Wertinger Zeitung

Wird das Heu im Landkreis Dillingen knapp?

Landwirtsc­haft Weil der Sommer so trocken war, steigen allerorten die Heupreise. Das hat Auswirkung­en auf Reiterhöfe

- VON JONAS VOSS

Dillingen Manfred Demharters Schatzkamm­er duftet nach Erde, Gräsern und Wiesenblum­en. Hier spulen sich im Kopf Filme von endlosen Sommeraben­den aus der Kindheit auf dem Land ab – während draußen ein feucht-kalter Januarmorg­en herrscht. Die Güter, die hier lagern, sind nach dem vergangene­n Dürrejahr so begehrt wie selten. „Hier sind die Ballen, die demnächst verfüttert werden“, sagt Demharter und weist auf rund sechs Meter hoch gestapelte Heuballen in einer Ecke des Stadels auf dem Riedschrei­nerhof bei Kicklingen. In einem weiteren Lager befindet sich

Die Knappheit im Norden treibt die Preise im Süden

die Reserve bis zum Sommer: rund 180 Großballen. Ein Großballen wiegt 400 Kilogramm und kostet derzeit rund 80 Euro. Den fressen die 26 Pferde, die auf dem Hof einquartie­rt sind, täglich. Nachschub gibt es im Juni, bis dahin sollte das Lager reichen. „Ein Pferd könnte sich nur von Heu ernähren, so gut ist es“, sagt der 68-Jährige.

Auf dem Riedschrei­nerhof fressen die Tiere zu 90 Prozent Heu – nebenher noch Müsli und Hafer – und das ist dieses Jahr besonders teuer. „Die Knappheit an Heu im Norden treibt die Preise auch bei uns“, sagt Demharter. In Norddeutsc­hland wurden bereits Heuballen geklaut, so begehrt sind sie. Der Markt ist schwankend und das Heu wird teurer, je länger die heulose Zeit andauert. „Aktuell kostet der Doppelzent­ner bei uns wohl um die 20 Euro“, sagt Demharter. Er selbst ist davon kaum betroffen. Demharter hat bereits vor Monaten das Heu, welches er seit Jahren von Landwir- aus der Region bezieht, gekauft und eingelager­t. Dennoch beträgt der Anteil des Heus an den Gesamtkost­en des Pferdehofs rund zwanzig Prozent. „Ich kenne bei uns in der Region keinen Pferdehof, der Probleme hat.“

Die meisten anderen Höfe beziehen das Heu ebenfalls aus der Region, erklärt der 68-Jährige in der warmen Reitstube, während in der Halle davor ein schwarzes Pferd seine Übungen absolviert. Das Fell glänzt, die Schritte sind kraftvoll. Damit das so bleibt, gibt es für die Pferde auf dem Hof kein Stroh oder das sind die Ernten nach der ersten Mahd, zu fressen.

Das empfiehlt auch die auf Pferde spezialisi­erte Tierärztin Dr. Friederike Messerschm­idt von der Tierklinik Gessertsha­usen. Kann ein Pferd ohne Heu leben? „Ganz klar, nein!“, sagt sie und erklärt warum: Heu ist ein Raufutter und absolutes Grundnahru­ngsmittel für Pferde. Um Magengesch­würen und Koliken vorzubeuge­n, ist Heu immens wichtig. „Die Tiere sollten niemals länger als vier Stunden kein Raufutter fressen“, erklärt Messerschm­idt, „denn ihr Speichel puffert die Magensäure und das Fressen regt die Darmtätigk­eit an.“Heu stecke nicht nur voller wichtiger Nähr- und Ballaststo­ffe, welche im Dickdarm des Tieres zersetzt werden, sondern es hat auch keine negativen Auswirkung­en auf das durchschni­ttliche Pferd – solange das Heu von guter Qualität ist. „Bei Schimmelpi­lz-Toxinen reagieren die Tiere sehr empfindlic­h, die müssen unbedingt vermieden werden.“Je eher das Heu nach der Mahd trocken sei, desto besser, sagt Messerschm­idt. Grummet sei dagegen zu eiweißreic­h und feinfaseri­g für das durchschni­ttliche Pferd. Es wirke überfütter­nd. Stroh dürfe maximal einen Anteil von einem Drittel an der täglichen Pferde-Ration haben. „Stroh hat einen sehr hohen Raufaseran­teil, kann aber rasch Verstopfun­gen und Koliken verurten sachen.“Außerdem habe es wenig Nährstoffe, sagt Messerschm­idt. Eigentlich, so Messerschm­idt, solle Stroh überhaupt nicht verfüttert werden. Ein durchschni­ttlicher Warmblüter wiegt 600 Kilogramm und braucht rund 12 Kilo Heu am Tag – bei 35 Jahren durchschni­ttlicher Lebenserwa­rtung wandern weit mehr als hundert Tonnen Heu in ein Pferdemaul.

Diese Nahrung zu beschaffen, ist derzeit schwierige­r als sonst. „Die Lage am Heu- markt ist angespannt“, erklärt ein Heuhändler aus dem südlichen Landkreis, „aber nicht hoffnungsl­os.“Manfred Schmidt, der in Wirklichke­it anders heißt, sagt, der Preis sei dieses Jahr rund 50 Prozent höher als üblich. In Norddeutsc­hland sei die Situation für Pferdebesi­tzer und Reithofbet­reiber deutlich angespannt­er als in Bayerisch-Schwaben. „Diejenigen bei uns, die bereits vor Monaten eingekauft haben, haben aktuell keine Probleme“, erklärt der Händler. Schwierig sei es für die Reitställe und -höfe, die sich ohnehin in einer finanziell angespannt­en Lage befinden und nicht vorgesorgt haben. Damit sie nicht am Ende des WinGrummet, ters mit leeren Raufen dastehen – das sind die Gestelle, aus denen die Pferde das Heu fressen – müssen sie nun zukaufen. Am derzeitige­n Markt werde Heu aus Polen bis nach Südtirol exportiert. Die Heuqualitä­t sei durch die große Trockenhei­t sehr gut, aber die Menge fehle eben. Während der erste Schnitt im Süden mengenmäßi­g gut ausgefalle­n sei, seien die weiteren Schnitte teilweise ausgefalle­n.

Der erste Schnitt, das eigentlich­e Heu, ist das Premiumpro­dukt. Im vergangene­n Jahr konnte dieser Schnitt durch die Trockenhei­t optimal gelagert werden. Denn das Heu bleibt nach der Mahd für vier bis sechs Tage auf dem Feld liegen, wobei es gewendet wird. Je eher es trocken ist, desto mehr Nährstoffe enthält es, wenn es anschließe­nd zu Ballen gepresst wird und rund sechs Wochen lagert. An diesem Vormittag hat laut Schmidt bereits der siebte Lastwagen das Werksgelän­de verlassen, der Händler verkauft etwa 300 Tonnen Heu im Monat. „Die Preise können bis August auf diesem Niveau verharren,“sagt der Unternehme­r.

Er sehe der Entwicklun­g am Heumarkt gelassen entgegen, sagt Demharter. Schließlic­h habe er gute Beziehunge­n zu den Landwirten der Umgebung. Auf hochwertig­es Heu muss der 68-Jährige auch in Zukunft nicht verzichten.

 ?? Symbolfoto: Daniel Karmann, dpa ?? Der vergangene Sommer war außergewöh­nlich heiß und trocken. Das ist nun auch beim Heu zu spüren. Die Preise für das Futtermitt­el sind mitunter stark gestiegen. Das hat auch Auswirkung­en auf Reiterhöfe in der Region, die Heu für die Versorgung ihrer Pferde benötigen.
Symbolfoto: Daniel Karmann, dpa Der vergangene Sommer war außergewöh­nlich heiß und trocken. Das ist nun auch beim Heu zu spüren. Die Preise für das Futtermitt­el sind mitunter stark gestiegen. Das hat auch Auswirkung­en auf Reiterhöfe in der Region, die Heu für die Versorgung ihrer Pferde benötigen.
 ?? Fotos: Jonas Voss ?? Stroh wird auf dem Riedschrei­nerhof bei Kicklingen nur als Einstreu verwendet. Viel wichtiger ist Heu. Und das ist in diesem Jahr besonders teuer.
Fotos: Jonas Voss Stroh wird auf dem Riedschrei­nerhof bei Kicklingen nur als Einstreu verwendet. Viel wichtiger ist Heu. Und das ist in diesem Jahr besonders teuer.
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Manfred Demharter

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