Neue Orientierungslosigkeit
Neulich mal wieder versehentlich ohne gelbe Warnweste unter der Dusche gewesen, was einen erschrocken endgültig wach werden und Angst haben ließ vor einer scharfen Verwarnung (ähnlich der, wenn man mal mangels Alternativen den Wagen falsch abgestellt hat auf dem ebenso schlecht geräumten wie vollen Firmenparkplatz). Denn es ist doch so: In diesem Land ist alles für- und vorsorglich geregelt. Das gibt Orientierung und Sicherheit. Parken nur auf den markierten Flächen (wenn keine da sind: Pech), Helmpflicht auf Fahrradwegen (wenn keine da sind: gilt sie umso mehr), Rauchmelder auf dem Abort (da fällt mir jetzt nix ein) – und selbst der Nachbar räumt in vorauseilendem Gehorsam und Warnweste den Schnee, ganz so, als wäre er Gemeindearbeiter oder zumindest Hansi Reichhart, der auf sämtlichen Presseterminen der letzten, verschneiten Tage in einer ebensolchen erschien. Wobei: Die Weste war orange, komme keiner auf den Gedanken, es handele sich wie in Frankreich um den Ausdruck eines irrationalen Protestes gegen den Winter an sich! Zumal nun auch hier die Kommunisten anfangen, die gelben Dinger zu tragen und man nun gar nicht mehr weiß, wer denn nun der Demonstrant ist, wer der Ordner (und wer darüber hinaus nur Schnee räumen will). Ist der warnbewestete Wagenheber-Benutzer nun gesetzestreuer Staatsbürger, ADACMitglied oder doch eher Sarah Wagenknecht? Ist der Arbeitnehmer, der nur rechtzeitig im Büro sein will, ein Anarchist, weil er seine Karre direkt in dem Schneehaufen parkt, der mal eine Feuerwehrzufahrt war? Und ist Kramp-Karrenbauer eigentlich wirklich das, für das sie bislang viele hielten? Fragen über Fragen. Sicherheit? Orientierung? Nix. Das Alte scheint morsch geworden, wir wissen nichts, schenken uns einen ein und duschen morgen wohl wieder à poil, wie der Franzose sagt.