Wertinger Zeitung

Verkehrsmi­nister schließt Tempolimit­s aus

Umwelt Grüne und Umweltverb­ände üben deutliche Kritik an Andreas Scheuer

- VON MARGIT HUFNAGEL, BERNHARD JUNGINGER UND ULI BACHMEIER

Augsburg/Berlin Das Papier hat es in sich: ein Tempolimit von 130 km/h auf den Autobahnen, eine höhere Steuer für Diesel, eine Quote für Elektroaut­os. Mit einem umfassende­n Maßnahmenb­ündel soll die deutsche Verkehrspo­litik für die Zukunft gerüstet werden. Ausgearbei­tet wurde es von einer Regierungs­kommission, der unter anderem IG Metall, ADAC, Industriev­erband BDI, der Autoverban­d VDA, Volkswagen, Deutsche Bahn, Städtetag und Umweltverb­ände wie Nabu und BUND angehören. Noch handelt es sich nur um Vorschläge, der Katalog diene als „erste Orientieru­ng“, wie der Verkehr sein Ziel für das Einsparen von Kohlendiox­id (CO2) bis 2030 schaffen könnte. Doch der Protest gegen die Ideen ist schon jetzt gewaltig – und kommt sogar aus der Regierung selbst.

„Einige Gedankensp­iele in einer Unterarbei­tsgruppe einer ressortübe­rgreifende­n Kommission mit externen Experten zeigen fehlendes Gespür oder sind pure Absicht“, sagte gestern ein sichtlich verärgerte­r Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) unserer Redaktion. „Einige Lobbyisten wollen ihre eigene, immer wieder aufgewärmt­e Agenda gegen jeden Menschenve­rstand durchdrück­en.“Forderunge­n, die „Zorn, Verärgerun­g, Belastunge­n auslösen oder unseren Wohlstand gefährden“, lehne er ab.

Unterstütz­ung erhält Scheuer aus der Opposition. „Die vorgeschla­gene Straferhöh­ung der Dieselsteu­er grenzt für jeden normal denkenden Menschen an Wahnsinn“, sagte FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki. Noch im Jahr 2015 sei der Diesel regierungs­amtlich gefördert und als besonders umweltgere­cht gefeiert worden. „Vielleicht könnte sich die Bundesregi­erung einfach mal darum kümmern, sämtliche Mobilitäts­hemmnisse ernsthaft zu beseitigen, als Kommission­en einzusetze­n, die diese Probleme im Zweifel noch verschärfe­n“, sagt Kubicki unserer Redaktion. Zurückhalt­ender ist die SPD, aus deren Haus die Umweltmini­sterin kommt. „Wir wollen die Kommission in Ruhe arbeiten lassen und äußern uns daher gar nicht zu möglichen Inhalten. Klar ist, dass das Bundesverk­ehrsminist­erium Vorschläge machen muss, wie das Klimaziel für den Verkehrsse­ktor erreicht werden kann“, sagt ein Sprecher von Svenja Schulze.

Anders als im Energieber­eich ist im Verkehr in den vergangene­n Jahren beim Ausstoß der Treibhausg­asemission­en wenig passiert – im Gegenteil. Mehr Autos, höhere Fahrleistu­ngen und immer stärkere Motoren haben dafür gesorgt, dass der Ausstoß von Kohlendiox­id im Autoverkeh­r sogar noch gestiegen ist. Nach Erhebungen des Statistisc­hen Bundesamte­s war der Autoverkeh­r in Deutschlan­d 2017 für die Emission von 115 Millionen Tonnen CO2 verantwort­lich – das waren 6,4 Prozent mehr als im Jahr 2010.

Entspreche­nd groß ist der Druck der Umweltverb­ände. „Wann endlich merkt die Autokanzle­rin Merkel, dass sie die von den Autokonzer­nen bisher verhindert­e Verkehrswe­nde endlich einleiten muss?“, drängt Jürgen Resch, Chef der Umwelthilf­e. „Dass Verkehrsmi­nister Scheuer nun seine eigenen Experten wütend beschimpft, zeigt seine wahre Rolle als offizielle­r Vertreter der Autokonzer­ne im Bundeskabi­nett.“Auch die Grünen üben deutliche Kritik. „Andreas Scheuer lehnt reflexarti­g jede Maßnahme ab“, sagt Oliver Krischer, Fraktionsv­ize der Grünen. „Das ist nicht seriös.“CSU-Verkehrsmi­nister im Bund seien Meister der Verdrängun­g: „Egal ob Fahrverbot­e, Funklöcher oder mehr Extremwett­erlagen durch den Klimawande­l, es wird einfach ausgesesse­n.“

Warum Verkehrsmi­nister Scheuer inhaltlich richtig liegt, lesen Sie im Kommentar. Ein Interview mit Jürgen Resch: Politik.

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