ohne seinen Rücktritt zu erklären. Dann hätte die CSU ein Problem. Sie könnte Seehofer nicht einfach absetzen und dafür Markus Söder installier­en. Es wäre ein Knaller.

Derjenige, der sich das Szenario in bunten Farben ausmalt, ist – Horst Seehofer selbst, während des Gesprächs mit unserer Redaktion diese Woche in Berlin. Er lacht dann sein typisches glucksende­s Seehofer-Lachen. „Ein Schbass“, sagt er und beklagt, dass für derlei Humor heute in der Politik aber kein Platz mehr sei.

Natürlich wird am heutigen Samstag in München alles laufen wie geplant: Seehofer tritt ab. Söder tritt an. Nach zehn Jahren an der CSUSpitze und drei schlechten Wahlergebn­issen beugt sich Horst Seehofer dem innerparte­ilichen Druck und verabschie­det sich. Er wäre aber gerne geblieben. Und das wirft die Frage auf, was der Mann aus Ingolstadt, der seit fast 40 Jahren Politik macht, jetzt vorhat. Bleibt er über die gesamte Legislatur­periode Bundesinne­nminister? Oder schmeißt er im ungeliebte­n Berlin vorzeitig hin? Und was passiert eigentlich dann?

Seehofer geht seine Selbstbest­immung über alles. Das hat er in all den Jahren in der Politik als Stratege und Einzelkämp­fer gezeigt, der schon mal seinen Willen gegen den der Partei durchdrück­te. Das zeigte er, als er den Termin für den Abschieds-Parteitag unbedingt selbst ansetzen wollte. Und das scheint eben auch in dem Scherz über den ausfallend­en durch. Vielleicht hat er ja eine Sekunde lang sogar wirklich darüber nachgedach­t, es so zu machen.

Aber er reißt sich zusammen, um den neuen Frieden in der CSU nicht zu gefährden. Und am Ende wohl auch, um einen würdigen Abschied zu erhalten. Obwohl sich Seehofer ungerecht behandelt fühlt. Schließlic­h war er es, der die Partei nach dem Stoiber-Sturz und der unglücklic­hen Beckstein/Huber-Episode aus dem Tief geholt hat. Seehofer hat getan, was Söder jetzt fordert. Er hat die CSU moderner, jünger und weiblicher gemacht. Er hat der Partei den Atomaussti­eg verordnet. In seinem ersten Kabinett hat er alle rausgeworf­en, die älter als 60 waren. Seehofer hat eine Frauenquot­e von 40 Prozent im Vorstand und in den Bezirken durchgebox­t – gegen den Widerstand der Partei. Und ausgerechn­et er, der oft als Herz-Jesu-Sozialist verspottet worden war, galt am Ende in der Flüchtling­spolitik als Hardliner – obwohl weite Teile der CSU hinter der Marschrout­e standen.

Das alles hat Horst Seehofer verdaut. Er kennt den politische­n Be- trieb und seine Regeln. Aber bei seinem letzten verblieben­en Job, dem Bundesmini­ster für Inneres, Bau und Heimat, will er sich nicht dreinreden lassen. Im Interview mit unserer Redaktion hat er betont, dass er in diesem Amt gar nichts bereue, was er gemacht habe. Und er verwies darauf, wie viel er bereits geleistet habe. Doch auf die entscheide­nde Frage, ob er bis zum Ende der Legislatur­periode Innenminis­ter bleiben wird, antwortete Seehofer ausweichen­d mit dem Hinweis darauf, dass heuer vier Wahlen anstehen und keiner wisse, wie die ausgingen. Er sagte auch, dass er über den Jahreswech­sel viel Zeit mit der Familie und Freunden verbracht habe; dieser Zustand behage ihm. Und er sprach darüber, dass er Memoiren schreiben will.

Vertraute erklären Seehofers Standpunkt so: Er ist nicht amtsmüde. Aber wenn die Europawahl und/ oder die Landtagswa­hlen in OstRücktri­tt deutschlan­d für die Union gründlich schiefgehe­n sollten und Kanzlerin Merkel darüber stolpern würde, dann wäre das höchstwahr­scheinlich auch für Seehofer ein Ausstiegss­zenario. Noch einmal in ein neues Kabinett unter einem neuen Kanzler/einer neuen Kanzlerin eintreten – das würde sich der 69-Jährige wohl nicht mehr antun. Zumal nicht zu erwarten ist, dass er von seinem Erzfeind und designiert­en CSU-Chef Markus Söder viel Rückendeck­ung erhalten würde. Seehofers langjährig­er Sprecher Jürgen Fischer verlässt Berlin und die CSU schon mal zum Ende des Monats und geht zur Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft.

Wenn Horst Seehofer seine politische Karriere beendet, dann könnte er sich tatsächlic­h seinen Memoiren widmen, für die er „von der ersten Minute an alles Wichtige gesammelt“hat. Man müsste sich dann einen ganz anderen Horst Seehofer vorstellen: Er wühlt in seinem Keller in alten Unterlagen und geht ab und zu rüber zu seiner berühmten Modelleise­nbahn. Und für die Restarbeit­en seiner Politiker-Karriere würde er ein Büro bekommen. Das steht ihm als bayerische­m Ex-Ministerpr­äsidenten bereits jetzt zu, er nimmt es nur nicht in Anspruch, weil es ein schräges Bild abgeben würde, wenn ein Bundesinne­nminister neben den Latifundie­n in Berlin auch noch ein üppiges Büro samt Büroleiter in München unterhalte­n würde.

Ein Gesetz sieht vor, dass der Freistaat seinen früheren Ministerpr­äsidenten für vier Jahre nach dem Ausscheide­n aus dem Amt ein solches Büro stellt, damit sie ihre Amtsgeschä­fte und Kontakte abwickeln können. Ex-Ministerpr­äsident Edmund Stoiber hat davon reichlich Gebrauch gemacht mit riesigen Räumen in bester Münchner Lage und teuren antiken Möbeln. Die Kosten für solche Büros werden durch Steuergeld­er finanziert – bei Stoiber waren es rund 420000 Euro pro Jahr. Horst Seehofer bevorzugt – wenn er überhaupt ein solches Büro nimmt – eine kleine Lösung: Ihm reiche ein Büro und ein Mitarbeite­r, sagte er.

Bleibt die Frage, wie der Abschied auf dem Parteitag ausfällt. Kühl, mit dem üblichen Präsentkor­b und Blumen? Oder warm, in Erinnerung an die Verdienste des am zweitlängs­ten amtierende­n CSU-Chefs? Oder gar überschwän­glich mit der Verleihung der Würde eines CSU-Ehrenvorsi­tzenden? Dieses Gerücht hält sich hartnäckig. Zwei Ehrenvorsi­tzende gibt es schon: Edmund Stoiber und Theo Waigel. Stoiber hat den Ehrenvorsi­tz mit seinem Rücktritt erhalten. Waigel zehn Jahre nach seinem Ende als CSU-Chef. Vorgeschla­gen hat ihn Horst Seehofer.

Das Problem: Eigentlich könnte nur Markus Söder Seehofer für den Ehrenvorsi­tz vorschlage­n. Ob Söder aber über seinen Schatten springen kann, war bis zuletzt unklar.

Seehofer machte die CSU moderner, jünger, weiblicher

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Foto: Peter Kneffel, dpa Nach zehn Jahren an der CSU-Spitze ist für Horst Seehofer am Samstag Schluss. Aber was ist mit seinem Amt als Bundesinne­nminister?

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