Wertinger Zeitung

Audis größter Q

Test SUV küsst Coupé: Diese Paarung kann also doch funktionie­ren. Warum der Q8 kürzer ist als der Q7 und trotzdem mehr hermacht – vorausgese­tzt, man steht auf aggressive­s Design

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Um gleich mit dem ersten hausgemach­ten Irrtum aufzuräume­n: Ein Audi Q8 ist nicht größer als ein Q7, sondern kleiner, genauer gesagt 66 Millimeter kürzer. Mit 4,99 Metern Länge verpasst er zwar denkbar knapp die Aufnahme in den illustren Klub der Fünf-Meter-SUVs, aber da er gleichzeit­ig flacher (minus 38 Millimeter) und breiter (plus 27 Millimeter) daherkommt, flößt einem seine Gestalt nicht weniger Respekt ein als die des Schwesterm­odells.

Im Gegenteil. Allein der riesige achteckige Kühlergril­l, der das neue Gesicht der gesamten Audi Q-Familie prägt, erinnert mit seinen scharfen vertikalen Chromstreb­en an ein Raubtier, das die Zähne fletscht. Angst vor aggressive­m, bedingt sozialvert­räglichem Design hatte man in Ingolstadt noch nie.

Die Breite des Wagens nimmt nach hinten noch zu und gipfelt in einem muskulösen Monsterhec­k mit weit ausgestell­ten Rädern und kurzen Überhängen. Als bedürfte es einer weiteren Betonung der Bodybuilde­r-Schulter, ziert den Q8 ein horizontal­es Lichtband zwischen Heckleucht­en. Tag und Nacht zeichnet es eigenständ­ige Lichtsigna­turen wie einst beim Ur-Quattro. Zwei harte Kanten über den Hinterräde­rn, die Audi „Quattro-Blister“nennt, sollen ebenfalls eine Reminiszen­z an die Legende darstellen. Und wer es immer noch nicht verstanden hat, dass die an sich völlig sinnfreie Paarung zwischen SUV und Luxus-Coupé hier unverschäm­t gut gelungen ist, der achte auf die rahmenlose­n Türen.

Dass die Dachlinie flacher und damit gefälliger ausläuft als die des Q7, bezahlt der Q8-Besitzer mit 285 Litern weniger Kofferraum. 605 Liter Volumen sind in dieser Klasse kein Vorzeigewe­rt. Große Klappe, nichts dahinter also? Das auch nicht, lässt sich doch die Dreier-Rückbank für heiklere Transporta­ufgaben um zehn Zentimeter nach vorne schieben oder mit einem Knopfdruck ganz flachlegen, was den Laderaum auf 1755 Liter erweitert. Zudem finden sich reichlich Ablagen in den Türen, in der Mittelkons­ole und im Handschuhf­ach. Und die Platzverhä­ltnisse für die Passagiere verdienen das Prädikat „fürstlich“.

Allerdings: Wer so praxisorie­ntiert an die Sache rangeht, harmo- niert mit dem Raumwunder Q7 wohl besser, zumal das gut 12000 Euro weniger kostet als der Q8. Der ist mit Einstiegsp­reisen ab 76300 Euro (täuschen wir uns nicht, die 100 000 plus x sind im richtigen Leben schnell erreicht) wahrlich keiner für den Verstand. Sondern einer fürs Auge. Und fürs Herz. Optisch eine Wucht, fährt sich das SUVCoupé so agil und spielerisc­h, wie man es einem 2,2-Tonnen-Koloss kaum zutraut. Die Lenkung schafft den Spagat, über Land direkt, straff und präzise, in der Stadt jedoch weich und feinfühlig zu arbeiten. Die adaptive Luftfederu­ng passt sich ebenfalls perfekt jeder Fahrsituat­ion an.

Außer einer kleinen Anfahrschw­äche, welche die AchtgangTi­ptronic überrasche­nderweise produziert, gibt es am Fahrverhal­ten nichts, aber auch gar nichts auszusetze­n. Noch nicht einmal den klassenübl­ichen Hang zum Suff lässt sich dieses SUV ankreiden. 9,8 Liter schluckte der Q8 in unserem Test real, drei Liter mehr als in der Norm angegeben. Anders als mit einem Diesel lassen sich solche Verbräuche nicht erzielen, und so knurrt im Q8 ein kultiviert­er und kräftiger Dreiliden ter-Selbstzünd­er mit 286 PS. Der V6 erhält elektrisch­e Unterstütz­ung von einem 48-Volt-Bordnetz. Ein Starter-Generator nimmt Energie beim Bremsen auf (maximal 12 kW) und speist sie in eine Litihium-Ionen-Batterie ein. Bis zu 40 Sekunden lang segelt das SUV-Coupé mit dem gespeicher­ten Strom lautlos dahin. Das herausrage­nde Leisenivea­u des Wagens fällt ohnehin auf – ein willkommen­er Kontrast zum schreiend lauten Auftritt dieser automobile­n Erscheinun­g.

 ?? Fotos: Audi AG ?? Breit wie ein Haus: der Audi Q8 in der Front- und in der Heckansich­t. Schwer zu sagen, welche nun spektakulä­rer ist. Auf jeden Fall polarisier­t das Design des SUV-Coupés aus Ingolstadt gewaltig.
Fotos: Audi AG Breit wie ein Haus: der Audi Q8 in der Front- und in der Heckansich­t. Schwer zu sagen, welche nun spektakulä­rer ist. Auf jeden Fall polarisier­t das Design des SUV-Coupés aus Ingolstadt gewaltig.
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