Ex-General: Reserve hat noch lange keine Ruh´
Bundeswehr Mit dem stellvertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr fährt die Reservistenkameradschaft Wertingen im Festsaal großes Geschütz auf. Kritische Bilanz
Wertingen Der Reservistendienst bleibt auch in diesen spannungsbeladenen Zeiten mit Globalisierung und Digitalisierung wichtiger Bestandteil der Landesverteidigung. Darauf hat jetzt mit Peter Schelzig ein Mann hingewiesen, der noch vor drei Jahren als einer der höchsten Offiziere an der Spitze der Bundeswehr stand. Kaum eine Woche nach dem äußerst kritischen Bericht des Wehrbeauftragten beim Bundestag zum Zustand der Truppe, legte der ehemalige stellvertretende Generalinspekteur und Reservistenexperte nach. Im Festsaal des Rathauses und vor drei Dutzend Zuhörern der Veranstaltung der Reservistenkameradschaft Wertingen fiel dessen Generalabrechnung freilich weniger scharf aus.
So hatte der Politiker Hans-Peter Bartels Mitte vergangener Woche im höchsten Parlament der Bundesrepublik eine schier endlose Mängelliste der Bundeswehr vorgelegt. In seinem 126-Seiten langen Bericht sprach er von Problemen bei der Ausrüstung und beim Personal. Insgesamt würde die Bundeswehr „an Unterbesetzung und gleichzeitig Überorganisation“leiden. Ihm sagten viele Soldaten, dass man sich – so wörtlich – „zu Tode“verwalten würde.
Vom „Bürokratiemonster Bundeswehr“mochte jetzt im Wertinger Schloss der frühere Generalleutnant Schelzig kaum sprechen, zumal der ausgebildete Kampfjetpilot mit anschließendem Steilaufstieg in der Hierarchie von seinem Naturell her eher zu Ruhe und Besonnenheit neigt. Allerdings sparte der bekennende „Datschiburger“aus Augsburg kaum mit heftiger Kritik, vor allem am derzeitigen System des Militärs und dessen politischer Führung. Dort war der 63-Jährige mit Wohnsitz Schwabmünchen vor mehr als 40 Jahren eingetreten und übernahm im Lauf der Zeit die wichtigsten Posten innerhalb der Luftwaffe im In- wie Ausland.
Der hoch dekorierte Soldat, der in seiner Glanzkarriere fast 3000 Stunden mit Flugzeugtypen wie „Starfighter“und „Tornado“hinter sich brachte, rückte bei seiner analytisch präzisen Bestandsaufnahme vor allem den Menschen in den Mittelpunkt. Wie der Wehrbeauftragte rügte Peter Schelzig immer wieder die angespannte Personallage. „Noch zu Zeiten des Kalten Kriegs hatten wir im Westen eine halbe Million Mann, im wiedervereinigten Deutschland schaffen wir es nicht einmal zu der Zahl 200000“, erinnerte der Gastredner vor dem Publikum mit ehemaligen wie aktiven Angehörigen der Bundeswehr an frühere Zeiten.
Damals hatte noch eine bis zu 18 Monate dauernde Wehrpflicht gegolten. Dass die führende Persönlichkeit des Militärs auch auf dieses vergangene Kapitel einging, daran trug ausgerechnet ein anderer prominenter Besucher „schuld“. Denn Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier zog bei der anschließenden Aussprache die Aufmerksamkeit mit dem Hinweis auf den Pflichtaufenthalt auf sich, den er wohl zu bedauern schien: „Dieser Wehrdienst, bei dem sich viele junge Menschen orientieren und einen Berufsabschluss ablegen konnten, ist durch nichts zu ersetzen – wir sollten wieder dahinkommen“, forderte der erste Mann der Kommune. Dem setzte der ehemals zweithöchste Mann der Bundeswehr entgegen, dass eine Neuauflage heute nichts mehr bringen würde: „Aber es war sicher falsch, ihn auszusetzen ohne Alternativen dazu zu haben.“
Gleichzeitig geißelte Peter Schelzig die damit einhergehende harte Konkurrenzsituation zwischen Bundeswehr und freier Wirtschaft. Vielmehr wollte er bestimmte Gegenentwürfe dazu vorstellen. „Statt eines Wettstreits um die besten Köpfe brauchen wir ein Miteinander mit den anderen Arbeitgebern“, schlug Schelzig vor und wies auf das große Interesse dort hin. Seine Appelle zu einer gewissen Verzahnung von Militär und Zivil dürften auch mit der Tatsache zu tun haben, dass der Schwabe neben seiner Pilotenausbildung und weiteren Verwendungen in den Vereinigen Staaten mit einer US-Amerikanerin verheiratet ist: „Dort sitzen die Woche über Airline-Piloten in ihren Zivilmaschinen und am Wochenende dienen sie als Flugzeugführer in der Air National Guard ihrem Land.“
Das wollen auch die Wertinger Reservisten. Jedoch keineswegs aus schwindelerregender Höhe, sondern mit beiden Beinen fest auf schwäbischem Boden. So lud der Vorsitzende Ernst König, sichtlich stolz „über den an Land gezogenen Diamanten Peter Schelzig“, gleich zum traditionellen Wintermarsch am Samstag mit anschließendem Schlachtschüsselessen. Start ist, wie es sich für einen ordentlichen Soldaten gehört, in aller Herrgottsfrühe.