Hinter den Kulissen von Ehrmann
Unternehmen aus der Region Die Allgäuer Molkerei-Firma produziert auch in Russland, Amerika und in Brasilien. Die Geschmäcker sind weltweit verschieden. Wie die Familien-Unternehmer weltweit 2500 Arbeitsplätze aufgebaut haben
Oberschönegg Manche Werbesprüche sind so eingängig, dass sie sich als Stammgäste ins Gedächtnis einquartieren. Da braucht bloß der Name „Ehrmann“erklingen, schon schallt es aus den tiefen Schichten der Erinnerung: „Keiner macht mich mehr an.“Das mit dem Anmachen des Joghurts ist längst eine komplexe Angelegenheit geworden. Es reicht nicht mehr, wie in den 60er und 70er Jahren die Geschmacksnerven der Konsumenten mit nur einigen Sorten zu streicheln.
Damals im Jahr 1964, als der bekannte Almighurt von Ehrmann als „erster Fruchtjoghurt Deutschlands mit kalt eingerührten Früchten“auf den Markt kam, waren die Kühlregale in den Supermärkten gefühlt 20 Mal kleiner. Wer die Wahl zwischen einem Erdbeer-, Himbeer- oder Pfirsich-Joghurt hatte, wirkte zufrieden, ja schien nicht das Bedürfnis nach dutzenden Geschmacksrichtungen zu entwickeln. Zu dieser Zeit lautete die Werbung auch noch: „Ein Stück Allgäu.“Die Ehrmann-Zentrale ist auf alle Fälle in Oberschönegg, einem Ort nordöstlich von Memmingen, beheimatet. Die Milch für die Produkte des Unternehmens kommt immer noch schwerpunktmäßig aus dem Allgäu. Die Trendund Geschmackskundigen des Hauses gehen mit der Zeit. So geben sie fantasievolle Antworten auf den immer stärker werdenden Wunsch der Verbraucher nach opulenter Vielfalt. Schließlich sind die Deutschen Reiseweltmeister und damit auch globale Geschmackstouristen.
Doch auch Kombinationen wie „Käsekuchen-Mandarine“, „Weiße Schokolade-Cocos“oder „Oma’s Apfelkuchen“reichen allein nicht mehr, um die Neugier aller Kunden zu sättigen. Die Ausdifferenzierung der Joghurt-Kultur schreitet konsequent voran. Neu im Ehrmann-Sortiment sind etwa „Chia Citrus“oder „Apfel-Banane-Chia“. Mittlerweile spricht sich herum, dass Chia-Samen zur Gattung des Superfoods gehören, also irgendwie ziemlich gesund sein müssen.
Ehrmann gestaltet den Zeitgeist mit – und ist auch deshalb enorm gewachsen. Auf dem Tisch vor Unternehmens-Chef Christian Ehrmann steht ein Becher mit „High Protein Vanilla Pudding“, eine der NeuKreationen der Allgäuer. In einem solchen natürlich gluten- und lactosefreien 200-Gramm–Becher, dessen Inhalt auch noch fettarm ist und ohne Zuckerzusatz auskommt, stecken 20 Gramm Protein. „Der Protein-Pudding hat einen richtigen Hype ausgelöst“, freut sich Christian Ehrmann. Gerade sei etwa die Nachfrage aus den europäischen Nordländern enorm. Das Unterneh-
macht sich eben auch den Fitnesstrend zunutze.
Doch warum steht der SuperPudding palettenweise ungekühlt vor den Vorstandsbüros der Ehrmann Holding AG? Sind das nur Pudding-Attrappen ohne Inhalt? Die Spezialisten des Hauses weisen sogleich darauf, in jedem Becher sei natürlich Pudding. Nur der lasse sich auch mal ungekühlt länger aufbewahren. Das Geheimnis dieser Rezeptur bleibt genauso unausgesprochen wie die Höhe des Unternehmensgewinns. Doch die Geschäfte müssen bestens laufen, sonst hätte Ehrmann 2018 nicht einen weiteren Expansionsschritt gewagt. Dieses Mal wurden die Fühler nach Brasilien ausgetreckt. Dort ist der Molkerei-Riese mit 51 Prozent in ein Unternehmen eingestiegen, um es einmal ganz zu übernehmen. So-
mit stellt Ehrmann nun auch in Südamerika Milchprodukte her.
In den Vereinigten Staaten sind die Deutschen längst mit zwei Werken vertreten. Für Christian Ehrmann ist der dortige Markt besonders interessant, weil er Milchprodukte zu deutlich höheren Preisen als hierzulande verkaufen kann. Doch die Geschmäcker sind verschieden. Die Amerikaner bevorzugen Früchtequark nach griechischer Art mit wenig Fett. Die Rendite pro Becher ist in den USA deutlich höher als in Deutschland, wo sich auch ein bekannter Markenartikler wie Ehrmann nicht dem durch die großen Handelsketten seit langem geführten Preiskampf entziehen kann.
Christian Ehrmann, der die Discounter auch mit Eigenmarken beliefert, hat früh erkannt: „Wachsen können wir vor allem durch die Ermen
oberung von Auslandsmärkten.“In dem Geschäft sammelte der heute 46-jährige Unternehmer schon als junger Mann in Russland Erfahrungen. „Das Werk dort ist mein Baby“, sagt der schlanke, sportliche Manager mit den hellblonden Haaren. Sein Vater hat ihn hier am rund 50 Kilometer südöstlich von Moskau gelegenen Standort machen lassen. Das russische „Kind“bereitet dem Unternehmer bis heute große Freude: „Das Werk ist erfolgreich. Wir sind die Nummer zwei in unserer Branche auf dem russischen Markt geworden.“
Christian Ehrmann kann Russisch lesen und versteht es auch einigermaßen: „Nur mit dem Reden hapert es.“Auf alle Fälle hat sich der Schritt, vor Ort zu produzieren, ausgezahlt. Die Firma wird in Russland als lokaler Anbieter betrachtet und hat nach eigener Darstellung keine Nachteile durch das Handelsembargo erlitten. So überlegt der Chef, weitere Produktions-Standorte im Ausland zu bauen, nennt aber noch keine Details.
Nachdem Christian Ehrmann, der Molkereimeister und Betriebswirt ist, in Osteuropa aus Sicht seines Vaters die Feuertaufe bestanden hatte, wurde er 2006 Vorstandsvorsitzender der Familienmolkerei. Seine beiden 19-jährigen Söhne – sie sind Zwillinge – liebäugeln auch einmal mit einem Einstieg in die Firma.
Schon Christian Ehrmanns Vater und Onkel waren tatendurstige Männer. Sie investierten nach der Wende in einen sächsischen Standort und beteiligten sich mehrheitlich an dem Unternehmen J.M. Gabler Saliter in Obergünzburg. Die Allgäuer Firma ist bekannt für Kaffeesahne, Kondensmilch und Milchmisch-Getränke.
Wenn Christian Ehrmann Schritt für Schritt Einblicke in sein Unternehmen gewährt, wird klar, warum die Molkerei bei einem Umsatz von 850 Millionen Euro und damit 100 Millionen Euro mehr als im Vorjahr inzwischen weltweit rund 2500 Frauen und Männer beschäftigt, darunter etwa 800 an den beiden Allgäuer Molkerei-Standorten.
Doch die Milch macht’s nicht allein für Ehrmann. Schließlich hat das Unternehmen schon 1989 die Fleischwerke Zimmermann im schwäbischen Thannhausen mit heute rund 250 Beschäftigten übernommen, ein traditionsreiches Unternehmen. Es wurde 1894 gegründet und brachte es einst zum „königlich bayerischen Hoflieferanten“. Die Firma mit etwa 73 Millionen Euro Umsatz kann mit einem Superlativ aufwarten, den Christian Ehrmann in seinem Allgäuer Understatement erst auf Nachfrage preisgibt: „Wir produzieren dort im Jahr 80 Millionen Stück Weißwürste, abgepackt oder in Dosen.“Damit sei Zimmermann der weltgrößte Weißwurst-Produzent.
Der Unternehmer, der drei Mal in der Woche in der Sauna und beim regelmäßigen Laufen Stress abbaut, deutet aus seinem verglasten Büro auf die Silhouette der Allgäuer Alpen: „Den Blick verbaue ich mir bald selbst, denn wir ziehen hier ein hohes Lagergebäude neu hoch.“Auf Christian Ehrmanns Tisch stehen drei Stoffkühe. An der Wand hängen sein Meisterbrief und eine Urkunde des Freistaats Bayern für 25-jährige Betriebszugehörigkeit. Der Unternehmer zeigt auf einen Spaten, der an der Wand lehnt: „Der erinnert mich an den Bau eines unserer Werke in den USA.“Blickt der Molkerei-Experte auf seine Lehrzeit im Betrieb zurück, erinnert er sich: „Damals haben wir rund 80 Millionen D-Mark Umsatz gemacht und 200 Menschen beschäftigt:“Seitdem muss Ehrmann viele Menschen erfolgreich mit den Produkten des Hauses angemacht haben.