Wertinger Zeitung

„Auch im Kreis Dillingen ist die Natur nicht intakt“

Umwelt Darüber könnten auch reizvolle Landschaft­en in der Region nicht hinwegtäus­chen, warnt der Bund Naturschut­z. Die Kreisgrupp­e kritisiert, dass der Mensch „die Wildnis nicht mehr erträgt“. Eine Stadt kommt besonders schlecht weg

- VON BERTHOLD VEH

Landkreis Wer nicht den Aufzug nimmt, kommt leicht außer Atem: Die neue Geschäftss­telle der Kreisgrupp­e Dillingen des Bund Naturschut­z (BN) ist im vierten Stock des alten Dillinger Krankenhau­ses. „Ich habe noch wenig Besuch“, sagt die Kreisgesch­äftsführer­in Petra Semet, die jeden Donnerstag von 10 bis 13 Uhr das Büro öffnet. In den vergangene­n Tagen kamen allerdings mehr Interessen­ten in die BN-Kreisgesch­äftsstelle in der Regens-WagnerStra­ße 2. Auslöser war das Artenschut­z-Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“, das im Landkreis Dillingen 15,8 Prozent der Stimmberec­htigten unterzeich­net haben. Für BN-Kreisvorsi­tzende Heidi Terpoorten ist das ein ausgezeich­netes Ergebnis. „Wir sind super“, sagt die Grünen-Bezirksrät­in, denn Dillingen sei ein Landkreis, in dem Tierhaltun­g eine große Rolle spiele. Deshalb habe sie Zweifel gehabt, ob die Zehn-Prozent-Hürde in der Region übersprung­en wird. Umso mehr freue sie sich jetzt über „dieses tolle Ergebnis“.

Heidi Terpoorten (Binswangen) und ihr Stellvertr­eter Thomas Hefele (Wolpertste­tten) sehen den Bund Naturschut­z im Landkreis vor einem neuen Höhenflug. Die Mitglieder­zahlen seien in den vergangene­n Jahren nach oben gegangen und liegen jetzt bei etwa 1800. Aber auch die Dillinger BN-Kreisgrupp­e stehe vor der Herausford­erung, aktiven Nachwuchs zu gewinnen. Ortsgruppe­n gebe es in Holzheim, Gundelfing­en, Deisenhofe­n (Goldberg), Bissingen und Wertingen, wovon die beiden letztgenan­nten derzeit wiederbele­bt würden. Viele Menschen hätten jetzt erkannt, „dass auch im Landkreis Dillingen die Natur nicht intakt ist“, sagt Hefele. Das Insektenst­erben sei Auslöser für viele Probleme. Weil es im vergangene­n Jahr zudem sehr trocken war, gebe es jetzt kaum Vögel. Und die Population­en würden sich auch nicht in einer Saison erholen.

Nicht gut zu sprechen sind die Naturschüt­zer derzeit auf eine Kommune im Landkreis. „Die Stadt Höchstädt drückt sich permanent aus der Verantwort­ung“, sagt Hefele. Er und Terpoorten kritisiere­n scharf die vom Stadtrat beschlosse­ne Aufgabe des Wasserschu­tzgebietes zugunsten einer Nord-Umfahrung, zumal es mit der Bahntrasse eine bessere Alternativ­e gebe (wir berichtete­n). Die BN-Kreisgrupp­e werde gegen diese Entscheidu­ng klagen, kündigt Vorsitzend­e Terpoorten an. Der Bund Naturschut­z sehe grundsätzl­ich seine Aufgabe darin, alle rechtliche­n Möglichkei­ten auszu- schöpfen, um ökologisch­e Fehlentwic­klungen zu vermeiden.

Die Kreisvorsi­tzende kritisiert den Anschluss an die Bayerische Rieswasser­versorgung (BRW), die bei bestimmten Engpässen Versorgung­sprobleme bekommen könnte. „Dieses Missmanage­ment soll nun durch Verträge mit dem noch größeren Wasservers­orger Fränkische­r Wirtschaft­sraum (WFW) behoben werden“, glaubt Terpoorten. Das Wasser aus den Brunnen der Stadt Höchstädt und aus den Brunnen der Rieswasser­versorgung in der Nähe von Blindheim, Schwenning­en und Steinheim sei qualitativ so hochwertig, dass es ungechlort genutzt werden konnte. Die WFW müsse ihr Wasser wegen der langen Leitung nach Franken aber chloren. Terpoorten sagt: „Kunden der BRW tauschen somit gutes, ungechlort­es Wasser gegen teures, gechlortes Wasser und zahlen dafür noch.“Ein zweiter Punkt, der der BN-Kreisgrupp­e missfällt, sind die Massentier­haltungen auf Höchstädte­r Flur, denen der Stadtrat sein Einvernehm­en erteilt habe.

Ein Dorn im Auge ist Terpoorten, dass das Naturschut­zprojekt Mertinger Höll bei Buttenwies­en nicht vorangehe. Dort habe es mit dem Amt für Ländliche Entwicklun­g Abmachunge­n gegeben, dass Flächen zusammenge­legt und wiedervern­ässt werden sowie Bäume für die Wiesenbrüt­er gefällt werden sollen. Die Regierung von Schwa- ben habe nun alles über den Haufen geworfen. Dies will die BN-Kreisgrupp­e keineswegs hinnehmen. Wenn die Regierung nicht einlenke, soll es ebenfalls eine Klage geben.

Dass wegen des Befalls mit dem Eichenproz­essionsspi­nner im Wertinger Stadtteil Rieblingen zwei Dutzend Bäume gefällt wurden, können die Naturschüt­zer nicht nachvollzi­ehen. Es gebe die Möglichkei­t, anders mit diesem Problem umzugehen, meint Terpoorten. „Ein Ansatz ist es, den Menschen zu sagen, dass sie da wegbleiben sollen.“Und dann könne man ja auch die Nester entfernen. Im Dillinger Eichwaldba­d, das seinen Namen von den Eichen hat, seien die Bäume nach dem Befall ja auch nicht umgemacht worden. Die Fällung der alten „Napoleonst­anne“sei ebenfalls unnötig gewesen. Die Stadt Wertingen habe das Thema schnell vom Tisch haben wollen und dem Vorschlag, den Baum mit einem stützenden Carbon-Skelett zu erhalten, keine Chance gegeben.

Der BN-Kreisgrupp­e gefällt die Initiative „Unser Landkreis blüht auf“, die Landrat Leo Schrell mit mehr als 120 Vertretern aus den Landkreisg­emeinden in Unterliezh­eim gestartet hat. Die Ziele müssten jetzt aber über das Volksbegeh­ren umgesetzt werden, sagt Terpoorten. Hefele fügt hinzu, dass ein grundsätzl­iches Umdenken notwendig sei. Gräben und Gewässeruf­er würden „totgepfleg­t“. Es müsse einfach viel weniger getan und das Schlegeln unterlasse­n werden, denn das mache 95 Prozent der Lebewesen kaputt. „Der Mensch erträgt die Wildnis nicht mehr“, bedauert Hefele. Er nennt die Wildblumen­fläche an der Dillinger Donaubrück­e als Beispiel. Die sollte nicht im Herbst abgeräumt werden, sondern erst im Frühjahr.

Bei den Flutpolder­n hat Terpoorten ebenfalls eine klare Meinung. „Wir wollen keine.“Denn es brauche für diese Wasserrück­haltebecke­n „monumental­e Bauwerke“. Die Naturschüt­zer fordern eine Rückkehr zu natürliche­n Wasserläuf­en. Die Zuflüsse zur Donau müssten reguliert werden. Und wenn nicht alle Gräben ausgemäht würden, dann verlangsam­e sich auch die Fließgesch­windigkeit.

Das Aktionsbün­dnis „Rettet die Bienen“stößt am Montag, 25. Februar, um 19 Uhr in der Kulturknei­pe Chili in Dillingen auf seinen Erfolg beim Volksbegeh­ren an.

 ??  ?? Der Landkreis Dillingen verfügt über reizvolle Landschaft­en, wie dieser Blick vom Michelsber­g bei Fronhofen auf die Kessel zeigt. Die Natur sei aber auch in der Region nicht intakt, betont die Kreisgrupp­e des Bund Naturschut­z. Das Insektenst­erben und die Trockenhei­t haben dafür gesorgt, dass die Zahl der Vögel drastisch zurückgega­ngen sei.
Der Landkreis Dillingen verfügt über reizvolle Landschaft­en, wie dieser Blick vom Michelsber­g bei Fronhofen auf die Kessel zeigt. Die Natur sei aber auch in der Region nicht intakt, betont die Kreisgrupp­e des Bund Naturschut­z. Das Insektenst­erben und die Trockenhei­t haben dafür gesorgt, dass die Zahl der Vögel drastisch zurückgega­ngen sei.
 ?? Fotos: Berthold Veh/Peter von Neubeck ?? Im vierten Stock des alten Dillinger Krankenhau­ses befindet sich die Geschäftss­telle der Dillinger Kreisgrupp­e des Bund Naturschut­z. Geschäftsf­ührerin Petra Semet (rechts) ist jeden Donnerstag­vormittag von 10 bis 13 Uhr vor Ort. Über ihre Unterstütz­ung freuen sich Kreisvorsi­tzende Heidi Terpoorten und Zweiter Vorsitzend­er Thomas Hefele.
Fotos: Berthold Veh/Peter von Neubeck Im vierten Stock des alten Dillinger Krankenhau­ses befindet sich die Geschäftss­telle der Dillinger Kreisgrupp­e des Bund Naturschut­z. Geschäftsf­ührerin Petra Semet (rechts) ist jeden Donnerstag­vormittag von 10 bis 13 Uhr vor Ort. Über ihre Unterstütz­ung freuen sich Kreisvorsi­tzende Heidi Terpoorten und Zweiter Vorsitzend­er Thomas Hefele.

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