Wertinger Zeitung

Berlin und Paris besiegeln ihre Freundscha­ft

Ein mitreißend­er Neustart sieht anders aus. Die Delegierte­n wählen ihren neuen Parteichef mit einer gehörigen Portion Skepsis

- VON ULI BACHMEIER jub@augsburger-allgemeine.de

Der Parteitag ist vorbei, ein neuer Vorsitzend­er ist gewählt und für die Geschichts­bücher ist festzuhalt­en: Horst Seehofer, der alte Vorsitzend­e, hat seiner CSU einen letzten Dienst erwiesen. Er hat die Zähne zusammenge­bissen, seinen aufgestaut­en Ärger verdrängt und darauf verzichtet nachzutret­en.

Man kann ihm das, wenn man mag, als Zeichen menschlich­er Größe anrechnen. Auf jeden Fall aber war es ein Akt politische­r Vernunft. Eine Mehrheit unter den Mandatsträ­gern der Partei hat sich darauf verständig­t, dass er in dem Drama, das die CSU in den vergangene­n Jahren durchleben musste, die Rolle des Sündenbock­s zu übernehmen hat. Was hätte er da noch sagen, wie hätte er sich gegen ein bereits gefälltes Urteil noch verteidige­n sollen?

Seehofer, der dieses Jahr seinen 70. Geburtstag feiern wird, beschränkt­e sich auf einige grundsätzl­iche Anmerkunge­n. Sie waren so allgemein gehalten, dass sie niemandem wehtun, aber zugleich so spitzfindi­g, dass jedem aufmerksam­en Zuhörer klar wurde, dass Seehofer gar nicht daran denkt, die Rolle des Sündenbock­s anzunehmen – weder für den Aufstieg der Freien Wähler in Bayern (da war er noch in Berlin und nicht Parteichef) noch für den Einzug der AfD in den Landtag (dafür wurden nach seiner Lesart die Bedingunge­n in Berlin gesetzt). Das war’s dann aber auch.

Die CSU vergleicht sich oft mit einer Familie. Und wie in einer Familie wurde bei diesem Parteitag der Streit beendet: Schwamm drüber! Jedes weitere Wort hätte nur alte Wunden aufgerisse­n. Alle Verantwort­lichen in der Partei wissen: Fortgesetz­te Rechthaber­ei würde allen schaden. Irgendwann muss damit Schluss sein.

Dass es für den neuen Vorsitzend­en Markus Söder bei diesem historisch­en Parteitag nicht zu einem mitreißend­en Neustart gereicht hat, liegt an den Umständen und an einer gehörigen Portion Skepsis unter den Delegierte­n. Dass rund 87,5 Prozent für ihn votierten, heißt nicht, dass auch 87,5 Prozent der Parteimitg­lieder von ihm überzeugt sind. Der 52-jährige Nürnberger war der einzige Kandidat. Er war – um es mit einem in der CSU unbeliebte­n Wort zu sagen – alternativ­los. Für Söder bedeutet das Ergebnis: Er ist Parteivors­itzender auf Bewährung.

Bereits beim nächsten Parteitag im Herbst dieses Jahres muss er sich turnusgemä­ß erneut zur Wahl stellen. Die Bewährungs­zeit aber liegt bei gut einem Jahr. Kaum jemand in der CSU erwartet von Söder, dass die Partei schon bei der Europawahl im Mai neue Höhen erreicht. Ein Ergebnis um die 40 Prozent sollte zwar drin sein. Schließlic­h stellt die CSU mit Manfred Weber für CSU, CDU und alle konservati­ven Parteien in Europa einen allseits anerkannte­n und respektier­ten Spitzenkan­didaten. Das entscheide­nde Datum für Söder aber ist der Tag der Kommunalwa­hlen in Bayern im Frühjahr 2020 – und zwar aus zwei Gründen.

Erstens wird sich bei der Kommunalwa­hl zeigen, ob Söders Plan aufgeht, die CSU zu reformiere­n, zu öffnen und jünger, weiblicher und moderner zu machen. Zweitens wird die Wahl für die CSU vor allem im Wettbewerb mit Freien Wählern und Grünen eine Standortbe­stimmung sein. Die Freien sind in den kleineren Kommunen schon lange stark und wollen sich jetzt, da sie in München mit am Kabinettst­isch sitzen, noch fester verwurzeln. Die Grünen, die sich bisher vor allem auf ihre Basis in den großen Städten stützen, haben nach ihrem Erfolg bei der Landtagswa­hl verstärkt die ländlichen Regionen ins Visier genommen.

Für die CSU geht es darum, ihre strukturel­le Vormachtst­ellung in Bayern zu verteidige­n. Daran wird Söder gemessen werden.

Das entscheide­nde Datum ist im Frühjahr 2020

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