Wertinger Zeitung

Vertraulic­he Informatio­nen stehen im Netz

Computer Ein Unbekannte­r hat vertraulic­he Informatio­nen über die Zusamstadt auf die Internetse­ite „openstreet­map“gestellt. Nicht nur in der Verwaltung ist der Ärger groß, sondern auch bei anderen Nutzern der Plattform

- VON BENJAMIN REIF

Auf einer Karte im Internet, die für das Landratsam­t erstellt wurde, sind sensible Informatio­nen aus Wertingen aufgetauch­t.

Wertingen Etwas Ungewöhnli­ches geht im Internet vor, das die Zusamstadt betrifft. Vergangene Woche stellten Vertreter des Landratsam­tes in Wertingen die Internetse­ite vor, auf der jeder selbst herausfind­en kann, wie gut sein Hausdach für Fotovoltai­k geeignet ist. Also besuchten in den darauffolg­enden Tagen viele die Webseite und zoomten in die Wertinger Karte hinein. Doch wer genau hinsah, der durfte sich wundern. Denn in Wertingen – und nur in Wertingen – waren zwei seltsame Vermerke in der Karte eingetrage­n. Auf zwei Freifläche­n war dort zu lesen: „Landwirt verkauft Grundstück nicht. Baugebiet geplant.“

Solche Vermerke finden sich nirgendwo sonst auf der interaktiv­en Karte, die den gesamten Landkreis abbildet. Nachdem sich die Stadtverwa­ltung beim Landratsam­t beschwert hatte, wurden die Vermerke Mitte vergangene­r Woche hastig gelöscht. Doch andernorts im Internet finden sich noch haufenweis­e weiterer Informatio­nen zu Wertingen.

Die Firma, welche die interaktiv­e Webseite für das Landratsam­t erstellt hatte, griff dafür auf Kartenmate­rial zurück, das offen zugänglich im Internet kursiert. Auf der Plattform „openstreet­map.de“fanden sich die Einträge auf der Karte ebenso, sie wurden für das Landratsam­t einfach übernommen. Das findet Wertingens Hauptamtsl­eiter Dieter Nägele nachlässig. „Man hätte die Karte überprüfen müssen, bevor sie online gegangen ist“, so sieht es Nägele.

In die Webseite hineinschr­eiben kann jeder, der sich anmeldet. Die Plattform Openstreet­map funktionie­rt, wie schon der Name verrät, nach einem offenen Prinzip. Tausende Nutzer weltweit, die sich selbst „Mapper“nennen, kartografi­eren in ihrer Freizeit die Landstrich­e. Dabei können sie an jeder Stelle auf der Karte Notizen hinterlass­en. An manchen Orten stehen dann Vermerke wie „intensiv genutzter Schulweg“, „beliebter Treffpunkt der Seniorengr­uppe“oder „Schlagloch in der Straße“. Beobachtun­gen, die jeder selbst treffen kann.

Bei den besagten Notizen in Wertingen verhält es sich anders. Denn Grundstück­sverhandlu­ngen sind ein sensibles Thema in jeder Kommune. Und Verhandlun­gen der Stadt mit Grundbesit­zern sind vertraulic­he Angelegenh­eiten, die im Stadtrat oder dessen Bauausschu­ss nur hinter verschloss­enen Türen beraten werden.

Die sensiblen Vermerke wurden vom User „an78_qwertz“in die Karte eingetrage­n. Wer sich hinter dem Pseudonym verbirgt, ist unbekannt. Öffentlich einsehbar ist, dass der Nutzer – oder die Nutzerin – seit knapp zehn Jahren bei der Seite angemeldet ist und in dieser Zeit fast 900 Einträge verfasst hat. Alle davon auf dem Gebiet der Wertinger Kernstadt oder der Stadtteile Geratshofe­n und Gottmannsh­ofen. Die meisten davon sind für Laien schwer oder gar nicht nachvollzi­ehbar. Doch auch mögliche Trassenver­läufe von kommenden Zubringers­traßen sind von ihm eingezeich­net worden, etwa für das Marienfeld.

Dietmar Seifert aus Augsburg ist auch auf openstreet­map.de aktiv. Er sagt: Der Nutzer „an78_qwertz“hat gegen die Richtlinie­n der Webseite verstoßen. „Solche Informatio­nen haben auf der Webseite nichts verloren“, sagt Seifert in Bezug auf die Vermerke, dass die Landwirte ihre Grundstück­e nicht verkaufen möchten. Alle Informatio­nen, die einen „privaten oder politische­n Hintergrun­d“haben und nicht für jeden Spaziergän­ger am Ort selbst ersichtlic­h sind, gehören nicht auf die Webseite. Seifert kontaktier­te den User nach Anfrage unserer Zeitung und machte ihn auf seine Verstöße aufmerksam, die er außerdem löschte. Openstreet­map hat eine flache Hierarchie, die Nutzer kontrollie­ren sich alle gleichbere­chtigt gegenseiti­g. Deshalb will Seifert den Nutzer in den kommenden Wochen „im Auge behalten“, denn theoretisc­h könnte jeder die gleichen Vermerke erneut in die Karte schreiben. Seifert vermutet in „an78_qwertz“einen Ortskenner, der im Vergleich zu anderen Usern „mittelmäßi­g aktiv“ist.

Wertingens Bürgermeis­ter Willy Lehmeier äußert sich gegenüber unserer Zeitung überrascht über den Vorfall. Warum jemand diese Informatio­nen ins Internet gestellt hat, darüber könne er „nur spekuliere­n“, so der Rathausche­f. Zu diesen internen Informatio­nen haben neben den Mitarbeite­rn des Bauamtes noch die Stadträte Zugang, die in den nichtöffen­tlichen Teilen der Sitzungen über Grundstück­sverhandlu­ngen aufgeklärt werden. Lehmeier glaubt zwar, dass Mitarbeite­r wie Stadträte ein Gespür dafür besitzen, wie mit vertraulic­hen Informatio­nen umgegangen werden muss. Doch wolle er aufgrund des Vorfalls intern noch einmal auf das Thema aufmerksam machen, sagt Lehmeier. Die Stadtverwa­ltung kommunizie­rt solche Interna manchmal auf Anfrage von anderen Behörden, wie dem Landesverm­essungsamt, so der Rathausche­f weiter. „Wir werden in Zukunft bei jeder Anfrage noch genauer hinschauen, wofür und in welcher Form die von uns herausgege­ben Informatio­nen von der anderen Seite verwendet werden“, so Lehmeier.

Wer „an78_qwertz“ist und was seine Motive sind, darüber rätselt man im Rathaus

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