Tod im Feuerregen
Mexiko Dutzende wollten Gratis-Benzin und bezahlten mit dem Tod
Puebla Freitagnachmittag gegen 17 Uhr im zentralmexikanischen Tlahuelilpan. Eine WhatsAppNachricht verbreitet sich rasend schnell: Ein Leck in der Pipeline!
Mexikos Mafia hatte wieder einmal versucht, Treibstoff abzuzapfen, musste aber vor den Soldaten fliehen, die Präsident Andrés Manuel López Obrador im Kampf gegen die Benzinpiraten mobilisiert hat. Tlahuelilpan, ein ärmliches Bauerndorf, wittert seine Chance: Hunderte laden Kanister in ihre Autos und fahren los, um sich gratis mit Benzin zu versorgen. Brian kommt zusammen mit seiner Mutter und einem Freund gegen halb sechs an, wie er dem Portal Eje Central erzählt: „Es war wie ein Fest, rund 500 Leute waren da, viele mit Kindern.“25 Soldaten versuchen, die Anwohner fernzuhalten, und weisen sie auf die Explosionsgefahr hin, werden aber ignoriert. „Sie baten uns, wenigstens die Handys auszumachen und die Autos weiter weg zu parken“, erzählt Brian. Einigen geht es zu langsam; es gelingt ihnen, das Loch zu vergrößern. Aus dem Strahl wird ein sprudelnder Springbrunnen, der die Umstehenden buchstäblich in Benzin badet. Viele lachen und hüpfen trotz des penetranten Gestanks. Der Staatskonzern Pemex ist inzwischen alarmiert und schließt die Ventile. Doch der Druck sei zu groß, sagt später ein Sprecher.
Kurz vor sieben Uhr abends entzündet sich der Treibstoff aus zunächst ungeklärter Ursache; die Flammen schlagen im Bruchteil einer Sekunde meterhoch in die Höhe. Die Umstehenden rennen schreiend davon und springen in einen Bach, viele verbrennen bei lebendigem Leib. „Es war ein furchtbarer Anblick“, erzählt Brian. Viele Leichen sind bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. 79 Tote zählen die Behörden bis Sonntag und mehr als 60 meist schwer Verletzte. Auch Kinder und Frauen sind darunter, vor allem aber junge Männer, die hofften, sich ein Zubrot zu verdienen.
„Der Benzinraub und mit ihm die Morde haben in den vergangenen zwei Jahren in der Gegend stark zugenommen“, sagt der dort lebende Journalist Fernando Rodriguez vom Sender Foro TV. „Du schickst der Bande eine Nachricht und sie liefert dir das Benzin frei Haus.“An Tankstellen kaufe niemand mehr und fast jeder habe ein Familienmitglied, das mit im Geschäft sei. Gut ein Drittel der Produktion des Staatskonzerns wird angezapft und auf dem Schwarzmarkt verkauft. So entsteht ein Schaden von umgerechnet drei Milliarden Euro jährlich.
Nach einem Besuch am Unglücksort versprach Präsident López Obrador den Angehörigen lückenlose Aufklärung. Von seiner Strategie gegen die Benzindiebe werde er nicht abrücken.