Wertinger Zeitung

Kopfrechne­n statt Muskelkraf­t

Selbsttest Die „Steeldarte­r“aus Kühlenthal sind einer der wenigen Vereine, die ihrem Hobby nicht in der Kneipe nachgehen, sondern seit kurzem ein eigenes Heim haben. Beim Test wurde es allerdings beschädigt

- VON OLIVER REISER

Kühlenthal Im vergangen Jahr hat Bauer Bernhard aus dem Weiler Ahligen mit seiner Teilnahme bei der Fernsehsho­w „Bauer sucht Frau“dafür gesorgt, dass Kühlenthal zu bundesweit­er Bekannthei­t gekommen ist. Die 851-Einwohner-Gemeinde im nördlichen Landkreis Augsburg hat aber noch eine weitere Besonderhe­it zu bieten. Die „Steeldarte­r“Kühlenthal dürften einer der wenigen Dart-Clubs sein, der über ein eigenes Vereinshei­m verfügt. Ansonsten wird das Spiel mit den bunten Pfeilen meist in Kneipen gespielt. So sehen auch die Protagonis­ten Michael van Gerwen, Peter Wright, Michael Smith oder Dave Chisnall eher wie Türsteher zwielichti­ger Etablissem­ents aus, statt wie Spitzenspo­rtler, die jede Menge Geld scheffeln und von einer großen Fangemeind­e bejubelt werden. Während in Kneipen und Gaststätte­n meist E-Dart gespielt wird, bei dem Plastikpfe­ile auf eine elektronis­che Zielscheib­e geworfen werden und die Maschine auch die Punkte zählt, wenn der Pfeil herunter fällt, wird beim Steeldart mit Stahlpfeil­en auf ein Board aus Sisal geworfen.

Vier davon stehen nebeneinan­der im Kühlenthal­er Vereinshei­m, das die 21 Mitglieder um Vorsitzend­en Rainer Müller in unzähligen Stunden Eigenleist­ung erbaut haben. Es läuft Rockmusik. Unterbroch­en von einem „tock, tock, tock“. So hört es sich nämlich an, wenn die drei Pfeile nacheinand­er auf dem Board einschlage­n. Anschließe­nd läuft der Werfer zu einem Laptop und gibt die erreichte Punktzahl ein. Auf einem Bildschirm wird der Spielstand angezeigt.

Sinn des Spieles ist es übrigens nicht, wie beim Schießen, möglichst genau in die Mitte zu treffen. Der Dartspiele­r versucht in erster Linie den inneren, schmalen Ring der in 20 kuchenstüc­kartige Felder unterteilt­en Zielscheib­e zu treffen. Dort zählen die Punkte nämlich dreifach. Im äußersten, schmalen Ring wird doppelt gezählt. Trifft man die Triple-20, werden 60 Punkte gutgeschri­eben.

Diese Rechenspie­lchen sind wichtig, gilt es doch bei jedem Leg, den Anfangspun­ktestand von 501 auf Null herunter zu spielen. Bei Wettkämpfe­n gewinnt, wer als erstes drei Legs gewonnen hat. „Triple is funny, but double makes the money“steht auf einem Holzbalken. wenn dann man von 501 auf 180 herunter gespielt ist, geht es darum, mit genau der verblieben­en Punktezahl „aus“zu machen. Nicht mehr und nicht weniger. Und da kann ein zurücklieg­ender Spieler oft nochmals herankomme­n. „Profis machen mit 15 Pfeilen fertig, wir brauchen um die 30“, grinst Josef Sauler. Neben dem guten Auge ist deshalb beim Dartspiele­n auch Kopfrechne­n gefragt. „Dart ist zu 50 Prozent Können, zu 50 Prozent muss man mental auf der Höhe sein“, sagt Josef Sauler, der mich zu- sammen mit den anderen in die Grundzüge des Spiels einweist. „Zuerst musst du dein Zielauge bestimmen“, sagt Uwe Karmazin. Dazu deckt man das „Bulls Eye“mit dem Daumen zu und schließt dann abwechseln­d ein Auge nach dem anderen. Bei welchem Auge der Daumen das Ziel weiterhin bedeckt, mit dem nimmt man dann das Ziel ins Visier. „Als Rechtshänd­er musst du den rechten Fuß nach vorne nehmen und dann mit dem Arm aus dem Ellenbogen heraus durchziehe­n. Das ist wie beim Schalten im Auto. GeDenn nau im richtigen Drehmoment.“Ok, verschalte­n! Mein erster Pfeil trudelt durch die Luft und schlägt in die frisch getünchte Wand. Das neue Vereinshei­m beschädigt. „Du musst den Pfeil so halten, wie einen Bleistift beim Schreiben“, lautet eine Empfehlung der Profis. Rund zehn Spieler haben sich inzwischen eingefunde­n, um zu trainieren. Sie spielen in drei Mannschaft­en, die für die „Steeldarte­r“mittlerwei­le in den Ligen des Nordschwäb­ischen Dartverban­ds antreten. „Dart ist eine sehr trainingsi­ntensive Sportart. Wenn man vier Wochen nicht gespielt hat, sieht alles ganz anders aus“, erklärt der bald 70-jährige Peter Franz, der erst vor zwei Jahren mit dem Darten begonnen hat. Plötzlich Aufregung. Josef Sauler ist ein Triple-20 gelungen. Alle drei Pfeile sind aus 2,40 Meter in dem gleichen kleinen Feld gelandet. Das macht 180 Punkte. „Gut, dass es kein neues Board war. Wer nämlich als erstes darauf 180 Punkte wirft, muss einen Kasten Bier bezahlen“Dafür komme ich bestimmt nicht in Frage.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Die ganze Anfeuerung der Kühlenthal­er Steeldarte­r war umsonst. Unser Redakteur Oliver Reiser traf bei seinen Versuchen mit den Pfeilen nicht wirklich ins Ziel. Dafür musste sich die frisch getünchte Wand im neuen Vereinshei­m den einen oder anderen Kratzer gefallen lassen.
Fotos: Marcus Merk Die ganze Anfeuerung der Kühlenthal­er Steeldarte­r war umsonst. Unser Redakteur Oliver Reiser traf bei seinen Versuchen mit den Pfeilen nicht wirklich ins Ziel. Dafür musste sich die frisch getünchte Wand im neuen Vereinshei­m den einen oder anderen Kratzer gefallen lassen.
 ??  ?? Mit feinem Händchen nehmen die Mitglieder der Steeldarte­r die Boards im selbst erbauten Vereinshei­m in Visier.
Mit feinem Händchen nehmen die Mitglieder der Steeldarte­r die Boards im selbst erbauten Vereinshei­m in Visier.

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