Wertinger Zeitung

Pleiten für die Altmeister

Tennis Angelique Kerber geht im Achtelfina­le der Australian Open gegen Danielle Collins unter. Der Schweizer Roger Federer erlebt eine weitere Enttäuschu­ng bei einem Grand-Slam-Turnier

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Melbourne Angelique Kerber schaute nach ihrer klarsten Niederlage bei einem Grand-Slam-Turnier konsternie­rt drein und gestikulie­rte fragend, Roger Federer winkte noch einmal tapfer ins Publikum und hob den Daumen. Völlig überrasche­nd haben sich am Sonntag zwei der großen Favoriten schon früh von den Australian Open verabschie­det.

Kerber erlebte beim 0:6, 2:6 gegen die furchtlose Amerikaner­in Danielle Collins eine Demontage, Federer erkannte nach dem 7:6 (13:11), 6:7 (3:7), 5:7, 6:7 (5:7) die Überlegenh­eit seines 20 Jahre alten griechisch­en Kontrahent­en Stefanos Tsitsipas fair an. „Ich habe gegen einen besseren Spieler verloren, der sehr gut gespielt hat“, sagte Federer nach dem Duell der Tennis-Generation­en. Der Champion der vergangene­n beiden Jahre erlebte damit erneut einen bitteren Abend auf großer Bühne und kann seine Bilanz von 20 Titeln bei den vier wichtigste­n Turnieren auch in Melbourne nicht ausbauen.

„Sagenhaft“nannte der deutsche Herren-Tennis-Chef Boris Becker den Auftritt von Tsitsipas. Mit ei- siebten Triumph in Australien wäre Federer alleiniger Rekordsieg­er des Turniers geworden. Federer war im vorigen September im Achtelfina­le der US Open am australisc­hen Außenseite­r John Millman hängengebl­ieben. In Wimbledon scheiterte er davor im Viertelfin­ale knapp am Südafrikan­er Kevin Anderson.

Wie sie die Achtelfina­l-Niederlage erlebt hatte, konnte Kerber schon beschreibe­n. Über womöglich tiefergehe­nde Ursachen und die Wirkung des 0:6, 2:6 gegen die wie aufgedreht spielende Collins wusste die Wimbledons­iegerin an diesem strahlend schönen Sommer-Sonntag in Melbourne noch nicht recht etwas zu sagen. „Ich habe alles versucht, was ich konnte, aber es war komplett nicht mein Tag“, sagte Angelique Kerber zwei Tage nach ihrem 31. Geburtstag.

Auf dem quälend langen Heimflug haben die Australien-Siegerin von 2016 und ihr Team mit dem neuen Trainer Rainer Schüttler Gelegenhei­t, jene 56 Minuten zu ergründen, in denen die Weltrangli­sten-Zweite von der Nummer 35 der Welt an die Wand gespielt und immer wieder vorgeführt wurde.

„Trotzdem werde ich Australien mit einem guten Gefühl verlassen, denn dieses Turnier ist für mich immer was Besonderes. Da wird kein Match, keine Niederlage was dran ändern“, betonte Kerber, auch wenn sie in diesem Moment noch so wirkte, als sei dieses Gefühl gerade so weit weg wie die winterlich­e Heimat. Verständli­ch, denn die 25-jährige Collins, die vor den Australian Open noch kein Match im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers gewonnen hatte, spielte noch viel stärker als bei ihrem unerwartet­en Erstrunden-Erfolg über Julia Görges sechs Tage zuvor. „Ich habe ihr vom ersten Punkt an gezeigt, dass ich das Match diktiere“, sagte sie.

Es wirkte, als seien die S-BahnZüge von der benachbart­en Bahntrasse direkt durch die MargaretCo­urt-Arena und ständig über Kerber hinweg gerattert. „Dass diese amerikanis­che College-Spielerin unsere Beste quasi vom Platz fegt, hatte man so nicht erwartet“, sagte Becker. Für das Team Kerber/ Schüttler ergibt sich nach dem genem lungenen Jahresauft­akt beim Hopman Cup, dem Viertelfin­ale in Sydney und der bitteren Niederlage in Melbourne nun eine neue Situation. Der einstige Melbourne-Finalist Schüttler und sein Schützling müssten sich nun ein bisschen Zeit nehmen, sagte die Damen-Tennis-Chefin Barbara Rittner.

Schon 2017 war Kerber – damals als Titelverte­idigerin und USOpen-Siegerin – in Melbourne fast ähnlich schlimm vorgeführt worden: ebenfalls im Achtelfina­le, ebenfalls von der Nummer 35, damals die ebenfalls hart schlagende Coco Vandeweghe. Anschließe­nd fiel Kerber in eine tiefe Krise, aus der sie sich im Vorjahr auf beeindruck­ende Weise befreite. Mittlerwei­le gilt die Norddeutsc­he als gereift. „Ich werde das akzeptiere­n, das Jahr ist noch lang“, sagte Kerber.

Für die erste Fed-Cup-Runde am 9. und 10. Februar in Braunschwe­ig gegen Weißrussla­nd hat Kerber abgesagt, die direkt danach folgenden Turniere in Doha und Dubai werden erste Fingerzeig­e geben, wie sie das Debakel vom Sonntag verdaut hat.

 ?? Fotos: Witters / Andy Brownbill/AP/dpa ?? Es war kein gutes Wochenende für die deutsche Nummer eins, Angelique Kerber. Die derzeit beste deutsche Tennisspie­lerin erlitt bei den Australian Open die klarste Niederlage bei einem Grand-Slam-Turnier. Roger Federer schied gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas aus.
Fotos: Witters / Andy Brownbill/AP/dpa Es war kein gutes Wochenende für die deutsche Nummer eins, Angelique Kerber. Die derzeit beste deutsche Tennisspie­lerin erlitt bei den Australian Open die klarste Niederlage bei einem Grand-Slam-Turnier. Roger Federer schied gegen den Griechen Stefanos Tsitsipas aus.
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