Ein Bayer in Arabien
Beziehungen Seit 1991 reist Peter Ramsauer in den Nahen Osten. Er weiß: Die Besuche sind ein Balanceakt. Ein Abwägen zwischen den eigenen Werten und Geschäftsmöglichkeiten. Wie bekommt er das hin?
Riad Peter Ramsauer sitzt in der Lobby des Hotels Kempinski in der saudischen Hauptstadt Riad und bestellt ein Glas Saudi Champagne – einen Cocktail, der prickelt wie Champagner, aber aus Apfelsaft, Wasser und Fruchtstücken besteht. Kein Alkohol. Der ist in dem islamischen Land verboten, immer noch. Als eine Frau mit offenen, langen Haaren durch die Lobby läuft, ist das für Ramsauer ein Zeichen, dass sich im Land etwas bewegt: „Vor ein paar Jahren hätte es das nicht gegeben“, sagt der Politiker. Frauen in SaudiArabien sind traditionell voll verschleiert, seit einigen Jahren bemüht sich das Land aber um Reformen.
In Deutschland kennt man Peter Ramsauer als bayerischen Politiker und früheren Verkehrsminister. Unbekannter ist er in seiner Rolle als Handelsreisender im Nahen Osten. Der 65-Jährige steht seit 2014 als Präsident der arabisch-deutschen Handelskammer Ghorfa vor. Sie wird von 22 arabischen Ländern getragen – darunter Staaten wie Marokko oder Ägypten, aber auch ÖlLänder. Aufgabe ist die Förderung der Wirtschaftsbeziehungen. Immer wieder führen Ramsauers Delegationsreisen in die arabische Welt. Die Reise nach Saudi-Arabien im Januar brachte ihm Aufmerksamkeit, aber auch Kritik ein. Grund: der Mord am Journalisten Dschamal Kaschoggi in der saudischen Botschaft in der Türkei. Dabei stehen solche Fahrten oft auf dem Ghorfa-Programm. Ende Februar etwa ist Ramsauer in Bahrain und im Oman.
Ramsauer weiß, dass so ein Besuch ein Balanceakt ist. Saudi-Arabien ist ein Land mit einer prekären Menschenrechtslage, verwickelt in den humanitär katastrophalen Krieg im Jemen. Jeden Kontakt abzubrechen wäre für ihn aber der falsche Weg. Saudi-Arabien habe eine andere Seite: Im Inneren ist es ein Land im Wandel. Die Gesellschaft öffnet sich, Reformen finden statt. Die Jugend sehnt sich nach internationalen Kontakten.
Der Hebel ist für Ramsauer die Wirtschaft. Der beste Weg, „neue Impulse zu geben“, sei, in die Länder zu fahren. Dies gelte speziell für Saudi-Arabien: „Frauen dürfen hier heute nicht nur Auto fahren, sondern, was viel wichtiger ist, am gesellschaftlichen Leben teilhaben“, sagt er. Seit 1991 habe er das Land immer wieder besucht. „Wir bemerken viel Fortschritt“, sagt der CSU-Politiker.
Vielleicht kommt es Peter Ramsauer zugute, dass er ein Grenzgänger ist. Seine Herkunft ist boden- ständig. Ramsauer ist gelernter Müllermeister, stieg in den Familienbetrieb ein, die Talmühle in Traunwalchen. Später stellte er die Mühle auf die Erzeugung von Wasserkraft um. Ramsauer ließ sich allerdings auch zum Konzertpianisten ausbilden, legte das Diplom aber nie ab. Stattdessen absolvierte er ein BWL-Studium, zur Hauptaufgabe aber wurde die Politik. Nach seinem Ausscheiden als Verkehrsminister Ende 2013 ist er im Bundestag geblieben und leitet seit Januar 2018 den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In der Heimat, in seinem Wahlkreis, ist er verwurzelt. Doch seine Arbeit führt den Bayern immer wieder in die arabische Welt.
Es ist die salopp-bayerische Art, ein Zug von leben und leben lassen, mit der Peter Ramsauer selbst einem Besuch in einem umstrittenen Land wie Saudi-Arabien Lockerheit verleiht. Die Gruppe aus rund 20 deutschen Geschäftsleuten ist zum Beispiel auf dem Weg zum SchuraRat, einer Art beratendem Parlament. Hinter dem prunkvollen Kuppelgebäude könne sich der Reichstag in Berlin verstecken, scherzt Ramsauer, dessen Spitzname aus Studientagen Ramses lautet. Und als er die Kritik an seiner Reise aus Deutschland hört, poltert er: „Wenn es nach den Vorstellungen der Grünen oder Linken ginge, dürfte die Bundesrepublik mit 80 Prozent aller Länder keinen Handel treiben.“Das kommt bei den saudischen Gästen an. Doch Ramsauer schafft es auch, die eigenen Positionen nicht zu verleugnen. Im Parlament sitzt er vier Abgeordneten gegenüber, zwei Frauen, zwei Männer. Deutschland habe ein Interesse an guten wirtschaftlichen Beziehungen, sagt Ramsauer. „Aber wir tun dies auf Basis unserer traditionellen europäischen Werte. Dazu gehören Menschen- und Arbeitnehmerrechte“, betont er. In Zweiergesprächen spricht er auch den Mord Kaschoggis und den Krieg im Jemen an.
Bei den saudischen Gesprächspartnern verfängt der offene Ton, die Haltung wird respektiert. Die begleitenden Geschäftsleute wissen, wie heikel eine Fahrt in Länder im Nahen Osten sein kann. Aus ihrer Sicht findet Ramsauer den richtigen Ton. „Er macht es das phänomenal“, sagt ein deutscher Geschäftsmann.
Bis auf den Jemen, Somalia, die Komoren und Libyen habe er inzwischen alle Ghorfa-Mitgliedsländer bereist, berichtet Ramsauer. Er habe den arabischen Raum als höchst unterschiedlich kennengelernt und auch als unkalkulierbar. Vier Monate vor dem Arabischen Frühling besuchte Ramsauer etwa Syrien. Kein Syrer sei damals auf die Idee gekommen, Instabilität könnte das Land erreichen.
Stets im Blick hat der CSU-Mann das Interesse der deutschen Unternehmen und die heimischen Arbeitsplätze. Deutsche Firmen seien in den Golfstaaten angesehen. Mit der arabisch-deutschen Handelskammer öffnen sich Türen. Der Sultan von Oman beispielsweise verehre Deutschland; ein Drittel des Jahres verbringe er hier. Diese Chancen will Ramsauer nutzen. Hört man sich in der Berliner Politik um, sagen selbst Oppositionspolitiker zu Ramsauers Reisen, dass es wichtig ist, den Dialog mit Ländern wie Saudi-Arabien aufrechtzuerhalten. Ein Politiker mahnt aber: „Keiner wirft der Wirtschaft vor, dass sie Geschäfte machen will, aber Politiker müssen mehr Güter abwägen.“Menschenrechte zum Beispiel gehören dazu.
Wenn er in den arabischen Ländern unterwegs ist, sieht Peter Ramsauer seine Mission darin, für Deutschland und seine Unternehmer ein Tor zu dieser Welt offenzuhalten. Als er aber am Ende in die Lufthansa-Maschine nach Hause einsteigt, wird er plötzlich bayerisch-bodenständig. Jetzt, meint er, freue er sich auf ein Bier.