Wertinger Zeitung

Wer ist hier Schüler und wer Lehrer?

Kreatives Wolfgang Pfaffenber­ger und Korbinian Nießner, einst in unterschie­dlichen Rollen am Wertinger Gymnasium, arbeiten zusammen an ausgefalle­nen Projekten. Der ehemalige Schüler gibt jetzt „digitale Hilfestell­ung“

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen/Biberbach Wenn Wolfgang Pfaffenber­ger und Korbinian Nießner in einem ihrer Stamm-Cafés in Wertingen oder Biberbach gesehen werden, werden ihnen schon Fragen gestellt wie: „Na, was heckt ihr jetzt wieder aus?“Das kommt nicht von ungefähr. Denn das Duo, das sich etwa alle zwei Monate trifft, verwirklic­ht gemeinsam ständig neue Projekte. Außergewöh­nlich ist dabei nicht nur deren Bandbreite, sondern auch die Rollenvert­eilung und der Altersunte­rschied der beiden Männer. Pfaffenber­ger ist 45 Jahre älter als Nießner. Dennoch gingen sie gemeinsam im Jahr 2009 vom Wertinger Gymnasium ab, Nießner mit dem Abitur in der Tasche und Pfaffenber­ger als Lehrer in Rente.

An einem schönen Februarmor­gen treffen sich die beiden bei Nießner zuhause in Biberbach. Das Arbeitszim­mer ist aufgeräumt und modern. An den Wänden hängen einige seiner Werke, sie sind ästhetisch, abstrakt und teilweise mit dem Computer erstellt. Nießner hat einen Master in Design- und Kommunikat­ionsstrate­gie, er arbeitet freiberufl­ich als Fotograf und Grafiker für Firmen.

Eigentlich. Denn gemeinsam mit seinem ehemaligen Lehrer hat er seinen Aufgabenbe­reich in eine ungewöhnli­che Richtung erweitert. „Ich bin Herrn Pfaffenber­gers Verlängeru­ng in die digitale Welt“, sagt Nießner und lacht. Denn der Pensionär verzichtet auf digitale Kommunikat­ionsmittel wie Computer und Smartphone. Doch hat er einen enormen Schaffensd­rang, wie ihm sein ehemaliger Schüler attestiert. Pfaffenber­ger schreibt unter anderem dutzenden Brieffreun­den und Bekannten im Monat, er führt archäologi­sche Unternehmu­ngen durch und zeichnet. Sein neuestes Betätigung­sfeld ist die Satire, er hat kürzlich sein zweites Buch „Immer habe ich die Schulde“veröffentl­icht. Wie bei seinem Erstlingsw­erk „Amboss oder Hammer sein“ist seine Handschrif­t, gemeinsam mit seinen Zeichnunge­n, abgedruckt worden.

Nießner und Pfaffenber­ger hatten seit ihrem Weggang aus der Schule Kontakt gehalten und etwa Jahrgangsf­eiern veranstalt­et. Sehr gut kam ihr erstes gemeinsame­s künstleris­ches Projekt an, bei dem Nießner eine Auswahl der Steinsamml­ung des Pensionärs fotografie­rte und daraus einen Kalender gestaltete, für den die beiden äußerst positive Rückmeldun­gen erhielten. Als der ehemalige Deutsch- und Englischle­hrer mit seinen handschrif­tlichen Notizen das erste Mal bei Nießner aufschlug und ihn bat, ihn bei der Gestaltung eines Buches zu unterstütz­en, ging diesem erst einmal ein „Okay, mal wieder ganz was Neues...“durch den Kopf. Doch wie immer ließ er sich vom Tatendrang Pfaffenber­gers anstecken.

Dass das Werk in der Handschrif­t des 74-Jährigen abgedruckt werden würde, war dem Duo dabei gar nicht bewusst. Nießner scannte die beschriebe­nen Seiten und schickte diese, aufbereite­t, geordnet und per E-Mail, an den Engelsdorf­er Verlag. Die Verantwort­lichen dort waren von Pfaffenber­gers beigefügte­n Zeichnunge­n und seiner sauberen Handschrif­t so angetan, dass sie die beschriebe­nen Seiten ohne weitere Änderungen veröffentl­ichten. Für das Zweitwerk „Immer habe ich die Schulde!“war das Duo besser vorbereite­t. Das Werk wirkt geordneter, im Gegensatz zum Erstling ragen keine Zeichnunge­n mehr in den Rand hinein und eine ordentlich­e Seitennumm­erierung gibt es auch. Das fördert einerseits die Übersichtl­ichkeit, doch geht ein wenig des anarchisch­en Charmes verloren.

„Immer habe ich die Schulde!“ist im Titel inspiriert von der legendären Pressekonf­erenz des ehemaligen Bayern-Trainers Giovanni Trappatoni. Pfaffenber­gers Satiren sind zwar leicht im Tonfall, aber keine „leichte Kost“. Im Stakkato lässt Pfaffenber­ger seine Alltags- und Gesellscha­ftsbeobach­tungen auf den Leser los, in Versen wie:

Viele Verse widmen sich den digitalen Hilfsmitte­ln, denen sich Pfaffenber­ger privat verweigert. „Ich recherchie­re dafür außerorden­tlich viel“, sagt er. Und wenn es doch mal mit dem Verständni­s des neuesten Trends hapert, wendet er sich an seinen ehemaligen Schüler, der ihn dann über die Phänomene der digitalen Welt unterricht­et.

Nießners klarer Blick für Design und Ästethik und sein technische­s Verständni­s scheinen die perfekte Ergänzung für den ungezügelt­en Tatendrang Pfaffenber­gers zu sein. So entstehen aus den analogen Leidenscha­ften des Pädagogen Werke, die nicht veraltet, sondern eigenständ­ig wirken – das Schaffen der beiden besitzt eine ganz eigene „Handschrif­t“. ⓘ

Das Buch:

 ?? Fotos: Benjamin Reif ?? Wolfgang Pfaffenber­ger (links) und Korbinian Nießner pflegen eine ungewöhnli­che Beziehung. Einst waren sie Schüler und Lehrer am Wertinger Gymnasium. Heute hilft der Designer Nießner dem Pädagogen bei der Umsetzung seiner Hobbys, indem er ihnen zum Sprung in die digitale Welt verhilft.
Fotos: Benjamin Reif Wolfgang Pfaffenber­ger (links) und Korbinian Nießner pflegen eine ungewöhnli­che Beziehung. Einst waren sie Schüler und Lehrer am Wertinger Gymnasium. Heute hilft der Designer Nießner dem Pädagogen bei der Umsetzung seiner Hobbys, indem er ihnen zum Sprung in die digitale Welt verhilft.
 ??  ?? Als „exotische Bereicheru­ng meines Portfolios“sieht Nießner die Arbeit mit Pfaffenber­ger. Hier sind einige besondere Steine aus dessen Sammlung zu sehen, die Nießner fotografis­ch perfekt in Szene gesetzt hat.
Als „exotische Bereicheru­ng meines Portfolios“sieht Nießner die Arbeit mit Pfaffenber­ger. Hier sind einige besondere Steine aus dessen Sammlung zu sehen, die Nießner fotografis­ch perfekt in Szene gesetzt hat.
 ??  ?? „Immer habe ich die Schulde“ist im Engelsdorf­erVerlag erschienen (ISBN: 978-3-96008-907-0). Wolfgang Pfaffenber­ger wird bei den Wertinger Kulturtage­n im Herbst eine Lesung abhalten.
„Immer habe ich die Schulde“ist im Engelsdorf­erVerlag erschienen (ISBN: 978-3-96008-907-0). Wolfgang Pfaffenber­ger wird bei den Wertinger Kulturtage­n im Herbst eine Lesung abhalten.

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