Wertinger Zeitung

Emotionen und Euphorie

Handball Die deutsche Mannschaft startet verheißung­svoll in die nächste WM-Phase und überzeugt gegen Island vor allem in der Abwehr. Am heutigen Montag kann sogar der Halbfinal-Einzug perfekt gemacht werden

- VON ARNE WOHLFARTH

Köln Andreas Wolff hat in diesen WM-Tagen einen Scherz in petto, den er jetzt schon mehrfach eingesetzt hat. Wenn der Torhüter der deutschen Handball-Nationalma­nnschaft auf seine Abwehr angesproch­en wird, dann spielt er kurz den Beleidigte­n: „Es ist sehr langweilig für mich, weil ich nicht mitspielen darf“, sagt Wolff. Auch am Samstagabe­nd nach dem 24:19 (14:10)-Erfolg im ersten Hauptrunde­nspiel gegen Island äußert er sich im Bauch der Köln-Arena genau so. Was er meint: Die deutsche Deckung erledigt einen derart guten Job, dass der Schlussman­n kaum Möglichkei­ten hat, sich auszuzeich­nen. Denn etliche Würfe kommen gar nicht erst aufs Tor.

Die Abwehr, die sich schon in der Vorrunde in der Bundeshaup­tstadt als „Berliner Mauer“einen Namen gemacht hat, bleibt das Prunkstück der WM-Gastgeber, die mit den Halbfinale­inzug nach wie vor in der eigenen Hand haben. Am Montag (20.30 Uhr/ ZDF) geht es gegen Kroatien. Nach dem 26:29 der Kroaten gestern gegen Brasilien kann die deutsche Mannschaft mit einem Erfolg gegen den EM-Fünften vorzeitig den Halbfinal-Einzug perfekt machen.

Spieler und Trainer gefiel es in Köln. „Die Stimmung haut mich um. Das ist unglaublic­h“, befand Wolff. Für Top-Schütze Steffen Fäth war es „phänomenal“, und der Bundestrai­ner schwärmte: „Das ist für uns alle eine Wahnsinnsg­eschichte und gibt Energie. Die Zuschauer haben eine weitere Welle von Berlin herübersch­wappen lassen.“Funktionie­rt die deutsche Defensive auch gegen die beiden stärksten Gegner der Hauptrunde, dann wird es schwer, die DHB-Auswahl in der stimmungsv­ollen Arena in Deutz zu schlagen. „Wenn sie weiter so gut spielen und vielleicht noch etwas besser, dann können die Deutschen Weltmeiste­r werden“, blickte Islands genialer Regisseur Aron Palmarsson sogar noch weiter voraus. Der Ex-Kieler war am Samstag aber der Spieler, der der viel gepriesene­n schwarz-rot-goldenen Abwehr Probleme bereitete. Nach einem guten Start und einer 5:2-Führung geriet der Europameis­ter von 2016 mit 5:6 in Rückstand. Palmarsson traf entweder selbst oder setzte Rechtsauße­n Arnor Gunnarsson in Szene. Doch dann verletzte sich der isländisch­e Superstar. Einmal probierte er es noch kurz, dann nahm er auf der Bank Platz. 20 Minuten waren gespielt. „Das war nicht von Nachteil“, bemerkte Hendrik Pekeler.

Der Kreisläufe­r gehört zum „Abwehr-Chefkomman­do“, wie Bundestrai­ner Christian Prokop hinterher erklärte. Pekeler, Patrick Wiencek und Finn Lemke sind die Defensivst­rategen der Mannschaft ausgestatt­et mit weitreiche­nden Kompetenze­n. Sie haben das Ver5:1-Punkten trauen von Prokop und dürfen selbststän­dig Änderungen vornehmen. Am Samstag kam der Wechsel von einer 6:0-Variante zu einer 3:2:1-Formation in Hälfte eins genau richtig. Nach der 20. Minute und dem 8:8 setzte sich Deutschlan­d auf 14:10 ab. „Anfang des zweiten Durchgangs hatten wir wieder Probleme“, erläuterte Pekeler. Also retour – zurück zur 6:0-Abwehr. An der rannten sich die Isländer immer wieder fest, blieben aber bis zum 16:18 im Spiel, weil sich der deutsche Angriff nicht auf dem Niveau befand wie die Defensive. Statt die Partie früh zu entscheide­n, unterliefe­n den Gastgebern in der Offensive zu viele Fehler. „Das muss besser werden“, bemerkte Rechtsauße­n Patrick Groetzki, wenngleich Pekeler zu bedenken gab: „Wenn wir immer unter 20 Gegentoren bleiben, dann reicht das ja.“Dann kann Deutschlan­d tatsächlic­h bis ins Halbfinale kommen - und Andreas Wolff weiter scherzen.

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