Wertinger Zeitung

Jetzt ist der Klimawande­l in den Köpfen Debatte

Schüler in Augsburg streiken nun nachmittag­s fürs Klima. Sie wollen nicht nur als Schulschwä­nzer gelten – und haben den Tabubruch auch gar nicht mehr nötig

- VON SARAH RITSCHEL sari@augsburger-allgemeine.de

Was mussten die Schüler sich nicht alles an den Kopf werfen lassen: Als willenlose Marionette­n der Öko-Lobby wurden sie bezeichnet, als naive Träumer dargestell­t. Am häufigsten aber kam der Vorwurf, sie hätten einfach keine Lust auf Schule und würden deswegen ausgerechn­et zur Unterricht­szeit am Freitagvor­mittag für mehr Klimaschut­z demonstrie­ren. Wer jetzt am Freitagnac­hmittag durch die Augsburger Innenstadt ging, weiß, dass das nicht stimmt.

Bewusst haben die Augsburger Organisato­ren der Bewegung, die unter der Parole „Fridays For Future“ (Freitage für die Zukunft) weltweit aktiv ist, diesmal nachmittag­s protestier­t – genauso wie in Erlangen und in einigen anderen Städten. In München, der bayerische­n Streikhoch­burg, trafen sich wie zuletzt die Demonstran­ten vormittags.

Nach Angaben der Polizei kamen bis zu 700 Schüler in ihrer Freizeit auf den Augsburger Rathauspla­tz. Das ist ungefähr die Hälfte im Vergleich zur bislang größten Augsburger Klimademo Mitte Januar, auf deren Höhepunkt fast 1500 Jugendlich­e mit Plakaten durch die Stadt gezogen waren. Wer nur seine Vorurteile bestätigt sehen will, kann die Zahlen auf seine Weise deuten. 50 Prozent der Schüler, allesamt Heuchler! Aber wer so denkt, hat nicht begriffen oder nicht gemerkt, welch riesige Kraft „Fridays For Future“inzwischen besitzt. Die Bewegung hat es in die Köpfe der Menschen geschafft.

Am Anfang ging es nur um Strafen. Statt den Grund für die Wut der Jugendlich­en verstehen zu wollen, wurde über Nachsitzen und Verweise nachgedach­t.

Nur ein paar Wochen später hört die versammelt­e EU-Führungsri­ege sich die Forderunge­n der Schüler an, Kanzlerin Merkel redet über sie und Bayerns Umweltmini­ster will sogar mit ihnen reden. Schulleite­r berichten von Kindern, die freiwillig Mülltrennu­ngskonzept­e für ihre Schule ausarbeite­n und ihren Eltern mit Verweis auf die CO2-Bilanz Fernreisen ausreden. Und dann fällt noch das erfolgreic­hste Volksbegeh­ren der bayerische­n Geschichte in die Zeit der Klimademon­stration. Wie viel Anteil haben die Schüler daran, dass jeder Fünfte für mehr Artenschut­z unterschri­eb? Man wird es natürlich nie nachprüfen können.

Es war wichtig, dass die Streiks am Anfang in der Schulzeit stattfande­n. Denn Protest muss Regeln brechen, das weiß man seit Jahrhunder­ten. Wer polarisier­t, sichert sich Aufmerksam­keit. Inzwischen bekommt „Fridays For Future“diese ganz von selbst. Weil Millionen Menschen klar geworden ist, dass die Schüler recht haben.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Seit Wochen lassen Bayerns Schüler für mehr Klimaschut­z den Unterricht ausfallen. Auch in München brachen sie am Freitag wieder die Schulpflic­ht. In Augsburg – hier ein Bild vom Rathauspla­tz – wählten sie einen anderen Weg.
Foto: Silvio Wyszengrad Seit Wochen lassen Bayerns Schüler für mehr Klimaschut­z den Unterricht ausfallen. Auch in München brachen sie am Freitag wieder die Schulpflic­ht. In Augsburg – hier ein Bild vom Rathauspla­tz – wählten sie einen anderen Weg.

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