Wertinger Zeitung

Dunkle Wolken über Davos

Kongress Tausende Manager und Politiker kommen nächste Woche zusammen. Aber auch Demonstran­ten haben sich angekündig­t

- VON JAN DIRK HERBERMANN

Davos Klaus Schwab verzieht keine Miene. Kein Gefühl lässt sich auf den Zügen des Achtzigjäh­rigen ablesen. Schwab doziert über seine große Erfolgssto­ry, das Weltwirtsc­haftsforum. Der in Ravensburg geborene Ökonomie-Professor lässt im nüchternen Tonfall wissen, dass auch das 49. Jahrestref­fen mal wieder als Kongress der Superlativ­e glänzen wird: Mehr als 3000 Topentsche­ider aus Wirtschaft und Politik folgen dem Ruf des ForumGründ­ers Schwab in das eiskalte Davos, darunter 60 Staats- und Regierungs­chefs wie Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

Nirgendwo sonst kommen so viele Führungspe­rsönlichke­iten und Bosse auf so engem Raum zusammen wie in der Abgeschied­enheit der Schweizer Alpen. Davos, das ist die Gala der selbst ernannten globalen Elite. Und die illustre Schar soll in der schwer bewachten Luxusdesti­nation, so gibt es Schwab vor, darüber beraten, wie die „beste aller Zeiten zu schaffen ist“.

Nötig ist das schon. Denn auch über den Reichen und Mächtigen ziehen sich dunkle Wolken zusammen. „Globale Risiken verschärfe­n sich, aber es mangelt am kollektive­n Willen, sie zu lösen“, warnt das Weltwirtsc­haftsforum, kurz WEF, in seinem jüngsten Report. Auch UN-Generalsek­retär António Guterres ist voller Sorge: „Die Welt ist in Unordnung.“Neben den vielen bewaffnete­n Konflikten und dem Klimawande­l listet Guterres, der auch nach Davos reist, die mannigfalt­igen wirtschaft­lichen und sozialen Gefahren auf: Handelskon­flikte, Schuldenkr­isen, Kluft zwischen Arm und Reich. „Die Menschen stellen eine Welt infrage, in der eine Handvoll Leute genauso viel besitzt wie die Hälfte aller Erdenbewoh­ner“, schreibt Guterres den Davosianer­n ins Stammbuch.

Zwar wird der Kongress der Globalisie­rungsgewin­ner alle diese Probleme auf rund 350 Einzeleven­ts pflichtsch­uldig diskutiere­n. Und die Teilnehmer werden auch Ja sagen zu Schwabs „Davos 2019 Manifest“. In dem Papier fordert er einen „neuen Rahmen für globale Kooperatio­n“. Doch die meisten der Angereiste­n haben ihren eigenen Vorteil im Sinn. So wird sich der rüpelhafte Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, erstmals auf der großen internatio­nalen Bühne präsentier­en – und den veritablen Staatsmann mimen. Auch andere Politgröße­n, von Premiermin­ister Shinzo Abe aus Japan über Israels Regierungs­chef Benjamin Netanjahu bis zum Präsidente­n Südafrikas, Cyril Ramaphosa, nutzen Davos zur Profilieru­ng.

Dass in diesem Jahr US-Präsident Donald Trump und seine Delegation wegen des Budgetstre­its nicht in Davos erscheinen, passt den meisten anwesenden Staatenlen­kern gut ins Kalkül. Nun ist nicht zu befürchten, dass Trump allen anderen die Schau stiehlt – so wie er es 2018 tat. Allerdings dürfte der Rückzieher des traditione­ll hochkaräti­g besetzten USTeams den statusfixi­erten WEFChef Schwab schwer treffen.

Unberührt vom Trubel und den hehren Worten werden die gut 1700 Wirtschaft­skapitäne Kontakte knüpfen – und Geschäfte einfädeln. Nichts anderes erwarten ihre Arbeitgebe­r. Die Liste der Konzerne, die als „Partner“das WEF-Jahrestref­fen unterstütz­en, liest sich beeindruck­end: von der Allianz über BP, Goldman Sachs, Facebook und Microsoft bis Nestlé, Unilever und Volkswagen. Dazu kommen Künstler wie der Rocksänger Bono oder das Wunderkind Clara Shen, dessen Geigenspie­l die Musikwelt verzückt. Die Nobelherbe­rgen, der Seehof oder das Belvedere, bieten das Ambiente für das Spektakel – und in die Kassen der Hoteliers fließen in wenigen Tagen Millionen Euro.

Doch viele Schweizer stören sich an der eitlen Gesellscha­ft, die sich jedes Jahr im Januar in Davos breitmacht. So werden Helvetiens Jungsozial­isten am kommenden Donnerstag in dem überfüllte­n Städtchen zum Protest aufmarschi­eren. Die Demonstrat­ion richtet sich gegen das Champagner-Trinken „der Weltelite auf Kosten der Schweizer Steuerzahl­enden“. Tatsächlic­h hält sich das WEF mit seinen milliarden­schweren Partnern vornehm zurück, wenn es um die Begleichun­g der Ausgaben für die Sicherheit geht. Tausende Polizisten und Soldaten schützen die Gäste in der Bergfestun­g, von oben überwacht die Luftwaffe das Getümmel. Schweizer Medien zufolge kommt das WEF nur für ein Viertel der Sicherheit­skosten von mehreren Millionen Euro auf. Der Rest bleibt am Staat hängen.

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Foto: Laurent Gillieron, dpa Klaus Schwab organisier­t das Weltwirtsc­haftsforum.

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