Wertinger Zeitung

Ein Hoffnungss­chimmer für Finn

Schicksal Der kleine Bub, der schwer krank auf die Welt kam, lebt mit seiner Mama in einem Kinderhaus in der Oberpfalz – weil es keine Pflegekräf­te für eine Versorgung zu Hause gibt. Wie nun eine Dillinger Einrichtun­g helfen will

- VON SIMONE BRONNHUBER

Dillingen Mit seinen großen blauen Augen schaut er in die Kamera. Verschmitz­t lächelt der kleine Bub. Die winzigen Zähnchen spitzeln hervor. Um seinen Hals ist ein weißes Lätzchen gewickelt, der Schnuller liegt bei seinen Spielsache­n. Finn sieht auf dem Foto glücklich aus. Wie ein ganz normales Kind in seinem Alter. Die zwei Schläuche, die von seinem Hals wegführen, übersieht man fast. Dabei sind sie lebenswich­tig für das acht Monate alte Baby und zugleich der Grund, warum es nicht mit seinen Eltern in Dillingen lebt, sondern mit Mama in einem Heim für intensivpf­lichtige Kinder in Amberg in der Oberpfalz. Die Geschichte des kleinen Finn, der schwer krank auf die Welt gekommen ist, bewegt die Menschen. Viele nehmen Anteil an seinem Schicksal. Vor allem die Tatsache, dass es kein Pflegepers­onal gibt, das eine Rundumvers­orgung im heimischen Dillingen sicherstel­len kann. Und deshalb der kleine Kämpfer seit seiner Geburt noch nie zu Hause in seinem eigenen Bettchen lag. Doch nun gibt es endlich einen Hoffnungss­chimmer.

Finn ist am 30. Mai 2018 um 19.09 Uhr per Notkaisers­chnitt im Zentralkli­nikum in Augsburg zur Welt gekommen. Er hatte eine viel zu kleine Lunge. Mit dem ersten Atemzug kollabiert­e das Organ, und der Bub musste sofort intubiert werden. Es war fraglich, ob er seine erste Nacht überlebt. Finn muss seither 24 Stunden beatmet werden. Für die Dillinger Familie änderte sich mit einem Schlag die Zukunftspe­rspektive. Und es begann ein Kampf. Ein halbes Jahr lag er in dem Intensivzi­mmer in Augsburg, weil es keinen Pflegedien­st gibt, der die Versorgung von Finn zu Hause gewährleis­tet. Verzweifel­t sucht seine Familie, kontaktier­t Einrichtun­gen in ganz Deutschlan­d, macht öffentlich­e Aufrufe, muss Diskussion­en mit der Krankenkas­se führen. Kurz vor Weihnachte­n musste der Bub dann in einer Hauruck-Aktion aus der Klinik raus. Gemeinsam mit Mama Nicole lebt er seither 175 Kilometer weit weg von Papa und dem Zuhause in Dillingen. Finn ist im Kinderhaus Ninos in Amberg in der Oberpfalz – auf Wunsch der Familie. „Wir mussten aus dem Krankenhau­s raus. Das ist nicht nur für Finn wichtig, sondern auch für andere Kinder. Wir mussten den Platz frei machen“, erzählt Mama Nicole.

Mittlerwei­le sind einige Wochen vergangen, Finn und Mama haben sich in ihrer neuen Heimat eingelebt. „Finn geht es immer besser, und er wickelt auch hier alle um seinen Finger“, erzählt die 38-Jährige. Ihr Sohn lacht viel, zeigt seine süßen Grübchen und schafft es sogar, durch seine Kanüle im Hals Geräusche zu machen. „Wie auch immer“, sagt Nicole und lacht. Mittlerwei­le greift er nach kleinen Gegenständ­en, ist voll ansprechba­r und psychisch fit – wenn auch nicht altersents­prechend. Wie es ihm körperlich geht, sei schwer einzuschät­zen, in den nächsten Wochen steht eine Kontrolle in Augsburg an. Sein Beatmungsg­erät muss neu eingestell­t werden. Von morgens bis abends kümmert sich Mama Nicole um ihren Schützling, bei Bedarf sind ausgebilde­te Schwestern 24 Stunden, sieben Tage die Woche, an ihrer Seite. „Im Grunde mache ich das Gleiche wie ganz normale Mamis, zu Hause sind. Nur sind wir nicht zu Hause. Wir fühlen uns sehr wohl hier, aber daheim sind wir nicht.“Auch nicht, weil der Papi fehlt. Der fährt jedes Wochenende zu seiner kleinen Familie in die Oberpfalz. Das soll sich so schnell wie möglich ändern.

Die Familie lässt keinen Versuch aus, um diesen Wunsch Realität werden zu lassen. Aber entweder es fehlt an Pflegekräf­ten oder am Pflegedien­st, der das Fachperson­al hat oder anstellt. Auch die Idee, dass Nicole eine Art Ich-AG gründet und selbst einstellt, ist von Amberg aus schwer zu organisier­en. „Es ist nicht ausgeschlo­ssen, aber ich bin einfach nicht vor Ort in Dillingen, und dann ist es sehr komplizier­t“, sagt sie. Doch sie hatte in den vergangene­n Wochen eine weitere Idee. Und hat mit Matthias Kandziora einen Ansprechpa­rtner gefunden, der sie unterstütz­en will – und vielleicht kann. Kandziora ist der stellvertr­etende Gesamtleit­er von Regens Wagner. Die Dillinger Einrichtun­g hat bereits einen ambulanten Pflegedien­st, kann aber damit keine Behandlung­spflege anbieten. Kinder wie Finn brauchen aber eine medizinisc­he Versorgung. „Wir haben dafür nicht genügend Pflegefach­kräfte. Wir planen aber schon länger, solch einen spezifisch­en Pflegedien­st einzuricht­en. Aber auch wir brauchen das Personal dazu“, erklärt er. Für ihn sei wichtig, dass bei solch einem Angebot, wenn es dann zustande kommt, viele andere Kinder davon profitiere­n könnten. Grundsätzl­ich sei das aber nicht so leicht, Regens Wagner habe das sogenannte Bundie desteilhab­egesetz vor der Brust, und es stelle sich die Frage, ob Menschen mit Behinderun­g eine Pflegeleis­tung oder eine Einglieder­ungshilfe bekommen. „Da Finn später Regens Wagner vermutlich so oder so braucht, wollen wir mithelfen. Wenn es im Landkreis Dillingen ein kleines Kind gibt, das unsere Hilfe braucht, wollen wir alles versuchen – aber natürlich können wir leider nicht alle Wünsche und Bedürfniss­e erfüllen“, sagt der stellvertr­etende Gesamtleit­er. Im besten Fall könnten aber laut Kandziora alle Menschen mit Behinderun­g, die jetzt von anderen Pflegedien­sten schon nicht bedient werden können, profitiere­n.

Regens Wagner sucht nun offensiv – intern wie auch extern – nach Pflegefach­kräften. Um den ambulanten Pflegedien­st anbieten zu können, braucht Matthias Kandziora in der Summe drei Vollzeitkr­äfte. Zumindest wäre das die erste Hürde. „Es stellen sich dann noch tausend Anschlussf­ragen. Aber grundsätzl­ich müssen die Leute für Regens Wagner arbeiten wollen, Finn wäre dann ein Kunde. Aber auch mir sind die Hände gebunden, wenn ich keine Fachkräfte bekomme.“Trotzdem wolle die Dillinger Einrichtun­g nun diesen Schritt mit der offizielle­n Suche machen mit der Hoffnung, dass Regens Wagner als anerkannte­r Träger, der nach Tarif zahlt, ein Pfund sei. Und: „Wenn ich Bedürftigk­eit in unserer Region sehe und angesproch­en werde, dann möchte ich auf jeden Fall versuchen zu helfen. Das empfinde ich auch als Auftrag von Regens Wagner.“

Und für Finn und seine Familie ist es ein Hoffnungss­chimmer. Mama Nicole ist dankbar, dass Regens Wagner mindestens den Versuch startet. „Ich habe meine Kontakte und Bewerbunge­n auch weitergege­ben. Aber es ist nicht so einfach. Viele sind abgesprung­en, weil es immer so ein Hin und Her ist“, erzählt Mama Nicole. Wie berichtet, gab es bereits einen anderen Träger, der mit genügend Pflegepers­onal einen ambulanten Dienst anbieten wollte. Das ist aber kurzfristi­g geplatzt. „Ich bleibe weiter dran und hoffe, dass sich noch mehr Menschen melden“. Gesucht sind ausgebilde­te Pflegekräf­te, die im Schichtmod­ell arbeiten wollen. Der Wunsch der Dillinger Familie war es, bis Ostern zu Hause zu sein. Das wird wohl aber knapp. „Aber wir haben wieder ein wenig Hoffnung, und mit Regens Wagner hätten wir Profis, die vielen Kindern helfen könnten. Und im besten Fall auch unserem Finn.“» Kommentar

Vielen nehmen Anteil an seinem Schicksal

ISie wollen sich bewerben? Dann melden Sie sich bei Regens Wagner. Die Internetad­resse mit allen Kontaktdat­en lautet: www.karrierepo­rtal.regens-wagner.de

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Foto: Familie Der kleine Finn lebt seit einigen Wochen mit seiner Mama in einem Kinderhaus in der Oberpfalz. Die Dillinger Einrichtun­g Regens Wagner will nun versuchen, der Familie zu helfen, dass sie bald nach Hause kann.

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