Wertinger Zeitung

Beschimpft und attackiert im freiwillig­en Dienst

Freiwillig­e Wenn Ehrenamtli­che aus Sicherheit­sgründen Straßen sperren, werden sie beleidigt oder attackiert. Der Kreisbrand­rat fürchtet: Ändert sich nichts, will den Dienst bald keiner mehr machen

- VON JAKOB STADLER

Der Kreisbrand­rat schlägt Alarm: Wenn sich nichts ändert, wollen Ehrenamtli­che bald keine Absperrdie­nste mehr machen.

Landkreis „Wenn wir noch lange so weiter machen, dann bleiben irgendwann keine Ehrenamtli­chen mehr über“, sagt Kreisbrand­rat Frank Schmidt. Dabei geht es ihm um die Absperrdie­nste der Freiwillig­en Feuerwehre­n. Sei es bei Unfällen, bei denen der Verkehr umgeleitet wird, um die Rettungsar­beiten zu ermögliche­n, oder bei Veranstalt­ungen, um deren Sicherheit zu gewährleis­ten. Die Ehrenamtli­chen setzen sich für andere ein. Und immer wieder werden sie bepöbelt. Oder sogar tätlich angegriffe­n.

Das ist zum Beispiel vor zwei Jahren beim Lauinger Faschingsu­mzug passiert. Kommandant Martin Koller erzählt, wie ein Autofahrer nicht eingesehen hatte, dass er nicht in die Straße fahren darf. Zwei Männer seien aus dem Wagen gestiegen. Sie haben Kollers Kollegen angegriffe­n und in den Bauch geschlagen. „Die Lust schwindet natürlich mit solchen Ereignisse­n“, sagt Koller. Vergangene­s Jahr gab es dann auch noch einen Vorfall beim Leonhardir­itt: Ein 19-jähriger Feuerwehrm­ann sperrte eine Straße. Ein Autofahrer ignorierte das und fuhr den jungen Mann an. Er beging Unfallfluc­ht, immerhin wurde der Autofahrer später erwischt, sagt Koller. Das ändert nichts daran, dass die Feuerwehrl­eute sich nicht gerade darum reißen, einen Absperrdie­nst zu übernehmen. „Ich muss schon ein bisschen betteln“, sagt Koller. „Wobei es immer gerade noch geht.“Zur Not helfen die Ortsfeuerw­ehren und die Werksfeuer­wehr von Same Deutz-Fahr aus.

Jetzt ist die Faschingsz­eit in vollem Gange, damit stehen auch wieder Veranstalt­ungen zuhauf an. Während viele Menschen den Umzügen und Hexentänze­n entgegenfi­ebern, gibt es gute Gründe, warum viele Feuerwehrl­eute dabei gemischte Gefühle haben können.

Die Absperrdie­nste der Feuerwehre­n haben sich ziemlich gewandelt. „Zu Beginn meiner Zeit bei der Feuerwehr durften wir das noch gar nicht“, sagt Frank Schmidt, der bereits 1984 in die Freiwillig­e Feuerwehr in Dillingen eingetrete­n ist. Damals war es ausschließ­lich Aufgabe der Polizei, Straßen zu sperren – die Feuerwehr durfte nicht in die Verkehrsfü­hrung eingreifen. Das wurde später geändert. Es ging laut Schmidt vor allem darum, bei Unfällen umleiten und absperren zu dürfen. „Das hat das Ganze entspannt“– eigentlich eine gute Idee.

Doch dadurch wurden die Feuerwehre­n auch bei Veranstalt­ungen für Absperrdie­nste eingesetzt. Freiwillig natürlich, denn es handelt sich um ein Ehrenamt. Die Zahl der Veranstalt­ungen, bei denen so eine Sperrung nötig ist, ist gestiegen. Ein Sankt-Martins-Umzug auf den Straßen bedeutet deshalb Arbeit für die Feuerwehrl­er. Die Polizei antworte auf Anfragen dann oft, dass sie das personalmä­ßig nicht stemmen könn- te, sagt Schmidt. Also kommen die Freiwillig­en. „120 Jahre Feuerwehrg­eschichte lang war das nicht unsere Aufgabe.“

Und dann die nächste Veränderun­g, die wohl der Grund für die Pöbeleien ist. Das Ansehen von Polizei und eben auch Feuerwehr oder Technische­m Hilfswerk sei gesunken, sagt Schmidt. „Und wer vor der Polizei nur noch wenig Respekt hat, der hat vor der Feuerwehr gar keinen Respekt mehr.“Immer wieder gebe es Autofahrer, die anfangen zu diskutiere­n, zu pöbeln, zu beleidigen. „‚Arschloch‘ und so etwas, das ist noch das Harmlose“, sagt er. „Das ist das Tagesgesch­äft.“Wenn die Freiwillig­en bei einem Unfall Straßen sperren, kommen auch noch Gaffer hinzu. „Theoretisc­h würde ja ein Gesperrt-Schild reichen“, sagt Schmidt. Doch in der Praxis würden das viele Menschen schlicht nicht beachten. „Wenn Sie da nur ein Schild hinstellen, können Sie es auch gleich lassen.“

Bei großen Veranstalt­ungen, wie etwa dem Dillinger Nachtumzug, sichert auch die Polizei die Straßen, die Feuerwehrl­eute werden dort unterstütz­end eingesetzt. Wo es planbar und irgendwie machbar ist, sei die Polizei dabei, erklärt Katharina von Rönn von der Dillinger Polizei: „Wir sind sehr froh, dass die uns da unterstütz­en.“Die Polizei wisse die Arbeit der Ehrenamtli­chen zu schätzen. „Umso schlimmer ist es, wenn sie dann angegangen werden.“

Von Rönn bestätigt Schmidts Beobachtun­g. „Es ist leider wirklich so, dass das Verhalten gegenüber Amtsträger­n schlimmer wird“, sagt sie. Menschen, die auf ihr vermeintli­ches Recht beharren und sagen: „Der hat mir nichts zu verbieten“– so etwas kennen die Polizisten zu Genüge.

Kreisbrand­rat Schmidt erklärt, dass auch der zeitliche Aufwand enorm sei. Schließlic­h seien nicht alle Absperrdie­nste in einer halben Stunde erledigt. Eine Veranstalt­ung wie der Radelspaß von Donautal-Aktiv bedeute etwa, das 70 bis 80 Feuerwehrl­eute an diesem Wochenende Straßen absperren. Eben weil sie helfen wollen, dass so ein Event möglich ist. Aber: „Das ist ein massiver Personalei­nsatz“, sagt Schmidt. Die Ehrenamtli­chen teilen sich dann auf Schichten auf, weil, was er gut versteht, die wenigsten Lust hätten, ein komplettes Wochenende in der prallen Sonne zu stehen und Menschen zu sagen, dass diese Straße nicht befahrbar ist. „Und dann muss man sich auch noch beschimpfe­n lassen.“Was er sich wünscht: „Die Leute müssen erkennen, dass derjenige, der die Absperrung macht, nicht für sich selbst da steht, sondern für die anderen.“Der Ehrenamtli­che habe schließlic­h keinen Euro zusätzlich in der Tasche.

Das Ansehen von Feuerwehr und Polizei ist gesunken

 ?? Mabofoto@icloud.com/stock.adobe.com ?? Die Freiwillig­e Feuerwehr kann bei Unfällen oder Veranstalt­ungen in den Straßenver­kehr eingreifen und bestimmte Wege sperren. Es geht dabei immer darum, die Sicherheit zu gewährleis­ten. Doch die Ehrenamtli­chen sehen sich bei diesem Dienst oft Anfeindung­en ausgesetzt.
Mabofoto@icloud.com/stock.adobe.com Die Freiwillig­e Feuerwehr kann bei Unfällen oder Veranstalt­ungen in den Straßenver­kehr eingreifen und bestimmte Wege sperren. Es geht dabei immer darum, die Sicherheit zu gewährleis­ten. Doch die Ehrenamtli­chen sehen sich bei diesem Dienst oft Anfeindung­en ausgesetzt.

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