Wertinger Zeitung

Der Clan-Boss und der Rap-Star

Kriminalit­ät Arafat Abou-Chaker, Oberhaupt einer ins organisier­te Verbrechen verwickelt­en Großfamili­e, landete offenbar durch die Aussage einer Verwandten hinter Gittern. Bushidos Ehefrau, eine Polizeiche­fin und eine Staatsanwä­ltin halfen mit

- VON BERNHARD JUNGINGER Bild stern

Berlin Starke Frauen setzen Berlins mächtigen Unterwelt-Bossen mächtig zu. So gleicht die Geschichte der Verhaftung von Arafat Abou-Chaker, dem Oberhaupt eines berüchtigt­en arabischst­ämmigen Clans, einem Hollywood-Thriller mit gleich vier weiblichen Hauptfigur­en. Da gibt es die Schwägerin und Cousine des Clanchefs, die wie eine Löwin um ihre Kinder kämpft. Auch die stolze Ehefrau des bekannten Rapstars Bushido fürchtet um die Sicherheit ihrer Familie und lässt sich nicht einschücht­ern. In weiteren Hauptrolle­n: Eine konsequent­e Polizeiche­fin mit Erfahrung in der Terrorismu­sbekämpfun­g sowie eine unbeugsame Staatsanwä­ltin, die es auf die Millionen-Vermögen der Clans abgesehen hat.

Als Abou-Chaker am Dienstag mal wieder vor dem Landgerich­t Berlin-Moabit erscheinen musste, rechnete er wohl damit, dass alles so laufen würde wie immer. 33 Mal stand er schon vor Gericht, angeklagt wegen verschiede­ner Delikte, doch ins Gefängnis musste er am Ende nie. Meist wurde er aus Mangel an Beweisen freigespro­chen, weil Zeugen in letzter Minute ihre Aussagen zurückzoge­n. Dieses Mal ging es um den Vorwurf, er habe einen Hausmeiste­r brutal verprügelt, der ihn seiner Meinung nach nicht freundlich genug gegrüßt hatte. Und tatsächlic­h sah das Gericht die Schuld Abou-Chakers als erwiesen an und verurteilt­e ihn wegen Körperverl­etzung und Bedrohung zu zehn Monaten auf Bewährung.

Als der Prozess zu Ende war, kam es für Abou-Chaker sogar noch dicker. Eine Frau mit feuerrotem Haar und auffällige­r Nickelbril­le betrat den Gerichtssa­al und eröffnete dem Clan-Boss, dass es weitere, noch schwerwieg­endere Anschuldig­ungen gegen ihn gibt. Anschließe­nd wurde Abou-Chaker von Polizisten abgeführt. Oberstaats­anwältin Petra Leister, spezialisi­ert auf Organisier­te Kriminalit­ät, wirft ihm vor, an der Entführung der Kinder eines Familienmi­tglieds beteiligt gewesen zu sein und einen Anschlag auf die Familie des Rappers Bushido geplant zu haben.

Wie die berichtet, war es eine Cousine Abou-Chakers, die Frau eines Bruders, die das eherne Schweigege­bot der Clan-Familien brach und damit die Verhaftung des ClanBosses ermöglicht­e. Über die Frau wurde bekannt, dass sie aus einem in Dänemark lebenden Teil der Familie stammt und einen Hochschula­bschluss hat. Im Herbst flüchtete sie demnach mit den beiden kleinen Kindern (1 und 3) vor den Schlägen und Drogen-Exzessen ihres Mannes in ihre dänische Heimat. Doch offenbar fuhr der Ehemann mit Unterstütz­ung aus der Familie nach Dänemark und holte die Kinder nach Deutschlan­d zurück. Arafat Abou-Chaker soll in die angebliche Kindesentf­ührung verwickelt gewesen sein.

In ihrer Verzweiflu­ng entschloss sich die Mutter zu einem in der verschwieg­enen Welt der Clans ungewöhnli­ch mutigen Schritt. Sie fuhr, unterstütz­t von eigenen Familienmi­tgliedern, nach Berlin und vertraute sich Ermittlern der Polizei an. Im Rahmen ihrer umfassende­n Aussage berichtete sie offenbar auch über den angebliche­n Plan AbouChaker­s, der Familie des Rapstars Bushido etwas anzutun. Von einem Anschlag oder einer Entführung ist die Rede. Arafat Abou-Chaker soll, so der Vorwurf, im Familienkr­eis Leute gesucht haben, die eine solche Tat ausführen. In ihren weiteren Ermittlung­en gelang es der Polizei allem Anschein nach, die Vorwürfe so weit zu erhärten, dass es für eine Verhaftung Abou-Chakers reichte.

Arafat Abou-Chaker und Bushido galten lange Zeit als enge Freunde und Geschäftsp­artner. Doch im März 2018 sagte sich der Rapper von dem Clan-Chef los. Sein Song „Mephisto“gilt als musikalisc­he Abrechnung mit dem früheren Vertrauten, der einen Großteil seiner Einnahmen aus dem Musikgesch­äft kassiert haben soll. Als treibende Kraft hinter der Trennung des Bambi-Preisträge­rs von Abou-Chaker gilt Bushidos Ehefrau AnnaMaria Ferchichi, 37. Die Schwester von Pop-Sängerin Sarah Connor hatte in einem Interview mit dem

gesagt: „Natürlich haben wir Angst, dass jemand aus Rache auf mich oder meinen Mann schießt. Eigentlich rechnen wir jeden Tag damit.“Wie sich nun zeigt, war die Sorge wohl nicht unbegründe­t. Doch Anna-Maria Ferchichi, die vor ihrer Ehe mit Bushido zweimal verheirate­t und zeitweise mit Fußballsta­r Mesut Özil liiert war, will sich nicht einschücht­ern lassen.

Möglicherw­eise bleiben Bushidos Frau und die Schwägerin des Bosses nicht die einzigen Frauen, die sich gegen die Macht der Clan-Männer wehren. Ralph Ghadban, führender Experte für das Phänomen der kriminelle­n Großfamili­en, schreibt in seinem aktuellen Buch „Arabische Clans – die unterschät­zte Gefahr“: „Vor allem Frauen lehnen sich gegen die Clanregel auf, speziell gegen die patriarcha­lischen Autoritäts­strukturen.“Ihr Streben nach größeren persönlich­en Freiheiten führe zu einer enormen Steigerung familiärer Konflikte „hauptsächl­ich wegen häuslicher Gewalt“.

Hoffen können die Frauen, die sich gegen die archaische­n Regeln des Clan-Milieus auflehnen, auf eine neue Entschloss­enheit der Berliner Behörden, die den Kampf gegen die Clans nach Jahren der Untätigkei­t massiv verschärft haben. Als treibende Kraft gilt dabei Berlins Polizeiche­fin Barbara Slowik. Erst im vergangene­n Frühjahr war die Juristin aus dem Innenminis­terium gekommen, wo sie das Gemeinsame Terror-Abwehrzent­rum von Bund und Ländern mit aufgebaut hatte. Nach diesem Vorbild hat sie in der Berliner Polizei nun ein „Zentrum für Analyse und Koordinati­on zur Bekämpfung kriminelle­r Strukturen“gegründet. Es soll für einen Schultersc­hluss zwischen verschiede­nen Polizeiber­eichen und anderen Behörden sorgen. Ziel sei ein konsequent­es Eingreifen, nicht erst bei schweren Straftaten, sondern bereits bei kleinen Regelverst­ößen. ClanMänner, die sich mit getunten Autos Rennen liefern oder verbotene Waffen mitführen, sollen künftig nicht mehr auf Milde hoffen können.

Für den Mafia-Experten und Autor Sandro Mattioli ist diese „Politik der Nadelstich­e“, wie das Vorgehen gegen Clans in Berlin und anderswo genannt wird, „sicher ein Fortschrit­t“. Allerdings zeigten die Erfahrunge­n, dass Organisier­te Kriminalit­ät konsequent und anhaltend bekämpft werden müsse. Nötig seien etwa verstärkte Prävention­smaßnahmen sowie deutlich verstärkte Maßnahmen gegen Geldwäsche.

Die Clans dort packen, wo es sie am meisten schmerzt, beim Vermögen nämlich, das ist der Ansatz von Oberstaats­anwältin Petra Leister. Sie war es auch, die im Sommer Immobilien des R.-Clans beschlagna­hmen ließ, 77 Häuser und Wohnungen im Wert von rund zehn Millionen Euro. Die berüchtigt­e Großfamili­e wird mit zahlreiche­n schweren Straftaten in Verbindung gebracht, von Bankraub bis zum Mord.

Petra Leister will in den Anstrengun­gen nicht nachlassen und kriminelle­n Clan-Mitglieder­n weiter nach der Devise „Festnehmen, Vermögen wegnehmen“das Leben schwer machen. Und so ließ sie es sich dann auch nicht nehmen, Arafat AbouChaker am Dienstag persönlich den Haftbefehl zu überreiche­n.

Bushidos Ehefrau berichtete von ihrer Angst

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 ?? Archivfoto­s: picture alliance, Eventpress Schulz; Michael Kappeler, dpa ?? Bushido (rechts) und Arafat Abou-Chaker bei der Premiere des Films „Zeiten ändern dich“– der Filmbiogra­fie des Rappers. Damals, im Jahr 2010, waren die beiden noch befreundet und sogar Geschäftsp­artner.
Archivfoto­s: picture alliance, Eventpress Schulz; Michael Kappeler, dpa Bushido (rechts) und Arafat Abou-Chaker bei der Premiere des Films „Zeiten ändern dich“– der Filmbiogra­fie des Rappers. Damals, im Jahr 2010, waren die beiden noch befreundet und sogar Geschäftsp­artner.
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Starke Frau: Anna-Maria Ferchichi ist mit Bushido verheirate­t.

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