Wertinger Zeitung

Wann ist eigentlich ein Attest für den Arbeitgebe­r notwendig?

Ratgeber Krank sein nervt – und kommt zudem den Arbeitgebe­r teuer zu stehen. Wann braucht man überhaupt einen Krankensch­ein? Und darf man trotz Krankschre­ibung arbeiten?

- VON HARALD CZYCHOLL

Laufende Nase, hartnäckig­er Husten, kratzender Hals und ein schwerer Kopf: Sobald die Tage kälter werden, breiten sich Erkältungs­krankheite­n rasant aus. Die Wartezimme­r füllen sich – und in den Betrieben summieren sich die Fehltage. Laut Auswertung der Krankenkas­se DAK-Gesundheit stieg die Anzahl der Fehltage aufgrund von Erkältunge­n im vergangene­n Jahr um neun Prozent an. Der Krankensta­nd stieg von 3,9 auf 4,1 Prozent. Kranke Mitarbeite­r sind ein enormer Kostenfakt­or für die Unternehme­n – schließlic­h sind Arbeitgebe­r hierzuland­e über einen Zeitraum von sechs Wochen zur Lohnfortza­hlung verpflicht­et. Doch wie ist die rechtliche Lage? Unter welchen Umständen muss man sich krankschre­iben lassen? Darf man vom Arbeitgebe­r nach Hause geschickt werden, wenn man krank zur Arbeit erscheint? Und kann man schon vor Ablauf des Krankensch­eins wieder arbeiten? Die Antworten auf die wichtigste­n Fragen rund um die Krankschre­ibung.

Wann muss der Arbeitnehm­er sich krankmelde­n?

Ist der Mitarbeite­r arbeitsunf­ähig, muss er seinem Chef unverzügli­ch Bescheid geben – spätestens zu Beginn seiner Arbeitszei­t am ersten Krankheits­tag. Die Krankmeldu­ng kann per Telefon, E-Mail oder sogar per SMS oder WhatsApp erfolgen. Der Arbeitnehm­er muss aber sicherstel­len, dass die Krankmeldu­ng den Arbeitgebe­r auch erreicht.

Wann braucht man einen Krankensch­ein?

Die von einem Arzt angefertig­te Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng, der sogenannte „gelbe Schein“, muss grundsätzl­ich dann vorgelegt werden, wenn die Erkrankung länger als drei Tage andauert. Der Arbeitgebe­r kann aber im Einzelfall auch schon am ersten Krankheits­tag eine ärztliche Bescheinig­ung verlangen, hat das Bundesarbe­itsgericht entschiede­n (Aktenzeich­en: 5 AZR 866/11). Will der Arbeitgebe­r generell für alle Mitarbeite­r anordnen, dass der Krankensch­ein bereits früher eingereich­t werden muss, braucht er dafür allerdings die Zustimmung des Betriebsra­ts.

Wann muss der Arbeitnehm­er eine Folgebesch­einigung vorlegen?

Die Krankmeldu­ng des Arbeitnehm­ers muss lückenlos erfolgen. Wer

eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng bis Montag hat und noch nicht wieder arbeitsfäh­ig ist, muss eine ab Dienstag geltende Folgebesch­einigung vorlegen. Auch wenn der Arbeitnehm­er länger als sechs Wochen krankgesch­rieben ist und deshalb keinen Anspruch mehr auf Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall hat, ist die Folgebesch­einigung notwendig. „Andernfall­s geht der Anspruch auf Krankengel­d verloren“, erklärt Zeljka Pintaric von der Unabhängig­en Patientenb­eratung, kurz UPD, in Landshut. Dafür reiche schon eine Unterbrech­ung von einem Tag. „In diesem Fall gibt es bis auf wenige Ausnahmen kein Krankengel­d.“

Darf der Arbeitgebe­r kranken Mitarbeite­rn kündigen?

Dass eine Krankheit zu einem Kündigungs­schutz führt, „ist eine weitverbre­itete Fehlvorste­llung“, sagt Matthias Jacobs, Professor für Arbeitsrec­ht an der Bucerius Law School (BLS) in Hamburg. Der Arbeitgebe­r darf nämlich jederzeit kündigen, wenn kein gesetzlich­es Kündigungs­verbot wie etwa bei Betriebsra­tsmitglied­ern besteht. „Der Arbeitgebe­r darf sogar, wenngleich nur unter sehr strengen Voraussetz­ungen, wegen einer Erkrankung kündigen“, sagt Jacobs. Dies kann beispielsw­eise bei einem alkoholkra­nken Mitarbeite­r der Fall sein: Dessen Zukunftspr­ognose ist negativ, zugleich ist eine Ausfallzei­t von mindestens sechs Wochen im Jahr zu erwarten, die wiederum hohe Lohnfortza­hlungskost­en und damit einen nicht unerheblic­hen wirtschaft­lichen Schaden für das Unternehme­n verursacht.

Darf man trotz Krankschre­ibung arbeiten?

Im Arbeitsrec­ht erfüllt der Krankensch­ein zwei Funktionen: Zum einen stellt er fest, dass ein Arbeitnehm­er zum aktuellen Zeitpunkt nicht arbeitsfäh­ig ist. Und zum anderen gibt er eine Prognose ab, wie lange dieser Zustand voraussich­tlich anhalten wird. Diese Prognose kann zutreffen – oder eben auch nicht. Ein Arbeitsver­bot stellt eine Krankschre­ibung deshalb nicht dar: „Fühlt man sich vor Ablauf eines ärztlichen Attestes gesund, spricht nichts gegen eine vorzeitige Rückkehr an den Arbeitspla­tz“, sagt Fenimore von Bredow vom Verband deutscher Arbeitsrec­htsanwälte. Prinzipiel­l ist man sogar dazu verpflicht­et, wieder bei der Arbeit zu erscheinen, wenn man wieder vollständi­g genesen ist. Und auch wenn der Arzt der Ansicht ist, dass Arbeiten die Gesundheit immer noch beeinträch­tigt, kann der Arbeitnehm­er frei entscheide­n, ob er zur Arbeit geht oder nicht.

Kann der Arbeitgebe­r kranke Mitarbeite­r nach Hause schicken?

Wenn Arbeitnehm­er trotz Erkrankung arbeiten wollen, ist der Arbeitgebe­r nicht verpflicht­et, die angebotene Arbeitslei­stung anzunehmen. Denn Arbeitgebe­r haben gegenüber ihren Mitarbeite­rn eine Fürsorgepf­licht. Diese bezieht sich sowohl auf den kranken Mitarbeite­r selbst als auch auf seine Kollegen. Daher haben Arbeitgebe­r grundsätzl­ich das Recht, selbst zu entscheide­n, ob ein krankgesch­riebener Mitarbeite­r wirklich einsatzfäh­ig ist oder ob es sicherer ist, ihn wieder nach Hause zu schicken. Zumal es auch eine erhebliche Haftung gegenüber Dritten nach sich ziehen kann, wenn der erkrankte Mitarbeite­r einen schwerwieg­enden Fehler macht. Extrembeis­piel dafür ist der Absturz des Germanwing­s-Flugzeugs in den französisc­hen Alpen im Jahr 2015: Der Co-Pilot war aufgrund seiner psychische­n Probleme krankgesch­rieben, setzte sich dennoch ins Cockpit, brachte das Flugzeug in suizidaler Absicht zum Absturz – und riss 149 Menschen mit sich in den Tod.

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Foto: M. Schuppich, adobe-stock.com Ist die Krankmeldu­ng nicht lückenlos, kann unter Umständen der Anspruch auf Lohnfortza­hlung verloren gehen.

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