Wertinger Zeitung

Und die Oscars sollten gehen an …

Film Sonntagnac­ht werden in Hollywood die goldenen Trophäen vergeben. Hier wählen wir unsere Lieblinge unter den Nominierte­n in den sechs Hauptkateg­orien – mitsamt einer klaren Meinung zu den deutschen Chancen

- VON GREGOR PETER SCHMITZ, MICHAEL SCHREINER UND WOLFGANG SCHÜTZ

Interessan­ter Jahrgang? Jedenfalls einer, der viele Fragen aufwirft. Auch: Wie wird die globale MegaShow in ihrer 91. Auflage erstmals ohne Hauptmoder­ator, nachdem sich der vorgesehen­e Komiker Kevin Hart wegen homophober Sprüche selbst disqualifi­ziert hat? Aber vor allem: Wird mit „Roma“erstmals eine Netflix-Produktion den Kino-Olymp erobern?

Oder ist Musik Trumpf?

Mit „Bohemian Rhapsody“, „A Star Is Born“und „Green Book“bewegen sich gleich drei der acht Hauptnomin­ierten im Bereich von Pop-, Rock- und Jazz-Geschichte­n plus ihrer jeweils nominierte­n Stars bei den Darsteller­preisen. Anderersei­ts gibt es bislang überhaupt keine RassismusB­eschwerden, obwohl unter allen nominierte­n Schauspiel­ern nur ein einziger mit afroamerik­anischer Abstammung ist: Mahershala Ali. Vielleicht, weil sich durch „Green Book“mit ihm, „Black Panther“und „BlacKkKlan­sman“wiederum Christian Bale

Es gibt viele Menschen, die ein bisschen albern wirken in „Vice“, diesem Film von Adam McKay, der nicht einfach ein Film sein will, sondern ein Sittengemä­lde, ein cineastisc­her Comic-Streifen, eine Nahaufnahm­e der Macht und was sie mit Menschen macht. Da ist Sam Rockwell als (zu) unterbelic­hteter US-Präsident Bush, da ist Steve Carrell als (zu) überdrehte­r Verteidigu­ngsministe­r Donald Rumsfeld. Aber einer, der keine Minute dieses Films albern wirkt, ist der, um den alles kreist, Dick Cheney, der Mann im Schatten. Und das liegt daran, dass ihn ein Mann spielt, der seine Figur nie für einen albernen Gag, für eine Überzeichn­ung verraten würde: Christian Bale. Man muss Bale nicht mögen. Aber trotzdem: Es ist eine Frechheit, dass dieser Mann bislang nur einen Oscar zu Hause stehen hat. Mahershala Ali / Adam Driver gleich drei der acht als „Bester Film“Nominierte­n explizit mit diesem Thema beschäftig­en? Antworten gibt es in der Nacht zum Montag, als Abräumer-Favoriten dürfen bei je zehn Nominierun­gen „The Favourite“und „Roma“gelten.

Das ist ja auch von Belang für die deutsche Oscar-Frage 2019, die weit über dieses Jahr hinausreic­ht. Denn mit Florian Henckel von Donnersmar­ck könnte es erstmals ein deutscher Regisseur zu zwei Goldtrophä­en als „Bester Fremdsprac­higer Film“bringen – nach „Das Leben der Anderen“2007 nun mit „Werk ohne Autor“. Seine Chancen? Stehen eher schlecht. Wegen „Roma“eben, aber weil es mit „Cold War“und „Capernaum“zudem noch mehr hochkaräti­ge Konkurrenz gibt. Aber kann natürlich niemand wissen, was die Academy in Hollywood ausbrütet. Für die sechs Hauptkateg­orien sagen wir hier, wer unserer Meinung nach gewinnen sollte.

Live ProSieben überträgt wieder in TV und Internet – ab 23.55 Uhr vom roten Teppich, ab 2 Uhr die Preisverle­ihung. / Bradley Cooper / Willem Dafoe / Rami Malek / Viggo Mortensen / Sam Elliott / Richard E. Grant / Sam Rockwell

Als dichtender Busfahrer in Jim Jarmuschs stillem schönen Film „Paterson“(2016) war er eine Idealbeset­zung, was man für seine Verkörperu­ng des Kylo Ren in der Star-Wars-Reihe nicht unbedingt sagen kann. Als jüdischer Polizeibea­mter Flip Zimmerman, der sich in den 1970er Jahren beim KuKlux-Klan einschleic­ht und dort als „weißer Mann“das Alter Ego seines schwarzen Ermittler-Kollegen Ron Stallworth spielt, überzeugt der 35-jährige Adam Driver durch Seelenruhe im Holzfäller­hemd. In Spike Lees Filmdrama nach einer wahren Geschichte ist Driver der Mann, der hohes Risiko geht und sich mit maximaler Geistesgeg­enwart maximal verstellen muss. Der introverti­erte

Flip mit seinem klaren inneren Kompass ist der Anker in Spike Lees Meisterstü­ck. The Favourite / Das Rennen war gelaufen, als die Tiere ins Bild kamen. Wer kann einen Film nicht ehren wollen, in dem von dekadenten Adeligen Enten-Wettwatsch­elturniere veranstalt­et werden? Die sich danach, aus purer Langeweile, am liebsten diese Enten in den Rachen stopfen? Kostümfilm, das klingt so bieder. Aber das war, bis Giorgos Lanthimos sich an das Genre wagte und gleich drei der besten Schauspiel­erinnen

(Olivia Colman! Rachel Weisz! Emma Stone!) in einen

Reigen um Aufmerksam­keit, Sex – und einfach Liebe! – verstrickt­e. Man wird sich nach diesem Film nicht an einen Königshof wünschen. Sondern so genau wie Lanthimos beschreibe­n zu können, dass der Mensch ein Mensch bleibt, gleich, ob er jeden Morgen in

Tonnen von Samt geschnürt wird oder im Stall haust. Alfonso Cuarón / Giorgos Lanthimos / Spike Lee / Adam McKay / Pawel Pawlikowsk­i

„Roma“also. Ja, trotz der Netflix-Debatte. Denn dies ist (knapp vor Pawlikowsk­i mit „Cold War“) das stärkste Werk eines Filmemache­rs in dieser Konkurrenz, verantwort­lich ja auch für Kamera und Story: Alfonso Cuarón. Man musste ihn für seine Neuerzählu­ng von Dickens’ „Große Erwartunge­n“lieben, Potter-Fans genossen seinen Askaban-Teil. Oscarprämi­ert wurde er bereits für das Science-Fiction-Kammerspie­l „Gravity“. Mit dem so ganz anderen, elegischen, bildstarke­n, sozial-politische­n, geradezu altmeister­lichen schwarz-weißen „Roma“kehrt er nach MexikoStad­t heim. Und liefert mit Mut zur Ästhetik und einer atmenden Geschichte das beste Plädoyer fürs Kino, gegen das Streamen. Dieser Film wirkt nur konzentrie­rt und auf großer Leinwand. Dann aber richtig. Yalitza Aparicio / Glenn Close / Olivia Colman / Lady Gaga / Melissa McCarthy

Wenn es einen eindeutige­n Oscar gibt dieses Jahr, dann in dieser Kategorie. Glenn Close wird bei ihrer siebten Nominierun­g nun endlich die höchsten Ehren erhalten – und das geht auch absolut in Ordnung. Sie ragt mit ihrer schieren Präsenz dermaßen aus dem ansonsten eher mittelmäßi­gen und klischeeha­ften „Die Frau des Nobelpreis­trägers“heraus, dass man darin sogar einen doppelten Triumph von Frau und Charakter verstehen kann. Die Wahl des Herzens aber ist eine andere: Stefani Joanne Angelina Germanotta, ja – Lady Gaga! Ausgerechn­et sie, die Pop-Art-Figur, wirkt gleich in ihrem Debüt in „A Star Is Born“samt selbst geschriebe­ner Songs und an der Seite von Bradley Cooper so ungeschmin­kt schön, so unmittelba­r und hinreißend – kaum zu fassen und vielleicht ein einmaliger Glückfall. Rachel Weisz

Ungewöhnli­che Konstellat­ion im Oscar-Rennen: Gleich zwei „Neben“-Rollen (wobei das zu diskutiere­n wäre in einem Film, der von drei ebenbürtig stark spielenden Frauen getragen wird) aus „The Favourite“sind nominiert. Emma Stone oder Rachel Weisz? In diesem Fall ist – Herzschlag­finale – Rachel Weisz vorne. Weil sie mit ihrer kalten Prägnanz und famos kontrollie­rten Leidenscha­ft, ihrer furchteinf­lößend-makellosen Schönheit die Kinoleinwa­nd durchschne­idet wie der Maler Luigi Fontana einst seine Bilder. Die 50-Jährige, die schon einen „Neben“-Oscar hat

(2006, „Der ewige Gärtner“), ist als Sarah Churchill eine Frau, die man sich weder zur Freundin noch zur Feindin wünscht – und doch gegen beides vollkommen wehrlos ist.

 ??  ?? BESTER FILMBlack Panther / BlacKkKlan­sman / Bohemian Rhapsody / Green Book / Roma / A Star Is Born / Vice BESTE REGIE BESTE HAUPTDARST­ELLERIN BESTE NEBENDARST­ELLERINAmy Adams / Marina de Tavira / Regina King / Emma Stone /
BESTER FILMBlack Panther / BlacKkKlan­sman / Bohemian Rhapsody / Green Book / Roma / A Star Is Born / Vice BESTE REGIE BESTE HAUPTDARST­ELLERIN BESTE NEBENDARST­ELLERINAmy Adams / Marina de Tavira / Regina King / Emma Stone /
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BESTER NEBENDARST­ELLER
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Florian Henckel von Donnersmar­ck
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