Beschimpft und attackiert im freiwilligen Dienst
Freiwillige Wenn Ehrenamtliche aus Sicherheitsgründen Straßen sperren, werden sie beleidigt oder attackiert. Der Kreisbrandrat fürchtet: Ändert sich nichts, will den Dienst bald keiner mehr machen
Der Kreisbrandrat schlägt Alarm: Wenn sich nichts ändert, wollen Ehrenamtliche bald keine Absperrdienste mehr machen.
Landkreis „Wenn wir noch lange so weiter machen, dann bleiben irgendwann keine Ehrenamtlichen mehr über“, sagt Kreisbrandrat Frank Schmidt. Dabei geht es ihm um die Absperrdienste der Freiwilligen Feuerwehren. Sei es bei Unfällen, bei denen der Verkehr umgeleitet wird, um die Rettungsarbeiten zu ermöglichen, oder bei Veranstaltungen, um deren Sicherheit zu gewährleisten. Die Ehrenamtlichen setzen sich für andere ein. Und immer wieder werden sie bepöbelt. Oder sogar tätlich angegriffen.
Das ist zum Beispiel vor zwei Jahren beim Lauinger Faschingsumzug passiert. Kommandant Martin Koller erzählt, wie ein Autofahrer nicht eingesehen hatte, dass er nicht in die Straße fahren darf. Zwei Männer seien aus dem Wagen gestiegen. Sie haben Kollers Kollegen angegriffen und in den Bauch geschlagen. „Die Lust schwindet natürlich mit solchen Ereignissen“, sagt Koller. Vergangenes Jahr gab es dann auch noch einen Vorfall beim Leonhardiritt: Ein 19-jähriger Feuerwehrmann sperrte eine Straße. Ein Autofahrer ignorierte das und fuhr den jungen Mann an. Er beging Unfallflucht, immerhin wurde der Autofahrer später erwischt, sagt Koller. Das ändert nichts daran, dass die Feuerwehrleute sich nicht gerade darum reißen, einen Absperrdienst zu übernehmen. „Ich muss schon ein bisschen betteln“, sagt Koller. „Wobei es immer gerade noch geht.“Zur Not helfen die Ortsfeuerwehren und die Werksfeuerwehr von Same Deutz-Fahr aus.
Jetzt ist die Faschingszeit in vollem Gange, damit stehen auch wieder Veranstaltungen zuhauf an. Während viele Menschen den Umzügen und Hexentänzen entgegenfiebern, gibt es gute Gründe, warum viele Feuerwehrleute dabei gemischte Gefühle haben können.
Die Absperrdienste der Feuerwehren haben sich ziemlich gewandelt. „Zu Beginn meiner Zeit bei der Feuerwehr durften wir das noch gar nicht“, sagt Frank Schmidt, der bereits 1984 in die Freiwillige Feuerwehr in Dillingen eingetreten ist. Damals war es ausschließlich Aufgabe der Polizei, Straßen zu sperren – die Feuerwehr durfte nicht in die Verkehrsführung eingreifen. Das wurde später geändert. Es ging laut Schmidt vor allem darum, bei Unfällen umleiten und absperren zu dürfen. „Das hat das Ganze entspannt“– eigentlich eine gute Idee.
Doch dadurch wurden die Feuerwehren auch bei Veranstaltungen für Absperrdienste eingesetzt. Freiwillig natürlich, denn es handelt sich um ein Ehrenamt. Die Zahl der Veranstaltungen, bei denen so eine Sperrung nötig ist, ist gestiegen. Ein Sankt-Martins-Umzug auf den Straßen bedeutet deshalb Arbeit für die Feuerwehrler. Die Polizei antworte auf Anfragen dann oft, dass sie das personalmäßig nicht stemmen könn- te, sagt Schmidt. Also kommen die Freiwilligen. „120 Jahre Feuerwehrgeschichte lang war das nicht unsere Aufgabe.“
Und dann die nächste Veränderung, die wohl der Grund für die Pöbeleien ist. Das Ansehen von Polizei und eben auch Feuerwehr oder Technischem Hilfswerk sei gesunken, sagt Schmidt. „Und wer vor der Polizei nur noch wenig Respekt hat, der hat vor der Feuerwehr gar keinen Respekt mehr.“Immer wieder gebe es Autofahrer, die anfangen zu diskutieren, zu pöbeln, zu beleidigen. „‚Arschloch‘ und so etwas, das ist noch das Harmlose“, sagt er. „Das ist das Tagesgeschäft.“Wenn die Freiwilligen bei einem Unfall Straßen sperren, kommen auch noch Gaffer hinzu. „Theoretisch würde ja ein Gesperrt-Schild reichen“, sagt Schmidt. Doch in der Praxis würden das viele Menschen schlicht nicht beachten. „Wenn Sie da nur ein Schild hinstellen, können Sie es auch gleich lassen.“
Bei großen Veranstaltungen, wie etwa dem Dillinger Nachtumzug, sichert auch die Polizei die Straßen, die Feuerwehrleute werden dort unterstützend eingesetzt. Wo es planbar und irgendwie machbar ist, sei die Polizei dabei, erklärt Katharina von Rönn von der Dillinger Polizei: „Wir sind sehr froh, dass die uns da unterstützen.“Die Polizei wisse die Arbeit der Ehrenamtlichen zu schätzen. „Umso schlimmer ist es, wenn sie dann angegangen werden.“
Von Rönn bestätigt Schmidts Beobachtung. „Es ist leider wirklich so, dass das Verhalten gegenüber Amtsträgern schlimmer wird“, sagt sie. Menschen, die auf ihr vermeintliches Recht beharren und sagen: „Der hat mir nichts zu verbieten“– so etwas kennen die Polizisten zu Genüge.
Kreisbrandrat Schmidt erklärt, dass auch der zeitliche Aufwand enorm sei. Schließlich seien nicht alle Absperrdienste in einer halben Stunde erledigt. Eine Veranstaltung wie der Radelspaß von Donautal-Aktiv bedeute etwa, das 70 bis 80 Feuerwehrleute an diesem Wochenende Straßen absperren. Eben weil sie helfen wollen, dass so ein Event möglich ist. Aber: „Das ist ein massiver Personaleinsatz“, sagt Schmidt. Die Ehrenamtlichen teilen sich dann auf Schichten auf, weil, was er gut versteht, die wenigsten Lust hätten, ein komplettes Wochenende in der prallen Sonne zu stehen und Menschen zu sagen, dass diese Straße nicht befahrbar ist. „Und dann muss man sich auch noch beschimpfen lassen.“Was er sich wünscht: „Die Leute müssen erkennen, dass derjenige, der die Absperrung macht, nicht für sich selbst da steht, sondern für die anderen.“Der Ehrenamtliche habe schließlich keinen Euro zusätzlich in der Tasche.
Das Ansehen von Feuerwehr und Polizei ist gesunken